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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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und Entwickelung des Menschen.
3.

Dieser Verschiedenheit sind die Grenzen schon an-
gewiesen, zwischen denen sie fällt. Es ist Ein und
dasselbige Geschlecht,
und die Menschenarten
sind nur Spielarten.
Auf der andern Seite ist ihre
Verschiedenheit eine wahre Naturverschiedenheit, die bey
einzelnen Jndividuen durch den Einfluß der äußern Ur-
sachen nicht gehoben werden kann. So weit entscheidet
die Erfahrung, so daß kein Zweifel übrig ist.

Aber hier liegt uns die Natur dieser Verschiedenheit
noch nicht ganz im Hellen. Ein anders ist es, wenn
man fragt, ob die Varietät unter den Menschen eine
Verschiedenheit in der Abstammung erfodere,
oder ob solche bey Einer Abstammung von demselbigen
Paar habe entstehen können?

Dieß völlig aufzuklären würde erfodert:

1) Daß die vorhandenen Abweichungen an Farbe,
Größe, Statur und Bildung des ganzen Körpers und
gewisser einzelner Theile gesammelt würden. Dieß ist
von den obengenannten Geschichtschreibern des Men-
schen so weit geschehen, als es zu dieser Absicht ge-
nug ist.
2) Daß von allen diesen Abweichungen aus der Er-
fahrung gezeiget werde, nicht nur daß solche bey ein-
zelnen Jndividuen durch äußere Ursachen zufällig entste-
hen, sondern auch daß solche mit der Fortpflanzung
übergehen, sich in den Nachkommen immer mehr fest-
setzen und stärker werden können.
Und 3) daß diese Umänderung einer Varietät in die
andere möglich sey, ohne Vermischung der Jndivi-
duen von der einen mit den Jndividuen von der andern.

Die Data, welche die Erfahrung bis jetzo gegeben
hat, scheinen mir doch hinlänglich zu seyn, wenigstens
mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu entschei-

den,
N n 5
und Entwickelung des Menſchen.
3.

Dieſer Verſchiedenheit ſind die Grenzen ſchon an-
gewieſen, zwiſchen denen ſie faͤllt. Es iſt Ein und
daſſelbige Geſchlecht,
und die Menſchenarten
ſind nur Spielarten.
Auf der andern Seite iſt ihre
Verſchiedenheit eine wahre Naturverſchiedenheit, die bey
einzelnen Jndividuen durch den Einfluß der aͤußern Ur-
ſachen nicht gehoben werden kann. So weit entſcheidet
die Erfahrung, ſo daß kein Zweifel uͤbrig iſt.

Aber hier liegt uns die Natur dieſer Verſchiedenheit
noch nicht ganz im Hellen. Ein anders iſt es, wenn
man fragt, ob die Varietaͤt unter den Menſchen eine
Verſchiedenheit in der Abſtammung erfodere,
oder ob ſolche bey Einer Abſtammung von demſelbigen
Paar habe entſtehen koͤnnen?

Dieß voͤllig aufzuklaͤren wuͤrde erfodert:

1) Daß die vorhandenen Abweichungen an Farbe,
Groͤße, Statur und Bildung des ganzen Koͤrpers und
gewiſſer einzelner Theile geſammelt wuͤrden. Dieß iſt
von den obengenannten Geſchichtſchreibern des Men-
ſchen ſo weit geſchehen, als es zu dieſer Abſicht ge-
nug iſt.
2) Daß von allen dieſen Abweichungen aus der Er-
fahrung gezeiget werde, nicht nur daß ſolche bey ein-
zelnen Jndividuen durch aͤußere Urſachen zufaͤllig entſte-
hen, ſondern auch daß ſolche mit der Fortpflanzung
uͤbergehen, ſich in den Nachkommen immer mehr feſt-
ſetzen und ſtaͤrker werden koͤnnen.
Und 3) daß dieſe Umaͤnderung einer Varietaͤt in die
andere moͤglich ſey, ohne Vermiſchung der Jndivi-
duen von der einen mit den Jndividuen von der andern.

Die Data, welche die Erfahrung bis jetzo gegeben
hat, ſcheinen mir doch hinlaͤnglich zu ſeyn, wenigſtens
mit einer uͤberwiegenden Wahrſcheinlichkeit zu entſchei-

den,
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[569/0599] und Entwickelung des Menſchen. 3. Dieſer Verſchiedenheit ſind die Grenzen ſchon an- gewieſen, zwiſchen denen ſie faͤllt. Es iſt Ein und daſſelbige Geſchlecht, und die Menſchenarten ſind nur Spielarten. Auf der andern Seite iſt ihre Verſchiedenheit eine wahre Naturverſchiedenheit, die bey einzelnen Jndividuen durch den Einfluß der aͤußern Ur- ſachen nicht gehoben werden kann. So weit entſcheidet die Erfahrung, ſo daß kein Zweifel uͤbrig iſt. Aber hier liegt uns die Natur dieſer Verſchiedenheit noch nicht ganz im Hellen. Ein anders iſt es, wenn man fragt, ob die Varietaͤt unter den Menſchen eine Verſchiedenheit in der Abſtammung erfodere, oder ob ſolche bey Einer Abſtammung von demſelbigen Paar habe entſtehen koͤnnen? Dieß voͤllig aufzuklaͤren wuͤrde erfodert: 1) Daß die vorhandenen Abweichungen an Farbe, Groͤße, Statur und Bildung des ganzen Koͤrpers und gewiſſer einzelner Theile geſammelt wuͤrden. Dieß iſt von den obengenannten Geſchichtſchreibern des Men- ſchen ſo weit geſchehen, als es zu dieſer Abſicht ge- nug iſt. 2) Daß von allen dieſen Abweichungen aus der Er- fahrung gezeiget werde, nicht nur daß ſolche bey ein- zelnen Jndividuen durch aͤußere Urſachen zufaͤllig entſte- hen, ſondern auch daß ſolche mit der Fortpflanzung uͤbergehen, ſich in den Nachkommen immer mehr feſt- ſetzen und ſtaͤrker werden koͤnnen. Und 3) daß dieſe Umaͤnderung einer Varietaͤt in die andere moͤglich ſey, ohne Vermiſchung der Jndivi- duen von der einen mit den Jndividuen von der andern. Die Data, welche die Erfahrung bis jetzo gegeben hat, ſcheinen mir doch hinlaͤnglich zu ſeyn, wenigſtens mit einer uͤberwiegenden Wahrſcheinlichkeit zu entſchei- den, N n 5

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/599>, abgerufen am 22.11.2024.