nen, oder für solche selbst, halten wollte. Man könnte sagen, auch die Seelenkräfte, die nur in ihren Wir- kungen empfunden werden, wären auch nur mittelbar zu genießen, in demselbigen Sinn, wie die gute Beschaf- fenheit der innern Organe. Warum sollte denn diese mehr eine bloß relative Vollkommenheit heißen, als je- ne? Wenn man bloß aus diesem Gesichtspunkt die Sa- che ansieht, so ist kein Grund dazu vorhanden. Sie sind beide genießbar. Den Graden nach möchten denn die körperlichen nur immer unter den unkörperlichen stehen.
Sieht man hingegen auf die zwote Beziehung, so können wir die Realitäten des Körpers für nichts anders ansehen, als für so etwas, das bloß einen äußern Werth hat, und nur allein in Relation auf die Seele eine Vollkommenheit ist. Wir setzen es in der Jdee vom Thiere schon voraus, daß die Seele der Mittelpunkt desselben sey, auf den sich das Uebrige des Ganzen beziehe. Das Reelle, das bloß physisch Reelle, ohne Rücksicht auf die Genießbarkeit, die physische Stärke und Men- ge der Kräfte und Vermögen in der Seele, wird als die absolute Realität oder Vollkommenheit in dem Thier betrachtet. Daher ist die Organisation nur gut oder schlecht, vollständig oder mangelhaft, besitzet Realität oder Negation, Vollkommenheit oder Unvollkommen- heit, je nachdem sie Ursache und Mittel ist, die See- lenkräfte zu entwickeln und das innere physische Reelle in unserm Jch zu vergrößern, oder das Gegentheil zu veranlassen. Nur so weit ist das zum scharfen Sehen eingerichtete Auge etwas Gutes für das Thier, insofern es mit dem Sinn in der Seele übereinstimmet, und den Seelenvermögen zu wirken angemessen ist; nur so weit, sind Arme und Hände, ohne Rücksicht auf die Gefühle von ihnen und durch sie, Realitäten im Menschen, als sie Werkzeuge sind, wodurch die wollende und handeln- de Kraft hervorgehen und sich auf eine gewisse Art, nach
einer
XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
nen, oder fuͤr ſolche ſelbſt, halten wollte. Man koͤnnte ſagen, auch die Seelenkraͤfte, die nur in ihren Wir- kungen empfunden werden, waͤren auch nur mittelbar zu genießen, in demſelbigen Sinn, wie die gute Beſchaf- fenheit der innern Organe. Warum ſollte denn dieſe mehr eine bloß relative Vollkommenheit heißen, als je- ne? Wenn man bloß aus dieſem Geſichtspunkt die Sa- che anſieht, ſo iſt kein Grund dazu vorhanden. Sie ſind beide genießbar. Den Graden nach moͤchten denn die koͤrperlichen nur immer unter den unkoͤrperlichen ſtehen.
Sieht man hingegen auf die zwote Beziehung, ſo koͤnnen wir die Realitaͤten des Koͤrpers fuͤr nichts anders anſehen, als fuͤr ſo etwas, das bloß einen aͤußern Werth hat, und nur allein in Relation auf die Seele eine Vollkommenheit iſt. Wir ſetzen es in der Jdee vom Thiere ſchon voraus, daß die Seele der Mittelpunkt deſſelben ſey, auf den ſich das Uebrige des Ganzen beziehe. Das Reelle, das bloß phyſiſch Reelle, ohne Ruͤckſicht auf die Genießbarkeit, die phyſiſche Staͤrke und Men- ge der Kraͤfte und Vermoͤgen in der Seele, wird als die abſolute Realitaͤt oder Vollkommenheit in dem Thier betrachtet. Daher iſt die Organiſation nur gut oder ſchlecht, vollſtaͤndig oder mangelhaft, beſitzet Realitaͤt oder Negation, Vollkommenheit oder Unvollkommen- heit, je nachdem ſie Urſache und Mittel iſt, die See- lenkraͤfte zu entwickeln und das innere phyſiſche Reelle in unſerm Jch zu vergroͤßern, oder das Gegentheil zu veranlaſſen. Nur ſo weit iſt das zum ſcharfen Sehen eingerichtete Auge etwas Gutes fuͤr das Thier, inſofern es mit dem Sinn in der Seele uͤbereinſtimmet, und den Seelenvermoͤgen zu wirken angemeſſen iſt; nur ſo weit, ſind Arme und Haͤnde, ohne Ruͤckſicht auf die Gefuͤhle von ihnen und durch ſie, Realitaͤten im Menſchen, als ſie Werkzeuge ſind, wodurch die wollende und handeln- de Kraft hervorgehen und ſich auf eine gewiſſe Art, nach
einer
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XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
nen, oder fuͤr ſolche ſelbſt, halten wollte. Man koͤnnte
ſagen, auch die Seelenkraͤfte, die nur in ihren Wir-
kungen empfunden werden, waͤren auch nur mittelbar zu
genießen, in demſelbigen Sinn, wie die gute Beſchaf-
fenheit der innern Organe. Warum ſollte denn dieſe
mehr eine bloß relative Vollkommenheit heißen, als je-
ne? Wenn man bloß aus dieſem Geſichtspunkt die Sa-
che anſieht, ſo iſt kein Grund dazu vorhanden. Sie
ſind beide genießbar. Den Graden nach moͤchten denn
die koͤrperlichen nur immer unter den unkoͤrperlichen ſtehen.
Sieht man hingegen auf die zwote Beziehung, ſo
koͤnnen wir die Realitaͤten des Koͤrpers fuͤr nichts anders
anſehen, als fuͤr ſo etwas, das bloß einen aͤußern
Werth hat, und nur allein in Relation auf die Seele
eine Vollkommenheit iſt. Wir ſetzen es in der Jdee
vom Thiere ſchon voraus, daß die Seele der Mittelpunkt
deſſelben ſey, auf den ſich das Uebrige des Ganzen beziehe.
Das Reelle, das bloß phyſiſch Reelle, ohne Ruͤckſicht
auf die Genießbarkeit, die phyſiſche Staͤrke und Men-
ge der Kraͤfte und Vermoͤgen in der Seele, wird als
die abſolute Realitaͤt oder Vollkommenheit in dem Thier
betrachtet. Daher iſt die Organiſation nur gut oder
ſchlecht, vollſtaͤndig oder mangelhaft, beſitzet Realitaͤt
oder Negation, Vollkommenheit oder Unvollkommen-
heit, je nachdem ſie Urſache und Mittel iſt, die See-
lenkraͤfte zu entwickeln und das innere phyſiſche Reelle
in unſerm Jch zu vergroͤßern, oder das Gegentheil zu
veranlaſſen. Nur ſo weit iſt das zum ſcharfen Sehen
eingerichtete Auge etwas Gutes fuͤr das Thier, inſofern
es mit dem Sinn in der Seele uͤbereinſtimmet, und den
Seelenvermoͤgen zu wirken angemeſſen iſt; nur ſo weit,
ſind Arme und Haͤnde, ohne Ruͤckſicht auf die Gefuͤhle
von ihnen und durch ſie, Realitaͤten im Menſchen, als
ſie Werkzeuge ſind, wodurch die wollende und handeln-
de Kraft hervorgehen und ſich auf eine gewiſſe Art, nach
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 640. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/670>, abgerufen am 23.11.2024.
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