der Saft hervordringet, mit einem Wort, zu einer La- ge der Theile in dem Keim, das ist, zu einer gewissen Vorherbildung im Keim zurückgehen, um den bestim- menden Grund dieser verschiedenen Richtungen aufzufin- den. Zu dem erstern so zufälligen Umstande wird Hr. Wolf seine Zuflucht nicht nehmen, um eine so bestän- dige Beschaffenheit, als die Figur der Pflanzen und ih- rer Blätter ist, daraus zu erklären. Wenn das aber nicht angeht, so werden wir wiederum zu einer innern Vorherbildung, der Organisation des Keims geführet, die eben so nothwendig und so wesentlich zu dem ersten bestimmenden Princip der Bildung gerechnet werden muß, als die wesentliche Kraft und die Gerinnbarkeit der Säfte.
Jch will nichts von dem Ausspruch der Beobach- tungen sagen. Denn es kommt darauf an, was man daraus schließet, da sie über diese, nur durch Vernunft zu erforschende Sache unmittelbar nicht zeugen können. So viel ist indessen außer Zweifel, daß sie alle auf das Resultat hinführen, es müsse die Beschaffenheit und die Menge der Säfte die ein organisirter Körper zu seinem Wachsen gebraucht, mehr von seiner Struktur und von den ihm beywohnenden Kräften abhangen, und durch diese zu einer dienlichen Nahrung zubereitet werden, als daß umgekehrt die Struktur des Körpers von der angemessenen Nahrung abhangen sollte. Verschiedene Pflanzen ziehen verschiedene Säfte aus einerley Boden und aus einerley Wasser. Jch sage damit nicht, daß nicht auch die Beschaffenheit der Säfte die Figur modi- ficire. Dieß geschieht wirklich, und man kann zugeben, daß, da die erste Nahrung des Keims schon völlig zube- reitet in dem Kern des Saamens vorhanden ist, auch vielleicht die Organisation des Keims, welche in dem er- sten Anfange der Vegetation vorhanden ist, noch nicht so stark befestiget sey, daß ein roher Saft durch sie die
gehöri-
und Entwickelung des Menſchen.
der Saft hervordringet, mit einem Wort, zu einer La- ge der Theile in dem Keim, das iſt, zu einer gewiſſen Vorherbildung im Keim zuruͤckgehen, um den beſtim- menden Grund dieſer verſchiedenen Richtungen aufzufin- den. Zu dem erſtern ſo zufaͤlligen Umſtande wird Hr. Wolf ſeine Zuflucht nicht nehmen, um eine ſo beſtaͤn- dige Beſchaffenheit, als die Figur der Pflanzen und ih- rer Blaͤtter iſt, daraus zu erklaͤren. Wenn das aber nicht angeht, ſo werden wir wiederum zu einer innern Vorherbildung, der Organiſation des Keims gefuͤhret, die eben ſo nothwendig und ſo weſentlich zu dem erſten beſtimmenden Princip der Bildung gerechnet werden muß, als die weſentliche Kraft und die Gerinnbarkeit der Saͤfte.
Jch will nichts von dem Ausſpruch der Beobach- tungen ſagen. Denn es kommt darauf an, was man daraus ſchließet, da ſie uͤber dieſe, nur durch Vernunft zu erforſchende Sache unmittelbar nicht zeugen koͤnnen. So viel iſt indeſſen außer Zweifel, daß ſie alle auf das Reſultat hinfuͤhren, es muͤſſe die Beſchaffenheit und die Menge der Saͤfte die ein organiſirter Koͤrper zu ſeinem Wachſen gebraucht, mehr von ſeiner Struktur und von den ihm beywohnenden Kraͤften abhangen, und durch dieſe zu einer dienlichen Nahrung zubereitet werden, als daß umgekehrt die Struktur des Koͤrpers von der angemeſſenen Nahrung abhangen ſollte. Verſchiedene Pflanzen ziehen verſchiedene Saͤfte aus einerley Boden und aus einerley Waſſer. Jch ſage damit nicht, daß nicht auch die Beſchaffenheit der Saͤfte die Figur modi- ficire. Dieß geſchieht wirklich, und man kann zugeben, daß, da die erſte Nahrung des Keims ſchon voͤllig zube- reitet in dem Kern des Saamens vorhanden iſt, auch vielleicht die Organiſation des Keims, welche in dem er- ſten Anfange der Vegetation vorhanden iſt, noch nicht ſo ſtark befeſtiget ſey, daß ein roher Saft durch ſie die
gehoͤri-
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und Entwickelung des Menſchen.
der Saft hervordringet, mit einem Wort, zu einer La-
ge der Theile in dem Keim, das iſt, zu einer gewiſſen
Vorherbildung im Keim zuruͤckgehen, um den beſtim-
menden Grund dieſer verſchiedenen Richtungen aufzufin-
den. Zu dem erſtern ſo zufaͤlligen Umſtande wird Hr.
Wolf ſeine Zuflucht nicht nehmen, um eine ſo beſtaͤn-
dige Beſchaffenheit, als die Figur der Pflanzen und ih-
rer Blaͤtter iſt, daraus zu erklaͤren. Wenn das aber
nicht angeht, ſo werden wir wiederum zu einer innern
Vorherbildung, der Organiſation des Keims gefuͤhret,
die eben ſo nothwendig und ſo weſentlich zu dem erſten
beſtimmenden Princip der Bildung gerechnet werden
muß, als die weſentliche Kraft und die Gerinnbarkeit
der Saͤfte.
Jch will nichts von dem Ausſpruch der Beobach-
tungen ſagen. Denn es kommt darauf an, was man
daraus ſchließet, da ſie uͤber dieſe, nur durch Vernunft
zu erforſchende Sache unmittelbar nicht zeugen koͤnnen.
So viel iſt indeſſen außer Zweifel, daß ſie alle auf das
Reſultat hinfuͤhren, es muͤſſe die Beſchaffenheit und die
Menge der Saͤfte die ein organiſirter Koͤrper zu ſeinem
Wachſen gebraucht, mehr von ſeiner Struktur und
von den ihm beywohnenden Kraͤften abhangen, und durch
dieſe zu einer dienlichen Nahrung zubereitet werden,
als daß umgekehrt die Struktur des Koͤrpers von der
angemeſſenen Nahrung abhangen ſollte. Verſchiedene
Pflanzen ziehen verſchiedene Saͤfte aus einerley Boden
und aus einerley Waſſer. Jch ſage damit nicht, daß
nicht auch die Beſchaffenheit der Saͤfte die Figur modi-
ficire. Dieß geſchieht wirklich, und man kann zugeben,
daß, da die erſte Nahrung des Keims ſchon voͤllig zube-
reitet in dem Kern des Saamens vorhanden iſt, auch
vielleicht die Organiſation des Keims, welche in dem er-
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ſo ſtark befeſtiget ſey, daß ein roher Saft durch ſie die
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/493>, abgerufen am 22.11.2024.
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