Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.XIV. Vers. Ueber die Perfektibilität lennatur behauptet werden, als es in Rücksicht auf ih-ren Körper erwiesen ist. Allein dennoch bleiben andere Fragen über die Grenzen dieser Verschiedenheit zurück, und besonders darüber, wie solche eine Wirkung äußerer Ursachen seyn könne? Sind es nur Spielarten oder Varietäten, was heißet dieß? Home hat, ohne den Begriff von der Art zu bestimmen, den er seiner Ge- wohnheit nach für einen einfachen natürlichen Begriff hält, dessen nähere Entwickelung unnöthig sey, eine Verschiedenartigkeit zwischen ihnen zu behaupten gesucht, die so weit gehet, daß sie unmöglich von Einem und demselbigen Paar abstammen können. *) Das Unbe- stimmte und Dunkle in diesem Begriff von den Arten und Spielarten ist es eben, was ihn so schwankend macht, was die Verwirrung unterhält und uns nicht einmal deutlich sehen läßt, wie viel oder wie wenig aus den Erfahrungen sich schließen lasse? Mancher Grund wird gebraucht, der richtig genug ist, um zu erweisen, daß die Menschenarten nichts mehr als Spielarten sind, der aber nicht beweiset, daß sie zu Einer Abstammung gehören, oder nur gehören könnten? Denn ob sie wirklich aus Einem Paar abstammen, ist eine Thatsa- che die aus der Geschichte bewiesen werden muß. Hr. Home hat allerdings Gründe beygebracht, die das letz- tere etwas zweifelhaft machen könnten, bis sie näher un- tersucht sind. Aber zugleich hat er geglaubt, durch eben diese Gründe auch ihre Verschiedenheit in der Gat- tung *) Außer dem, was bey den Geschichtschreibern der Na-
tur, besonders bey Buffon, von der Verschiedenheit der Menschengattungen vorkommt, und in einem kernhaf- ten Auszug, mit kritischer Auswahl, in der Beschrei- bung der Thiere des Hr. Hofr. Schrebers sich findet, verdient die kleine Schrift des Hr. Prof. Blumenbachs, de generis humani varietate nativa liber singularis, hier besonders angeführet zu werden. XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt lennatur behauptet werden, als es in Ruͤckſicht auf ih-ren Koͤrper erwieſen iſt. Allein dennoch bleiben andere Fragen uͤber die Grenzen dieſer Verſchiedenheit zuruͤck, und beſonders daruͤber, wie ſolche eine Wirkung aͤußerer Urſachen ſeyn koͤnne? Sind es nur Spielarten oder Varietaͤten, was heißet dieß? Home hat, ohne den Begriff von der Art zu beſtimmen, den er ſeiner Ge- wohnheit nach fuͤr einen einfachen natuͤrlichen Begriff haͤlt, deſſen naͤhere Entwickelung unnoͤthig ſey, eine Verſchiedenartigkeit zwiſchen ihnen zu behaupten geſucht, die ſo weit gehet, daß ſie unmoͤglich von Einem und demſelbigen Paar abſtammen koͤnnen. *) Das Unbe- ſtimmte und Dunkle in dieſem Begriff von den Arten und Spielarten iſt es eben, was ihn ſo ſchwankend macht, was die Verwirrung unterhaͤlt und uns nicht einmal deutlich ſehen laͤßt, wie viel oder wie wenig aus den Erfahrungen ſich ſchließen laſſe? Mancher Grund wird gebraucht, der richtig genug iſt, um zu erweiſen, daß die Menſchenarten nichts mehr als Spielarten ſind, der aber nicht beweiſet, daß ſie zu Einer Abſtammung gehoͤren, oder nur gehoͤren koͤnnten? Denn ob ſie wirklich aus Einem Paar abſtammen, iſt eine Thatſa- che die aus der Geſchichte bewieſen werden muß. Hr. Home hat allerdings Gruͤnde beygebracht, die das letz- tere etwas zweifelhaft machen koͤnnten, bis ſie naͤher un- terſucht ſind. Aber zugleich hat er geglaubt, durch eben dieſe Gruͤnde auch ihre Verſchiedenheit in der Gat- tung *) Außer dem, was bey den Geſchichtſchreibern der Na-
tur, beſonders bey Buffon, von der Verſchiedenheit der Menſchengattungen vorkommt, und in einem kernhaf- ten Auszug, mit kritiſcher Auswahl, in der Beſchrei- bung der Thiere des Hr. Hofr. Schrebers ſich findet, verdient die kleine Schrift des Hr. Prof. Blumenbachs, de generis humani varietate nativa liber ſingularis, hier beſonders angefuͤhret zu werden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0592" n="562"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XIV.