kung, sondern es fehlet auch das Vermögen zu solchen Wirkungen, wenn gesunde Vernunft das Steuerruder hält. Die physische Kraft im Körper, um die Hand dem Feuer entgegen zu halten, ist da, aber diese macht das gesammte Vermögen, eine solche Handlung vor- zunehmen, nicht aus. Hiezu wird auch eine Kraft er- fodert, den starken Widerwillen, den die Vorstellung von der That selbst hervorbringet, zu unterdrücken, und ihr entgegen das körperliche Bewegungsvermögen auf die Handlung zu richten.
Jn den angeführten Beyspielen ist die Gegenwart der Vernunft, und die Reflexion über die That, die physische Ursache, daß die Seele, wenn sie so äußerst unsinnige Handlungen unterläßt, oder dagegen äußerst nothwendige vornimmt, dabey nicht frey und mit Selbst- gewalt über sich handelt. Aber sie verrichtet und un- terläßt solche auch alsdenn nicht um der Stärke der all- gemeinen vernünftigen Ueberlegung willen. Ob es gut sey oder nicht gut sey, die Hand zu verbrennen, das kann sie vernünftig nach deutlichen Begriffen überlegen; und dadurch wird sie nicht aus ihrer Fassung gebracht. Sie würde von diesen Reflexionen in der That wenig Widerstand finden, wenn ihr einmal die Lust anwan- deln sollte, eine solche Probe zu machen. Aber die le- bendigen verwirrten anschaulichen Vorstellungen von der That, von ihrer Unvernunft und ihren Wirkungen, welche mit jenen deutlichen Ueberlegungen verbunden sind, und sich gegenwärtig der Seele darstellen; diese sind es, die mit solcher Heftigkeit auf das Gemüth und auf den Willen wirken, daß die Kraft mit Schaudern von der Handlung zurückfahren muß, und sich außer Stand gesetzet fühlet, ihr nur zu nähern und den An- fang zu machen. Es ist also auch nicht die deutliche Vorstellung, sondern die sie begleitenden Empfindungen, was in solchen Fällen die Handlung erzwinget. Daraus
aber,
XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
kung, ſondern es fehlet auch das Vermoͤgen zu ſolchen Wirkungen, wenn geſunde Vernunft das Steuerruder haͤlt. Die phyſiſche Kraft im Koͤrper, um die Hand dem Feuer entgegen zu halten, iſt da, aber dieſe macht das geſammte Vermoͤgen, eine ſolche Handlung vor- zunehmen, nicht aus. Hiezu wird auch eine Kraft er- fodert, den ſtarken Widerwillen, den die Vorſtellung von der That ſelbſt hervorbringet, zu unterdruͤcken, und ihr entgegen das koͤrperliche Bewegungsvermoͤgen auf die Handlung zu richten.
Jn den angefuͤhrten Beyſpielen iſt die Gegenwart der Vernunft, und die Reflexion uͤber die That, die phyſiſche Urſache, daß die Seele, wenn ſie ſo aͤußerſt unſinnige Handlungen unterlaͤßt, oder dagegen aͤußerſt nothwendige vornimmt, dabey nicht frey und mit Selbſt- gewalt uͤber ſich handelt. Aber ſie verrichtet und un- terlaͤßt ſolche auch alsdenn nicht um der Staͤrke der all- gemeinen vernuͤnftigen Ueberlegung willen. Ob es gut ſey oder nicht gut ſey, die Hand zu verbrennen, das kann ſie vernuͤnftig nach deutlichen Begriffen uͤberlegen; und dadurch wird ſie nicht aus ihrer Faſſung gebracht. Sie wuͤrde von dieſen Reflexionen in der That wenig Widerſtand finden, wenn ihr einmal die Luſt anwan- deln ſollte, eine ſolche Probe zu machen. Aber die le- bendigen verwirrten anſchaulichen Vorſtellungen von der That, von ihrer Unvernunft und ihren Wirkungen, welche mit jenen deutlichen Ueberlegungen verbunden ſind, und ſich gegenwaͤrtig der Seele darſtellen; dieſe ſind es, die mit ſolcher Heftigkeit auf das Gemuͤth und auf den Willen wirken, daß die Kraft mit Schaudern von der Handlung zuruͤckfahren muß, und ſich außer Stand geſetzet fuͤhlet, ihr nur zu naͤhern und den An- fang zu machen. Es iſt alſo auch nicht die deutliche Vorſtellung, ſondern die ſie begleitenden Empfindungen, was in ſolchen Faͤllen die Handlung erzwinget. Daraus
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XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
kung, ſondern es fehlet auch das Vermoͤgen zu ſolchen
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haͤlt. Die phyſiſche Kraft im Koͤrper, um die Hand
dem Feuer entgegen zu halten, iſt da, aber dieſe macht
das geſammte Vermoͤgen, eine ſolche Handlung vor-
zunehmen, nicht aus. Hiezu wird auch eine Kraft er-
fodert, den ſtarken Widerwillen, den die Vorſtellung
von der That ſelbſt hervorbringet, zu unterdruͤcken, und
ihr entgegen das koͤrperliche Bewegungsvermoͤgen auf
die Handlung zu richten.
Jn den angefuͤhrten Beyſpielen iſt die Gegenwart
der Vernunft, und die Reflexion uͤber die That, die
phyſiſche Urſache, daß die Seele, wenn ſie ſo aͤußerſt
unſinnige Handlungen unterlaͤßt, oder dagegen aͤußerſt
nothwendige vornimmt, dabey nicht frey und mit Selbſt-
gewalt uͤber ſich handelt. Aber ſie verrichtet und un-
terlaͤßt ſolche auch alsdenn nicht um der Staͤrke der all-
gemeinen vernuͤnftigen Ueberlegung willen. Ob es gut
ſey oder nicht gut ſey, die Hand zu verbrennen, das
kann ſie vernuͤnftig nach deutlichen Begriffen uͤberlegen;
und dadurch wird ſie nicht aus ihrer Faſſung gebracht.
Sie wuͤrde von dieſen Reflexionen in der That wenig
Widerſtand finden, wenn ihr einmal die Luſt anwan-
deln ſollte, eine ſolche Probe zu machen. Aber die le-
bendigen verwirrten anſchaulichen Vorſtellungen von der
That, von ihrer Unvernunft und ihren Wirkungen,
welche mit jenen deutlichen Ueberlegungen verbunden
ſind, und ſich gegenwaͤrtig der Seele darſtellen; dieſe
ſind es, die mit ſolcher Heftigkeit auf das Gemuͤth und
auf den Willen wirken, daß die Kraft mit Schaudern
von der Handlung zuruͤckfahren muß, und ſich außer
Stand geſetzet fuͤhlet, ihr nur zu naͤhern und den An-
fang zu machen. Es iſt alſo auch nicht die deutliche
Vorſtellung, ſondern die ſie begleitenden Empfindungen,
was in ſolchen Faͤllen die Handlung erzwinget. Daraus
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/66>, abgerufen am 22.11.2024.
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