lich, die sich nicht geradezu auf eine bildende Naturkraft berufen, von der sie weiter nichts wissen, als daß sie bilde, ohne auch nur das Gering- ste von der Art dieser Bildung daraus erklären zu können.
Der erste von diesen Grundsätzen ist das Axiom des Verstandes, "daß ohne Grund und Ursache Nichts "entstehet." Denn wenn dieses Princip auf die organi- schen Körper angewendet wird, so heißt es so viel: "der Saame, der befeuchtete Keim und die Nahrung, die "ihm nach und nach zugeführt, an den bestimmten Ort "und auf die bestimmte Weise zugesührt und mit ihm "vereiniget wird; oder, wenn wirs unter diese zwey Stü- "cke bringen, der Keim nach seinen innerlichen und "äußerlichen Beschaffenheiten, und das, was zu ihm "hinzukommt, enthält zusammen den völlig hinrei- "chenden Grund von der Entwickelung, und be- "stimmt die innere Form, Größe und Bildung des "Körpers, der erzeuget wird."
2.
Die ganze Geschichte der Entwickelung eines or- ganisirten Wesens kann in drey Perioden getheilt werden. Die erste geht bis auf die Keimung, den Anfang der Entwickelung des befruchteten Saamens. Wie wird der Keim gebildet, und wie wird er be- fruchtet? Die zwote faßt die Erzeugung und Bildung in sich, in welcher die Form des Dinges nach seinen unveränderlichen Theilen festgesetzet und kennbar festgesetzet wird, so daß es die verlangte Ge- stalt in der ganzen Folge seines Daseyns beybehält; so weit wenigstens, daß die weitere Entwickelung nur eine Vergrößerung ist. Dieß ist bey dem Men- schen und dem Huhn die embryonische Periode, bis zur Geburt. Auf diese folget die dritte Periode des
Aus-
F f 3
und Entwickelung des Menſchen.
lich, die ſich nicht geradezu auf eine bildende Naturkraft berufen, von der ſie weiter nichts wiſſen, als daß ſie bilde, ohne auch nur das Gering- ſte von der Art dieſer Bildung daraus erklaͤren zu koͤnnen.
Der erſte von dieſen Grundſaͤtzen iſt das Axiom des Verſtandes, „daß ohne Grund und Urſache Nichts „entſtehet.‟ Denn wenn dieſes Princip auf die organi- ſchen Koͤrper angewendet wird, ſo heißt es ſo viel: „der Saame, der befeuchtete Keim und die Nahrung, die „ihm nach und nach zugefuͤhrt, an den beſtimmten Ort „und auf die beſtimmte Weiſe zugeſuͤhrt und mit ihm „vereiniget wird; oder, wenn wirs unter dieſe zwey Stuͤ- „cke bringen, der Keim nach ſeinen innerlichen und „aͤußerlichen Beſchaffenheiten, und das, was zu ihm „hinzukommt, enthaͤlt zuſammen den voͤllig hinrei- „chenden Grund von der Entwickelung, und be- „ſtimmt die innere Form, Groͤße und Bildung des „Koͤrpers, der erzeuget wird.‟
2.
Die ganze Geſchichte der Entwickelung eines or- ganiſirten Weſens kann in drey Perioden getheilt werden. Die erſte geht bis auf die Keimung, den Anfang der Entwickelung des befruchteten Saamens. Wie wird der Keim gebildet, und wie wird er be- fruchtet? Die zwote faßt die Erzeugung und Bildung in ſich, in welcher die Form des Dinges nach ſeinen unveraͤnderlichen Theilen feſtgeſetzet und kennbar feſtgeſetzet wird, ſo daß es die verlangte Ge- ſtalt in der ganzen Folge ſeines Daſeyns beybehaͤlt; ſo weit wenigſtens, daß die weitere Entwickelung nur eine Vergroͤßerung iſt. Dieß iſt bey dem Men- ſchen und dem Huhn die embryoniſche Periode, bis zur Geburt. Auf dieſe folget die dritte Periode des
Aus-
F f 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0483"n="453"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">und Entwickelung des Menſchen.</hi></fw><lb/>
lich, die ſich nicht geradezu auf eine <hirendition="#fr">bildende<lb/>
Naturkraft</hi> berufen, von der ſie weiter nichts<lb/>
wiſſen, als daß ſie bilde, ohne auch nur das Gering-<lb/>ſte von der Art dieſer Bildung daraus erklaͤren zu<lb/>
