alten herausgehenden Fibern bestimmt sind, auf diesel- bige Art und in eine ähnliche Lage wieder zusammen- zulaufen, als diejenige war, die sie in der Grundlage hatten, aus der sie hervorgingen. Der Keim enthält das Princip der Bildung in sich, nicht aber die Bil- dung selbst. Ueberdieß ist das Bildungsprincip in ihm von der Art, daß um seine Folgen zu haben, auch eine ihm anpassende Nahrung zugeführet werden, und es selbst in einer solchen Lage seyn muß, die ihm Freyheit läßt seiner innern Wirksamkeit gemäß sich auszudehnen. Denn, ohne einen Einfluß der äußern Ursachen, ist jenes so wenig hinreichend sich auf die bestimmte Art zu ent- wickeln, als der Saame zu einer Pflanze aufkeimen kann, wenn er nicht in ein schickliches Erdreich gebracht wird. Wie überhaupt die Natur des Menschen nir- gends allein ist, und nirgends abgesondert von dem Ein- fluß äußerer Dinge, sondern nur immer in der Verbin- dung mit andern das wirkt, was sie wirkt: so verhält es sich auch mit dem innern Prircip der Bildung in dem Keim. Wenn solches für den bestimmenden Grund der Bildung angesehen wird, wie es ist, so kann es dennoch in keinem andern Sinn es seyn, als so ferne es den in- nern und den vornehmsten Grund enthält, aus dem das Wesentliche bey der Bildung begreiflich ist; nicht aber, weil es der alleinige Grund ist, der alles er- kläret.
Das innere Bildungsprincip zu der Organisation se- tzet außer Zweifel eine gewisse Organisation in sich selbst voraus. Aber wie viel anders ist es: "die bestimmte "Form oder Verbindungsart der Partikeln schon selbst "in sich haben," und: "eine solche Verbindung in sich "haben, die jene hervorbringet, wenn sie sich entwickelt?" Wo das letztere stattfindet, da können neue Formen hin- zukommen zu den ersten, welche da sind, und diesen ähnlich oder unähnlich seyn. Eine Form kann, indem
Materie
IITheil. L l
und Entwickelung des Menſchen.
alten herausgehenden Fibern beſtimmt ſind, auf dieſel- bige Art und in eine aͤhnliche Lage wieder zuſammen- zulaufen, als diejenige war, die ſie in der Grundlage hatten, aus der ſie hervorgingen. Der Keim enthaͤlt das Princip der Bildung in ſich, nicht aber die Bil- dung ſelbſt. Ueberdieß iſt das Bildungsprincip in ihm von der Art, daß um ſeine Folgen zu haben, auch eine ihm anpaſſende Nahrung zugefuͤhret werden, und es ſelbſt in einer ſolchen Lage ſeyn muß, die ihm Freyheit laͤßt ſeiner innern Wirkſamkeit gemaͤß ſich auszudehnen. Denn, ohne einen Einfluß der aͤußern Urſachen, iſt jenes ſo wenig hinreichend ſich auf die beſtimmte Art zu ent- wickeln, als der Saame zu einer Pflanze aufkeimen kann, wenn er nicht in ein ſchickliches Erdreich gebracht wird. Wie uͤberhaupt die Natur des Menſchen nir- gends allein iſt, und nirgends abgeſondert von dem Ein- fluß aͤußerer Dinge, ſondern nur immer in der Verbin- dung mit andern das wirkt, was ſie wirkt: ſo verhaͤlt es ſich auch mit dem innern Prircip der Bildung in dem Keim. Wenn ſolches fuͤr den beſtimmenden Grund der Bildung angeſehen wird, wie es iſt, ſo kann es dennoch in keinem andern Sinn es ſeyn, als ſo ferne es den in- nern und den vornehmſten Grund enthaͤlt, aus dem das Weſentliche bey der Bildung begreiflich iſt; nicht aber, weil es der alleinige Grund iſt, der alles er- klaͤret.
Das innere Bildungsprincip zu der Organiſation ſe- tzet außer Zweifel eine gewiſſe Organiſation in ſich ſelbſt voraus. Aber wie viel anders iſt es: „die beſtimmte „Form oder Verbindungsart der Partikeln ſchon ſelbſt „in ſich haben,‟ und: „eine ſolche Verbindung in ſich „haben, die jene hervorbringet, wenn ſie ſich entwickelt?‟ Wo das letztere ſtattfindet, da koͤnnen neue Formen hin- zukommen zu den erſten, welche da ſind, und dieſen aͤhnlich oder unaͤhnlich ſeyn. Eine Form kann, indem
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und Entwickelung des Menſchen.
alten herausgehenden Fibern beſtimmt ſind, auf dieſel-
bige Art und in eine aͤhnliche Lage wieder zuſammen-
zulaufen, als diejenige war, die ſie in der Grundlage
hatten, aus der ſie hervorgingen. Der Keim enthaͤlt
das Princip der Bildung in ſich, nicht aber die Bil-
dung ſelbſt. Ueberdieß iſt das Bildungsprincip in ihm
von der Art, daß um ſeine Folgen zu haben, auch eine
ihm anpaſſende Nahrung zugefuͤhret werden, und es
ſelbſt in einer ſolchen Lage ſeyn muß, die ihm Freyheit
laͤßt ſeiner innern Wirkſamkeit gemaͤß ſich auszudehnen.
Denn, ohne einen Einfluß der aͤußern Urſachen, iſt jenes
ſo wenig hinreichend ſich auf die beſtimmte Art zu ent-
wickeln, als der Saame zu einer Pflanze aufkeimen
kann, wenn er nicht in ein ſchickliches Erdreich gebracht
wird. Wie uͤberhaupt die Natur des Menſchen nir-
gends allein iſt, und nirgends abgeſondert von dem Ein-
fluß aͤußerer Dinge, ſondern nur immer in der Verbin-
dung mit andern das wirkt, was ſie wirkt: ſo verhaͤlt es
ſich auch mit dem innern Prircip der Bildung in dem
Keim. Wenn ſolches fuͤr den beſtimmenden Grund der
Bildung angeſehen wird, wie es iſt, ſo kann es dennoch
in keinem andern Sinn es ſeyn, als ſo ferne es den in-
nern und den vornehmſten Grund enthaͤlt, aus dem
das Weſentliche bey der Bildung begreiflich iſt; nicht
aber, weil es der alleinige Grund iſt, der alles er-
klaͤret.
Das innere Bildungsprincip zu der Organiſation ſe-
tzet außer Zweifel eine gewiſſe Organiſation in ſich ſelbſt
voraus. Aber wie viel anders iſt es: „die beſtimmte
„Form oder Verbindungsart der Partikeln ſchon ſelbſt
„in ſich haben,‟ und: „eine ſolche Verbindung in ſich
„haben, die jene hervorbringet, wenn ſie ſich entwickelt?‟
Wo das letztere ſtattfindet, da koͤnnen neue Formen hin-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/559>, abgerufen am 22.11.2024.
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