Die Organisation des Menschen wird ausgebildet und vervollkommnet mit seiner Seele. Was kann ihr aber widerfahren, als daß sie mehrere Bestandtheile be- kommt, und eine andere Lage und Ordnung der Theile. Beides kann nicht anders, als nur so ferne es ein Mit- tel zur Vervollkommnung der Seele ist, für eine Ver- vollkommnung der menschlichen Natur gehalten werden. Wenn man nicht etwan diese für reeller darum halten wollte, weil sie an Masse zunimmt; in welchem Fall die Vergrößerung der Realität, die aus dem Wachsen der gröbern Theile des Körpers entspringt, mehr auf sich haben würde, als die Entwickelung der feinen Gefäße im Gehirn. Sollte die Seele nicht einer innern Ver- mehrung ihrer absoluten Kräfte und Vermögen fähig seyn, in welchem Fall man in den Bestandtheilen des Gehirns dergleichen noch weniger suchen würde: so könn- te nirgends eine wahre Vergrößerung an absoluten Rea- litäten stattfinden. Was würde denn die Vervollkomm- nung seyn? Nichts als eine solche Einrichtung der Organisation, vielleicht auch der innern Seelenkräfte, die mehr angenehme Empfindungen hervorbrächte. Aus- ser dieser geschieht nichts, als etwan dieß, daß mehr wirksame Materie in dem Gehirn, oder in dem Ganzen, was man den Menschen nennet, aufgehäufet wird.
Nach dem psychologischen System des Hrn. Bon- nets, des Hrn. Storchs und anderer, wo die Seele eine zwar unkörperliche, aber bloß empfindende und das Gehirn belebende, Kraft ist, kann keine andere Vor- stellung von der Vervollkommnung der menschlichen Na- tur gemacht werden, als die zuletzt angeführte. Die Vergrößerung der Realitäten ist bloß eine Vergröße- rung |an Kräften in der Organisation. Die Seele ist an ihrer Urkraft, und an Graden der Selbstthätigkeit unveränderlich. Wie sollten es die einfachen Wesen nicht seyn, die das innere Organ ausmachen? Kann
also
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und Entwickelung des Menſchen.
Die Organiſation des Menſchen wird ausgebildet und vervollkommnet mit ſeiner Seele. Was kann ihr aber widerfahren, als daß ſie mehrere Beſtandtheile be- kommt, und eine andere Lage und Ordnung der Theile. Beides kann nicht anders, als nur ſo ferne es ein Mit- tel zur Vervollkommnung der Seele iſt, fuͤr eine Ver- vollkommnung der menſchlichen Natur gehalten werden. Wenn man nicht etwan dieſe fuͤr reeller darum halten wollte, weil ſie an Maſſe zunimmt; in welchem Fall die Vergroͤßerung der Realitaͤt, die aus dem Wachſen der groͤbern Theile des Koͤrpers entſpringt, mehr auf ſich haben wuͤrde, als die Entwickelung der feinen Gefaͤße im Gehirn. Sollte die Seele nicht einer innern Ver- mehrung ihrer abſoluten Kraͤfte und Vermoͤgen faͤhig ſeyn, in welchem Fall man in den Beſtandtheilen des Gehirns dergleichen noch weniger ſuchen wuͤrde: ſo koͤnn- te nirgends eine wahre Vergroͤßerung an abſoluten Rea- litaͤten ſtattfinden. Was wuͤrde denn die Vervollkomm- nung ſeyn? Nichts als eine ſolche Einrichtung der Organiſation, vielleicht auch der innern Seelenkraͤfte, die mehr angenehme Empfindungen hervorbraͤchte. Auſ- ſer dieſer geſchieht nichts, als etwan dieß, daß mehr wirkſame Materie in dem Gehirn, oder in dem Ganzen, was man den Menſchen nennet, aufgehaͤufet wird.
Nach dem pſychologiſchen Syſtem des Hrn. Bon- nets, des Hrn. Storchs und anderer, wo die Seele eine zwar unkoͤrperliche, aber bloß empfindende und das Gehirn belebende, Kraft iſt, kann keine andere Vor- ſtellung von der Vervollkommnung der menſchlichen Na- tur gemacht werden, als die zuletzt angefuͤhrte. Die Vergroͤßerung der Realitaͤten iſt bloß eine Vergroͤße- rung |an Kraͤften in der Organiſation. Die Seele iſt an ihrer Urkraft, und an Graden der Selbſtthaͤtigkeit unveraͤnderlich. Wie ſollten es die einfachen Weſen nicht ſeyn, die das innere Organ ausmachen? Kann
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und Entwickelung des Menſchen.
Die Organiſation des Menſchen wird ausgebildet
und vervollkommnet mit ſeiner Seele. Was kann ihr
aber widerfahren, als daß ſie mehrere Beſtandtheile be-
kommt, und eine andere Lage und Ordnung der Theile.
Beides kann nicht anders, als nur ſo ferne es ein Mit-
tel zur Vervollkommnung der Seele iſt, fuͤr eine Ver-
vollkommnung der menſchlichen Natur gehalten werden.
Wenn man nicht etwan dieſe fuͤr reeller darum halten
wollte, weil ſie an Maſſe zunimmt; in welchem Fall
die Vergroͤßerung der Realitaͤt, die aus dem Wachſen
der groͤbern Theile des Koͤrpers entſpringt, mehr auf ſich
haben wuͤrde, als die Entwickelung der feinen Gefaͤße
im Gehirn. Sollte die Seele nicht einer innern Ver-
mehrung ihrer abſoluten Kraͤfte und Vermoͤgen faͤhig
ſeyn, in welchem Fall man in den Beſtandtheilen des
Gehirns dergleichen noch weniger ſuchen wuͤrde: ſo koͤnn-
te nirgends eine wahre Vergroͤßerung an abſoluten Rea-
litaͤten ſtattfinden. Was wuͤrde denn die Vervollkomm-
nung ſeyn? Nichts als eine ſolche Einrichtung der
Organiſation, vielleicht auch der innern Seelenkraͤfte,
die mehr angenehme Empfindungen hervorbraͤchte. Auſ-
ſer dieſer geſchieht nichts, als etwan dieß, daß mehr
wirkſame Materie in dem Gehirn, oder in dem Ganzen,
was man den Menſchen nennet, aufgehaͤufet wird.
Nach dem pſychologiſchen Syſtem des Hrn. Bon-
nets, des Hrn. Storchs und anderer, wo die Seele
eine zwar unkoͤrperliche, aber bloß empfindende und
das Gehirn belebende, Kraft iſt, kann keine andere Vor-
ſtellung von der Vervollkommnung der menſchlichen Na-
tur gemacht werden, als die zuletzt angefuͤhrte. Die
Vergroͤßerung der Realitaͤten iſt bloß eine Vergroͤße-
rung |an Kraͤften in der Organiſation. Die Seele iſt
an ihrer Urkraft, und an Graden der Selbſtthaͤtigkeit
unveraͤnderlich. Wie ſollten es die einfachen Weſen
nicht ſeyn, die das innere Organ ausmachen? Kann
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 645. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/675>, abgerufen am 23.11.2024.
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