</hi> Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt</hi></fw><lb/> lennatur behauptet werden, als es in Ruͤckſicht auf ih-<lb/> ren Koͤrper erwieſen iſt. Allein dennoch bleiben andere<lb/> Fragen uͤber die Grenzen dieſer Verſchiedenheit zuruͤck,<lb/> und beſonders daruͤber, wie ſolche eine Wirkung aͤußerer<lb/> Urſachen ſeyn koͤnne? Sind es nur <hi rendition="#fr">Spielarten</hi> oder<lb/><hi rendition="#fr">Varietaͤten,</hi> was heißet dieß? <hi rendition="#fr">Home</hi> hat, ohne den<lb/> Begriff von der <hi rendition="#fr">Art</hi> zu beſtimmen, den er ſeiner Ge-<lb/> wohnheit nach fuͤr einen einfachen natuͤrlichen Begriff<lb/> haͤlt, deſſen naͤhere Entwickelung unnoͤthig ſey, eine<lb/> Verſchiedenartigkeit zwiſchen ihnen zu behaupten geſucht,<lb/> die ſo weit gehet, daß ſie unmoͤglich von Einem und<lb/> demſelbigen Paar abſtammen koͤnnen. <note place="foot" n="*)">Außer dem, was bey den Geſchichtſchreibern der Na-<lb/> tur, beſonders bey <hi rendition="#fr">Buffon,</hi> von der Verſchiedenheit der<lb/> Menſchengattungen vorkommt, und in einem kernhaf-<lb/> ten Auszug, mit kritiſcher Auswahl, in der Beſchrei-<lb/> bung der Thiere des Hr. Hofr. <hi rendition="#fr">Schrebers</hi> ſich findet,<lb/> verdient die kleine Schrift des Hr. Prof. <hi rendition="#fr">Blumenbachs,</hi><lb/><hi rendition="#aq">de generis humani varietate nativa liber ſingularis,</hi><lb/> hier beſonders angefuͤhret zu werden.</note> Das Unbe-<lb/> ſtimmte und Dunkle in dieſem Begriff von den <hi rendition="#fr">Arten</hi><lb/> und <hi rendition="#fr">Spielarten</hi> iſt es eben, was ihn ſo ſchwankend<lb/> macht, was die Verwirrung unterhaͤlt und uns nicht<lb/> einmal deutlich ſehen laͤßt, wie viel oder wie wenig aus<lb/> den Erfahrungen ſich ſchließen laſſe? Mancher Grund<lb/> wird gebraucht, der richtig genug iſt, um zu erweiſen,<lb/> daß die Menſchenarten nichts mehr als Spielarten ſind,<lb/> der aber nicht beweiſet, daß ſie zu Einer Abſtammung<lb/> gehoͤren, oder nur gehoͤren <hi rendition="#fr">koͤnnten?</hi> Denn ob ſie<lb/> wirklich aus Einem Paar abſtammen, iſt eine Thatſa-<lb/> che die aus der Geſchichte bewieſen werden muß. Hr.<lb/><hi rendition="#fr">Home</hi> hat allerdings Gruͤnde beygebracht, die das letz-<lb/> tere etwas zweifelhaft machen koͤnnten, bis ſie naͤher un-<lb/> terſucht ſind. Aber zugleich hat er geglaubt, durch<lb/> eben dieſe Gruͤnde auch ihre Verſchiedenheit in der Gat-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">tung</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [562/0592]
XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
lennatur behauptet werden, als es in Ruͤckſicht auf ih-
ren Koͤrper erwieſen iſt. Allein dennoch bleiben andere
Fragen uͤber die Grenzen dieſer Verſchiedenheit zuruͤck,
und beſonders daruͤber, wie ſolche eine Wirkung aͤußerer
Urſachen ſeyn koͤnne? Sind es nur Spielarten oder
Varietaͤten, was heißet dieß? Home hat, ohne den
Begriff von der Art zu beſtimmen, den er ſeiner Ge-
wohnheit nach fuͤr einen einfachen natuͤrlichen Begriff
haͤlt, deſſen naͤhere Entwickelung unnoͤthig ſey, eine
Verſchiedenartigkeit zwiſchen ihnen zu behaupten geſucht,
die ſo weit gehet, daß ſie unmoͤglich von Einem und
demſelbigen Paar abſtammen koͤnnen. *) Das Unbe-
ſtimmte und Dunkle in dieſem Begriff von den Arten
und Spielarten iſt es eben, was ihn ſo ſchwankend
macht, was die Verwirrung unterhaͤlt und uns nicht
einmal deutlich ſehen laͤßt, wie viel oder wie wenig aus
den Erfahrungen ſich ſchließen laſſe? Mancher Grund
wird gebraucht, der richtig genug iſt, um zu erweiſen,
daß die Menſchenarten nichts mehr als Spielarten ſind,
der aber nicht beweiſet, daß ſie zu Einer Abſtammung
gehoͤren, oder nur gehoͤren koͤnnten? Denn ob ſie
wirklich aus Einem Paar abſtammen, iſt eine Thatſa-
che die aus der Geſchichte bewieſen werden muß. Hr.
Home hat allerdings Gruͤnde beygebracht, die das letz-
tere etwas zweifelhaft machen koͤnnten, bis ſie naͤher un-
terſucht ſind. Aber zugleich hat er geglaubt, durch
eben dieſe Gruͤnde auch ihre Verſchiedenheit in der Gat-
tung
*) Außer dem, was bey den Geſchichtſchreibern der Na-
tur, beſonders bey Buffon, von der Verſchiedenheit der
Menſchengattungen vorkommt, und in einem kernhaf-
ten Auszug, mit kritiſcher Auswahl, in der Beſchrei-
bung der Thiere des Hr. Hofr. Schrebers ſich findet,
verdient die kleine Schrift des Hr. Prof. Blumenbachs,
de generis humani varietate nativa liber ſingularis,
hier beſonders angefuͤhret zu werden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |