dieser Seite. Jst die innere Größe, der Umfang und der Jnhalt, die Deutlichkeit und Ordnung der Vorstel- lungen und Gedanken dieselbige, so wird, in dieser Ab- straktion betrachtet, ein Jrrthum so viel Realität enthal- ten können, als eine Wahrheit.
Es ist gar nicht unnütz, beide einmal in dieser Ab- straktion zu vergleichen. Hat gleich jede Kenntniß in jedem Jndividuum, außer ihrem innern Gehalt, auch ihre Folgen auf die Empfindungen, auf das Gemüth und auf die thätigen Kräfte mittelbar oder unmittelbar, und ist also auch jedesmal mehr oder minder, auf eine nähere oder entferntere Art, pragmatisch: so giebt es doch viele wichtige Fälle in der Geschichte der Mensch- heit, wo der obige Grundsatz gebraucht werden kann, und gebraucht werden muß, wenn man richtig urthei- len will. Es können Kenntnisse gleichgültig seyn, wenn schon nicht im genauesten Verstande, doch so weit, daß ihr Unterschied unerheblich ist; und die eine ist richtig, die andere unrichtig. Da ist jener Grundsatz, der ihren innern Werth bestimmt. Es können ferner wich- tige pragmatische Kenntnisse, so gar solche, die, wegen ihres vorzüglichen und nahen Einflusses auf die Empfin- dungen und auf die Einrichtung des Menschen, im Verstande und Willen, auf einzelne Personen und auf die Gesellschaft, vorzüglich pragmatische heißen müssen, in diesen ihren Wirkungen einander gleich seyn, obschon wiederum die eine eine Wahrheit, und die andere ein Jrrthum ist. Vergleichen wir denn hier den Werth der Wahrheit mit dem Werth des Jrrthums, so würde, dieses letztern Einfluß gleich gesetzet, der Vorzug der er- stern darinn bestehen, daß sie nicht verändert werden dürfte, dagegen bey dem Jrrthum der Traum nicht ewig dauern kann. Jm übrigen aber wird, unter dersel- bigen Voraussetzung, der obige Grundsatz zur Bestim- mung ihrer innern Realität gebraucht| werden müssen.
Als-
XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
dieſer Seite. Jſt die innere Groͤße, der Umfang und der Jnhalt, die Deutlichkeit und Ordnung der Vorſtel- lungen und Gedanken dieſelbige, ſo wird, in dieſer Ab- ſtraktion betrachtet, ein Jrrthum ſo viel Realitaͤt enthal- ten koͤnnen, als eine Wahrheit.
Es iſt gar nicht unnuͤtz, beide einmal in dieſer Ab- ſtraktion zu vergleichen. Hat gleich jede Kenntniß in jedem Jndividuum, außer ihrem innern Gehalt, auch ihre Folgen auf die Empfindungen, auf das Gemuͤth und auf die thaͤtigen Kraͤfte mittelbar oder unmittelbar, und iſt alſo auch jedesmal mehr oder minder, auf eine naͤhere oder entferntere Art, pragmatiſch: ſo giebt es doch viele wichtige Faͤlle in der Geſchichte der Menſch- heit, wo der obige Grundſatz gebraucht werden kann, und gebraucht werden muß, wenn man richtig urthei- len will. Es koͤnnen Kenntniſſe gleichguͤltig ſeyn, wenn ſchon nicht im genaueſten Verſtande, doch ſo weit, daß ihr Unterſchied unerheblich iſt; und die eine iſt richtig, die andere unrichtig. Da iſt jener Grundſatz, der ihren innern Werth beſtimmt. Es koͤnnen ferner wich- tige pragmatiſche Kenntniſſe, ſo gar ſolche, die, wegen ihres vorzuͤglichen und nahen Einfluſſes auf die Empfin- dungen und auf die Einrichtung des Menſchen, im Verſtande und Willen, auf einzelne Perſonen und auf die Geſellſchaft, vorzuͤglich pragmatiſche heißen muͤſſen, in dieſen ihren Wirkungen einander gleich ſeyn, obſchon wiederum die eine eine Wahrheit, und die andere ein Jrrthum iſt. Vergleichen wir denn hier den Werth der Wahrheit mit dem Werth des Jrrthums, ſo wuͤrde, dieſes letztern Einfluß gleich geſetzet, der Vorzug der er- ſtern darinn beſtehen, daß ſie nicht veraͤndert werden duͤrfte, dagegen bey dem Jrrthum der Traum nicht ewig dauern kann. Jm uͤbrigen aber wird, unter derſel- bigen Vorausſetzung, der obige Grundſatz zur Beſtim- mung ihrer innern Realitaͤt gebraucht| werden muͤſſen.
Als-
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XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
dieſer Seite. Jſt die innere Groͤße, der Umfang und
der Jnhalt, die Deutlichkeit und Ordnung der Vorſtel-
lungen und Gedanken dieſelbige, ſo wird, in dieſer Ab-
ſtraktion betrachtet, ein Jrrthum ſo viel Realitaͤt enthal-
ten koͤnnen, als eine Wahrheit.
Es iſt gar nicht unnuͤtz, beide einmal in dieſer Ab-
ſtraktion zu vergleichen. Hat gleich jede Kenntniß in
jedem Jndividuum, außer ihrem innern Gehalt, auch
ihre Folgen auf die Empfindungen, auf das Gemuͤth
und auf die thaͤtigen Kraͤfte mittelbar oder unmittelbar,
und iſt alſo auch jedesmal mehr oder minder, auf eine
naͤhere oder entferntere Art, pragmatiſch: ſo giebt es
doch viele wichtige Faͤlle in der Geſchichte der Menſch-
heit, wo der obige Grundſatz gebraucht werden kann,
und gebraucht werden muß, wenn man richtig urthei-
len will. Es koͤnnen Kenntniſſe gleichguͤltig ſeyn, wenn
ſchon nicht im genaueſten Verſtande, doch ſo weit, daß
ihr Unterſchied unerheblich iſt; und die eine iſt richtig,
die andere unrichtig. Da iſt jener Grundſatz, der
ihren innern Werth beſtimmt. Es koͤnnen ferner wich-
tige pragmatiſche Kenntniſſe, ſo gar ſolche, die, wegen
ihres vorzuͤglichen und nahen Einfluſſes auf die Empfin-
dungen und auf die Einrichtung des Menſchen, im
Verſtande und Willen, auf einzelne Perſonen und
auf die Geſellſchaft, vorzuͤglich pragmatiſche heißen
muͤſſen, in dieſen ihren Wirkungen einander gleich ſeyn,
obſchon wiederum die eine eine Wahrheit, und die andere
ein Jrrthum iſt. Vergleichen wir denn hier den Werth der
Wahrheit mit dem Werth des Jrrthums, ſo wuͤrde,
dieſes letztern Einfluß gleich geſetzet, der Vorzug der er-
ſtern darinn beſtehen, daß ſie nicht veraͤndert werden
duͤrfte, dagegen bey dem Jrrthum der Traum nicht
ewig dauern kann. Jm uͤbrigen aber wird, unter derſel-
bigen Vorausſetzung, der obige Grundſatz zur Beſtim-
mung ihrer innern Realitaͤt gebraucht| werden muͤſſen.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 666. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/696>, abgerufen am 27.11.2024.
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