thätigkeit da, mit der sie auf ihre Vorstellungen wir- ken, und mittelst derselben sich bestimmen kann, entwe- der, weil die Seelenvermögen nicht wirksam genug sind, oder weil die Vorstellung mit zu großer Gewalt auf sie zudränget, als daß sie solche in derjenigen Entfernung von sich halten könnte, in der sie so zu sagen bleiben müssen, wenn die Seele auch vermögend seyn soll, an- dere neben ihnen hervorzuziehen und zu vergleichen. Jm Schlafe fehlet es an dem erfoderlichen Grade der Thätigkeit, aus Schwäche der Kraft; im wachenden Zustande, wenn sinnliche Vorstellungen und Leiden- schaften hinreißen, ist die Gewalt der Empfindungen zu überwältigend und fesselnd.
VI. Das Vermögen sich anders zu bestimmen bey freyen Handlungen muß ein aktives inneres Vermögen seyn, und nicht eine bloße Recepti- vität anders bestimmt werden zu können.
Wenn man weiter die Ursache auffuchet, warum es eben nothwendig ist, daß wir uns in dem Stande der Besinnlichkeit befinden müssen, indem wir uns zu etwas bestimmen, wofern die Handlung unmittelbar frey seyn soll, so kommen wir auf die dunkelste Stelle in dieser Betrachtung, wo uns die Frage aufstößt, was es für eine Beschaffenheit mit dem Vermögen habe uns anders zu bestimmen, welches wir selbstthätig in uns sollen aufbieten, und dadurch die wirkende Kraft zurückhalten, oder anders bestimmen können. Jn wie fern ist dieß Vermögen anders zu thun, als wir thun, ein wahres aktives Vermögen etwas hervorzubrin- gen und zu verrichten, und in wie fern ist es ein Ver- mögen unsers selbstthätigen innern Princips?
Die
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und Freyheit.
thaͤtigkeit da, mit der ſie auf ihre Vorſtellungen wir- ken, und mittelſt derſelben ſich beſtimmen kann, entwe- der, weil die Seelenvermoͤgen nicht wirkſam genug ſind, oder weil die Vorſtellung mit zu großer Gewalt auf ſie zudraͤnget, als daß ſie ſolche in derjenigen Entfernung von ſich halten koͤnnte, in der ſie ſo zu ſagen bleiben muͤſſen, wenn die Seele auch vermoͤgend ſeyn ſoll, an- dere neben ihnen hervorzuziehen und zu vergleichen. Jm Schlafe fehlet es an dem erfoderlichen Grade der Thaͤtigkeit, aus Schwaͤche der Kraft; im wachenden Zuſtande, wenn ſinnliche Vorſtellungen und Leiden- ſchaften hinreißen, iſt die Gewalt der Empfindungen zu uͤberwaͤltigend und feſſelnd.
VI. Das Vermoͤgen ſich anders zu beſtimmen bey freyen Handlungen muß ein aktives inneres Vermoͤgen ſeyn, und nicht eine bloße Recepti- vitaͤt anders beſtimmt werden zu koͤnnen.
Wenn man weiter die Urſache auffuchet, warum es eben nothwendig iſt, daß wir uns in dem Stande der Beſinnlichkeit befinden muͤſſen, indem wir uns zu etwas beſtimmen, wofern die Handlung unmittelbar frey ſeyn ſoll, ſo kommen wir auf die dunkelſte Stelle in dieſer Betrachtung, wo uns die Frage aufſtoͤßt, was es fuͤr eine Beſchaffenheit mit dem Vermoͤgen habe uns anders zu beſtimmen, welches wir ſelbſtthaͤtig in uns ſollen aufbieten, und dadurch die wirkende Kraft zuruͤckhalten, oder anders beſtimmen koͤnnen. Jn wie fern iſt dieß Vermoͤgen anders zu thun, als wir thun, ein wahres aktives Vermoͤgen etwas hervorzubrin- gen und zu verrichten, und in wie fern iſt es ein Ver- moͤgen unſers ſelbſtthaͤtigen innern Princips?
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und Freyheit.
thaͤtigkeit da, mit der ſie auf ihre Vorſtellungen wir-
ken, und mittelſt derſelben ſich beſtimmen kann, entwe-
der, weil die Seelenvermoͤgen nicht wirkſam genug ſind,
oder weil die Vorſtellung mit zu großer Gewalt auf ſie
zudraͤnget, als daß ſie ſolche in derjenigen Entfernung
von ſich halten koͤnnte, in der ſie ſo zu ſagen bleiben
muͤſſen, wenn die Seele auch vermoͤgend ſeyn ſoll, an-
dere neben ihnen hervorzuziehen und zu vergleichen.
Jm Schlafe fehlet es an dem erfoderlichen Grade der
Thaͤtigkeit, aus Schwaͤche der Kraft; im wachenden
Zuſtande, wenn ſinnliche Vorſtellungen und Leiden-
ſchaften hinreißen, iſt die Gewalt der Empfindungen
zu uͤberwaͤltigend und feſſelnd.
VI.
Das Vermoͤgen ſich anders zu beſtimmen bey
freyen Handlungen muß ein aktives inneres
Vermoͤgen ſeyn, und nicht eine bloße Recepti-
vitaͤt anders beſtimmt werden zu koͤnnen.
Wenn man weiter die Urſache auffuchet, warum es
eben nothwendig iſt, daß wir uns in dem Stande
der Beſinnlichkeit befinden muͤſſen, indem wir uns zu
etwas beſtimmen, wofern die Handlung unmittelbar
frey ſeyn ſoll, ſo kommen wir auf die dunkelſte Stelle
in dieſer Betrachtung, wo uns die Frage aufſtoͤßt, was
es fuͤr eine Beſchaffenheit mit dem Vermoͤgen habe
uns anders zu beſtimmen, welches wir ſelbſtthaͤtig in
uns ſollen aufbieten, und dadurch die wirkende Kraft
zuruͤckhalten, oder anders beſtimmen koͤnnen. Jn wie
fern iſt dieß Vermoͤgen anders zu thun, als wir thun,
ein wahres aktives Vermoͤgen etwas hervorzubrin-
gen und zu verrichten, und in wie fern iſt es ein Ver-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/69>, abgerufen am 23.11.2024.
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