koͤnnen.</p><lb/><p>Der erſte von dieſen Grundſaͤtzen iſt das Axiom<lb/>
des Verſtandes, „daß ohne Grund und Urſache Nichts<lb/>„entſtehet.‟ Denn wenn dieſes Princip auf die organi-<lb/>ſchen Koͤrper angewendet wird, ſo heißt es ſo viel:<lb/>„der Saame, der befeuchtete Keim und die Nahrung, die<lb/>„ihm nach und nach zugefuͤhrt, an den beſtimmten Ort<lb/>„und auf die beſtimmte Weiſe zugeſuͤhrt und mit ihm<lb/>„vereiniget wird; oder, wenn wirs unter dieſe zwey Stuͤ-<lb/>„cke bringen, der Keim nach ſeinen innerlichen und<lb/>„aͤußerlichen Beſchaffenheiten, und das, was zu ihm<lb/>„hinzukommt, enthaͤlt zuſammen den <hirendition="#fr">voͤllig hinrei-<lb/>„chenden Grund</hi> von der Entwickelung, und be-<lb/>„ſtimmt die innere Form, Groͤße und Bildung des<lb/>„Koͤrpers, der erzeuget wird.‟</p></div><lb/><divn="4"><head>2.</head><lb/><p>Die ganze Geſchichte der Entwickelung eines or-<lb/>
ganiſirten Weſens kann in <hirendition="#fr">drey Perioden</hi> getheilt<lb/>
werden. Die erſte geht bis auf die <hirendition="#fr">Keimung,</hi> den<lb/>
Anfang der Entwickelung des befruchteten Saamens.<lb/>
Wie wird der Keim gebildet, und wie wird er be-<lb/>
fruchtet? Die <hirendition="#fr">zwote</hi> faßt die <hirendition="#fr">Erzeugung</hi> und<lb/><hirendition="#fr">Bildung</hi> in ſich, in welcher die Form des Dinges<lb/>
nach ſeinen unveraͤnderlichen Theilen feſtgeſetzet und<lb/>
kennbar feſtgeſetzet wird, ſo daß es die verlangte Ge-<lb/>ſtalt in der ganzen Folge ſeines Daſeyns beybehaͤlt;<lb/>ſo weit wenigſtens, daß die weitere Entwickelung<lb/>
nur eine Vergroͤßerung iſt. Dieß iſt bey dem Men-<lb/>ſchen und dem Huhn die embryoniſche Periode, bis<lb/>
zur Geburt. Auf dieſe folget die <hirendition="#fr">dritte Periode des</hi><lb/><fwplace="bottom"type="sig">F f 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">Aus-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[453/0483]
und Entwickelung des Menſchen.
lich, die ſich nicht geradezu auf eine bildende
Naturkraft berufen, von der ſie weiter nichts
wiſſen, als daß ſie bilde, ohne auch nur das Gering-
ſte von der Art dieſer Bildung daraus erklaͤren zu
koͤnnen.
Der erſte von dieſen Grundſaͤtzen iſt das Axiom
des Verſtandes, „daß ohne Grund und Urſache Nichts
„entſtehet.‟ Denn wenn dieſes Princip auf die organi-
ſchen Koͤrper angewendet wird, ſo heißt es ſo viel:
„der Saame, der befeuchtete Keim und die Nahrung, die
„ihm nach und nach zugefuͤhrt, an den beſtimmten Ort
„und auf die beſtimmte Weiſe zugeſuͤhrt und mit ihm
„vereiniget wird; oder, wenn wirs unter dieſe zwey Stuͤ-
„cke bringen, der Keim nach ſeinen innerlichen und
„aͤußerlichen Beſchaffenheiten, und das, was zu ihm
„hinzukommt, enthaͤlt zuſammen den voͤllig hinrei-
„chenden Grund von der Entwickelung, und be-
„ſtimmt die innere Form, Groͤße und Bildung des
„Koͤrpers, der erzeuget wird.‟
2.
Die ganze Geſchichte der Entwickelung eines or-
ganiſirten Weſens kann in drey Perioden getheilt
werden. Die erſte geht bis auf die Keimung, den
Anfang der Entwickelung des befruchteten Saamens.
Wie wird der Keim gebildet, und wie wird er be-
fruchtet? Die zwote faßt die Erzeugung und
Bildung in ſich, in welcher die Form des Dinges
nach ſeinen unveraͤnderlichen Theilen feſtgeſetzet und
kennbar feſtgeſetzet wird, ſo daß es die verlangte Ge-
ſtalt in der ganzen Folge ſeines Daſeyns beybehaͤlt;
ſo weit wenigſtens, daß die weitere Entwickelung
nur eine Vergroͤßerung iſt. Dieß iſt bey dem Men-
ſchen und dem Huhn die embryoniſche Periode, bis
zur Geburt. Auf dieſe folget die dritte Periode des
Aus-
F f 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/483>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.