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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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XIV. Vers. Ueber die Perfektibilität
und sie lasse sich an diesen zwo Stellen erweitern.
Kommt nun eine fremde | Materie dazwischen; -- denn
am Ende muß doch das Hinzugekommene sich zwischen
den Partikeln setzen, die schon da sind wie vorher schon
erinnert ist, weil die einfachsten Theile undurchdring-
lich sind: so kann daraus in einem Fall weiter nichts
entstehen, als daß jene erstern drey Partikeln, oder ei-
nige von ihnen an Masse vergrößert werden, wenn sich
die fremde Materie mit ihnen zu größern Bestandthei-
len vereiniget. Jn diesem Fall wird auch die Zahl der
Fugen nicht vermehret; es sind nur noch zwo vorhan-
den, wie vorher, obgleich die einzelnen Theile vergrößert
worden sind. Also ist auch die Zahl der Formen noch
dieselbige. Eben so kann sich, nach Hr. Bonnets Aus-
drücken, fremde Materie in die Maschen oder Fugen
setzen, solche anfüllen, ihre Seiten ausdehnen und das
Ganze vergrößern, ohne die Zahl der Fugen zu vermeh-
ren. Die hineingetretene Materie mag als eine Masse
angesehen werden, die von den Fibern der Masche, wel-
che jene umfasset, unterschieden ist. Allein da sie doch
mit diesen Fibern, eben so wie unter sich, nur nach den
Gesetzen der Kohäsion, des Anziehens, der Elastici-
tät und andern, denen die Atome der Materie als Ma-
terie unterworfen sind, verbunden wird; nicht aber auf
eine solche Art, wie die Fibern der Masche es unter sich
sind: so bringet jene Materie keine neue Fuge oder
Form, sondern nur eine Vergrößerung der vorhandenen
Masche, hervor. Denn die Verbindungsart ihrer Par-
tikeln unter sich und mit den Fibern der Masche ist so,
daß durch diese neue Zusammensetzung keine neue Be-
wegung möglich wird, die von der Art und Weise der
Verbindung abhängt.

Allein es giebt einen zweeten Fall. Nehmen wir
wiederum die einfachste Fiber zum Beyspiel, die zwi-
schen ihren Bestandtheilen a, b, c, zwo Fugen haben

mag,

XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
und ſie laſſe ſich an dieſen zwo Stellen erweitern.
Kommt nun eine fremde | Materie dazwiſchen; — denn
am Ende muß doch das Hinzugekommene ſich zwiſchen
den Partikeln ſetzen, die ſchon da ſind wie vorher ſchon
erinnert iſt, weil die einfachſten Theile undurchdring-
lich ſind: ſo kann daraus in einem Fall weiter nichts
entſtehen, als daß jene erſtern drey Partikeln, oder ei-
nige von ihnen an Maſſe vergroͤßert werden, wenn ſich
die fremde Materie mit ihnen zu groͤßern Beſtandthei-
len vereiniget. Jn dieſem Fall wird auch die Zahl der
Fugen nicht vermehret; es ſind nur noch zwo vorhan-
den, wie vorher, obgleich die einzelnen Theile vergroͤßert
worden ſind. Alſo iſt auch die Zahl der Formen noch
dieſelbige. Eben ſo kann ſich, nach Hr. Bonnets Aus-
druͤcken, fremde Materie in die Maſchen oder Fugen
ſetzen, ſolche anfuͤllen, ihre Seiten ausdehnen und das
Ganze vergroͤßern, ohne die Zahl der Fugen zu vermeh-
ren. Die hineingetretene Materie mag als eine Maſſe
angeſehen werden, die von den Fibern der Maſche, wel-
che jene umfaſſet, unterſchieden iſt. Allein da ſie doch
mit dieſen Fibern, eben ſo wie unter ſich, nur nach den
Geſetzen der Kohaͤſion, des Anziehens, der Elaſtici-
taͤt und andern, denen die Atome der Materie als Ma-
terie unterworfen ſind, verbunden wird; nicht aber auf
eine ſolche Art, wie die Fibern der Maſche es unter ſich
ſind: ſo bringet jene Materie keine neue Fuge oder
Form, ſondern nur eine Vergroͤßerung der vorhandenen
Maſche, hervor. Denn die Verbindungsart ihrer Par-
tikeln unter ſich und mit den Fibern der Maſche iſt ſo,
daß durch dieſe neue Zuſammenſetzung keine neue Be-
wegung moͤglich wird, die von der Art und Weiſe der
Verbindung abhaͤngt.

Allein es giebt einen zweeten Fall. Nehmen wir
wiederum die einfachſte Fiber zum Beyſpiel, die zwi-
ſchen ihren Beſtandtheilen a, b, c, zwo Fugen haben

mag,
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[482/0512] XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt und ſie laſſe ſich an dieſen zwo Stellen erweitern. Kommt nun eine fremde | Materie dazwiſchen; — denn am Ende muß doch das Hinzugekommene ſich zwiſchen den Partikeln ſetzen, die ſchon da ſind wie vorher ſchon erinnert iſt, weil die einfachſten Theile undurchdring- lich ſind: ſo kann daraus in einem Fall weiter nichts entſtehen, als daß jene erſtern drey Partikeln, oder ei- nige von ihnen an Maſſe vergroͤßert werden, wenn ſich die fremde Materie mit ihnen zu groͤßern Beſtandthei- len vereiniget. Jn dieſem Fall wird auch die Zahl der Fugen nicht vermehret; es ſind nur noch zwo vorhan- den, wie vorher, obgleich die einzelnen Theile vergroͤßert worden ſind. Alſo iſt auch die Zahl der Formen noch dieſelbige. Eben ſo kann ſich, nach Hr. Bonnets Aus- druͤcken, fremde Materie in die Maſchen oder Fugen ſetzen, ſolche anfuͤllen, ihre Seiten ausdehnen und das Ganze vergroͤßern, ohne die Zahl der Fugen zu vermeh- ren. Die hineingetretene Materie mag als eine Maſſe angeſehen werden, die von den Fibern der Maſche, wel- che jene umfaſſet, unterſchieden iſt. Allein da ſie doch mit dieſen Fibern, eben ſo wie unter ſich, nur nach den Geſetzen der Kohaͤſion, des Anziehens, der Elaſtici- taͤt und andern, denen die Atome der Materie als Ma- terie unterworfen ſind, verbunden wird; nicht aber auf eine ſolche Art, wie die Fibern der Maſche es unter ſich ſind: ſo bringet jene Materie keine neue Fuge oder Form, ſondern nur eine Vergroͤßerung der vorhandenen Maſche, hervor. Denn die Verbindungsart ihrer Par- tikeln unter ſich und mit den Fibern der Maſche iſt ſo, daß durch dieſe neue Zuſammenſetzung keine neue Be- wegung moͤglich wird, die von der Art und Weiſe der Verbindung abhaͤngt. Allein es giebt einen zweeten Fall. Nehmen wir wiederum die einfachſte Fiber zum Beyſpiel, die zwi- ſchen ihren Beſtandtheilen a, b, c, zwo Fugen haben mag,

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/512>, abgerufen am 22.11.2024.