Dritter Abschnitt. Von der Analogie der Entwickelung der Seele mit der Entwickelung des Körpers.
I. Das körperliche Werkzeug der Seele entwickelt sich auf dieselbige Art, wie der organisirte Körper. Und die Seele selbst entwickelt sich auf eine analoge Art.
Es giebt hier wiederum einen Weg über den Körper zu der Seele, und es wird desto mehr hey der ge- genwärtigen Betrachtung erlaubt seyn denselben zu be- treten, da ein Theil unsers Seelenwesens zugleich ein Theil des organisirten Körpers ist, von dem wir mit größter Wahrscheinlichkeit annehmen können, daß er in derselbigen Folge und nach denselbigen Gesetzen gebildet und entwickelt werde, wie der übrige Körper. Was die substanzielle Einheit betrifft, das immaterielle Wesen, was unser Jch ausmacht, so ist es widersinnig, inner- halb desselben sich eine Entwickelung einer Organisation vorstellen zu wollen, dergleichen bey dem Körper vor- kommt; eben so widersinnig als es seyn würde, die Aus- bildung des organisirten Gehirns mit den Verände- rungen zu verwechseln, die alsdenn in den Kräften der einfachen Bestandtheile des Gehirns vorgehen. Bey den letztern fällt, mit der körperlichen Größe und Zusam- mensetzung, auch die Jdee von körperlicher Vergrösse- rung und Ausdehnung weg, wofern wir uns nicht et- wan dieser Ausdrücke bloß metaphorisch bedienen, oder ihnen allgemeine transcendente Begriffe unterlegen, die sich sowohl auf die Entwickelung der immateriellen Kräfte als auf die Entwickelung der Körper erstrecken. Jndes- sen da die Veränderung in der Verbindung der einfa-
chen
und Entwickelung des Menſchen.
Dritter Abſchnitt. Von der Analogie der Entwickelung der Seele mit der Entwickelung des Koͤrpers.
I. Das koͤrperliche Werkzeug der Seele entwickelt ſich auf dieſelbige Art, wie der organiſirte Koͤrper. Und die Seele ſelbſt entwickelt ſich auf eine analoge Art.
Es giebt hier wiederum einen Weg uͤber den Koͤrper zu der Seele, und es wird deſto mehr hey der ge- genwaͤrtigen Betrachtung erlaubt ſeyn denſelben zu be- treten, da ein Theil unſers Seelenweſens zugleich ein Theil des organiſirten Koͤrpers iſt, von dem wir mit groͤßter Wahrſcheinlichkeit annehmen koͤnnen, daß er in derſelbigen Folge und nach denſelbigen Geſetzen gebildet und entwickelt werde, wie der uͤbrige Koͤrper. Was die ſubſtanzielle Einheit betrifft, das immaterielle Weſen, was unſer Jch ausmacht, ſo iſt es widerſinnig, inner- halb deſſelben ſich eine Entwickelung einer Organiſation vorſtellen zu wollen, dergleichen bey dem Koͤrper vor- kommt; eben ſo widerſinnig als es ſeyn wuͤrde, die Aus- bildung des organiſirten Gehirns mit den Veraͤnde- rungen zu verwechſeln, die alsdenn in den Kraͤften der einfachen Beſtandtheile des Gehirns vorgehen. Bey den letztern faͤllt, mit der koͤrperlichen Groͤße und Zuſam- menſetzung, auch die Jdee von koͤrperlicher Vergroͤſſe- rung und Ausdehnung weg, wofern wir uns nicht et- wan dieſer Ausdruͤcke bloß metaphoriſch bedienen, oder ihnen allgemeine tranſcendente Begriffe unterlegen, die ſich ſowohl auf die Entwickelung der immateriellen Kraͤfte als auf die Entwickelung der Koͤrper erſtrecken. Jndeſ- ſen da die Veraͤnderung in der Verbindung der einfa-
chen
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0569"n="539"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">und Entwickelung des Menſchen.</hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#g">Dritter Abſchnitt.</hi><lb/>
Von der Analogie der Entwickelung der Seele<lb/>
mit der Entwickelung des Koͤrpers.</head><lb/><divn="3"><head><hirendition="#aq">I.</hi><lb/>
Das koͤrperliche Werkzeug der Seele entwickelt<lb/>ſich auf dieſelbige Art, wie der organiſirte<lb/>
Koͤrper. Und die Seele ſelbſt entwickelt<lb/>ſich auf eine analoge Art.</head><lb/><p><hirendition="#in">E</hi>s giebt hier wiederum einen Weg uͤber den Koͤrper<lb/>
zu der Seele, und es wird deſto mehr hey der ge-<lb/>
genwaͤrtigen Betrachtung erlaubt ſeyn denſelben zu be-<lb/>
treten, da ein Theil unſers Seelenweſens zugleich ein<lb/>
Theil des organiſirten Koͤrpers iſt, von dem wir mit<lb/>
groͤßter Wahrſcheinlichkeit annehmen koͤnnen, daß er in<lb/>
derſelbigen Folge und nach denſelbigen Geſetzen gebildet<lb/>
und entwickelt werde, wie der uͤbrige Koͤrper. Was die<lb/>ſubſtanzielle Einheit betrifft, das immaterielle Weſen,<lb/>
was unſer Jch ausmacht, ſo iſt es widerſinnig, inner-<lb/>
halb deſſelben ſich eine Entwickelung einer Organiſation<lb/>
vorſtellen zu wollen, dergleichen bey dem Koͤrper vor-<lb/>
kommt; eben ſo widerſinnig als es ſeyn wuͤrde, die Aus-<lb/>
bildung des organiſirten Gehirns mit den Veraͤnde-<lb/>
rungen zu verwechſeln, die alsdenn in den Kraͤften der<lb/>
einfachen Beſtandtheile des Gehirns vorgehen. Bey<lb/>
den letztern faͤllt, mit der koͤrperlichen Groͤße und Zuſam-<lb/>
menſetzung, auch die Jdee von koͤrperlicher Vergroͤſſe-<lb/>
rung und Ausdehnung weg, wofern wir uns nicht et-<lb/>
wan dieſer Ausdruͤcke bloß metaphoriſch bedienen, oder<lb/>
ihnen allgemeine tranſcendente Begriffe unterlegen, die<lb/>ſich ſowohl auf die Entwickelung der immateriellen Kraͤfte<lb/>
als auf die Entwickelung der Koͤrper erſtrecken. Jndeſ-<lb/>ſen da die Veraͤnderung in der Verbindung der einfa-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">chen</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[539/0569]
und Entwickelung des Menſchen.
Dritter Abſchnitt.
Von der Analogie der Entwickelung der Seele
mit der Entwickelung des Koͤrpers.
I.
Das koͤrperliche Werkzeug der Seele entwickelt
ſich auf dieſelbige Art, wie der organiſirte
Koͤrper. Und die Seele ſelbſt entwickelt
ſich auf eine analoge Art.
Es giebt hier wiederum einen Weg uͤber den Koͤrper
zu der Seele, und es wird deſto mehr hey der ge-
genwaͤrtigen Betrachtung erlaubt ſeyn denſelben zu be-
treten, da ein Theil unſers Seelenweſens zugleich ein
Theil des organiſirten Koͤrpers iſt, von dem wir mit
groͤßter Wahrſcheinlichkeit annehmen koͤnnen, daß er in
derſelbigen Folge und nach denſelbigen Geſetzen gebildet
und entwickelt werde, wie der uͤbrige Koͤrper. Was die
ſubſtanzielle Einheit betrifft, das immaterielle Weſen,
was unſer Jch ausmacht, ſo iſt es widerſinnig, inner-
halb deſſelben ſich eine Entwickelung einer Organiſation
vorſtellen zu wollen, dergleichen bey dem Koͤrper vor-
kommt; eben ſo widerſinnig als es ſeyn wuͤrde, die Aus-
bildung des organiſirten Gehirns mit den Veraͤnde-
rungen zu verwechſeln, die alsdenn in den Kraͤften der
einfachen Beſtandtheile des Gehirns vorgehen. Bey
den letztern faͤllt, mit der koͤrperlichen Groͤße und Zuſam-
menſetzung, auch die Jdee von koͤrperlicher Vergroͤſſe-
rung und Ausdehnung weg, wofern wir uns nicht et-
wan dieſer Ausdruͤcke bloß metaphoriſch bedienen, oder
ihnen allgemeine tranſcendente Begriffe unterlegen, die
ſich ſowohl auf die Entwickelung der immateriellen Kraͤfte
als auf die Entwickelung der Koͤrper erſtrecken. Jndeſ-
ſen da die Veraͤnderung in der Verbindung der einfa-
chen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/569>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.