mehrerer Stärke die übrigen Unterhaltungen, die der Mensch schon entdecket hat; und eine mehrmalige Wiederholung ihres Genusses stärkt die Geschicklich- keit sie zu genießen, und vergrößert die Begierde auf sie.
Der Uebergang zu den innern Gefühlen unserer selbst, zu den Gefühlen, die aus den Verhältnissen unsrer Veränderungen auf den gegenwärtigen Zustand unserer Kräfte entspringen, geschieht nach dem nämli- chen Gesetze auf dieselbige Weise. Aber ein großer Theil von den letztern kommt nur spät hervor, weil schon ein höherer Grad der innern Selbstthätigkeit da- zu gehöret, mit sich selbst sich zu beschäfftigen. Die Gefühle des Wahren, des Schönen, des Guten, zeigen sich daher nur dann erst, wenn die Beziehun- gen der Eindrücke, die von den Gegenständen und Handlungen abhangen, in uns lebhaft gefühlt werden. Dieß sind feinere Gefühle, wozu die Seele ohne vor- hergegangene Bearbeitung ihres Jnnern wenig Em- pfänglichkeit hat. Jndessen trägt doch jedwede vorige Ent- wickelung des Gefühls etwas dazu bey, auch diese zu ha- ben, indem sie die Grundkraft aufgelegt macht, unter vor- theilhaften Umständen in neuen Wirkungsarten hervor- zubrechen, wozu sie ihrdie Disposition entweder beybringt, oder solche so weit erhöhet, daß sie nun als nähere An- lage sich zeigen kann. Aber das Vergnügen, wie der Verdruß, das unsern innern Empfindungen beywoh- net, kommt aus ihnen selbst, und lieget in ihnen, und wird in ihnen selbst zubereitet, wenn gleich die äußere Empfindung solches vermittelst der Jdeenassociation vergrößert, und oft genug auch die Veranlassung ist, wodurch man auf jene aufmerksam wird. *)
Nach den eigennützigen Empfindungen zeigen sich die |geselligen und wohlthätigen, die aus Mitge-
fühl
*) Erster Band, zweyter Versuch. VI. 4.
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und Entwickelung des Menſchen.
mehrerer Staͤrke die uͤbrigen Unterhaltungen, die der Menſch ſchon entdecket hat; und eine mehrmalige Wiederholung ihres Genuſſes ſtaͤrkt die Geſchicklich- keit ſie zu genießen, und vergroͤßert die Begierde auf ſie.
Der Uebergang zu den innern Gefuͤhlen unſerer ſelbſt, zu den Gefuͤhlen, die aus den Verhaͤltniſſen unſrer Veraͤnderungen auf den gegenwaͤrtigen Zuſtand unſerer Kraͤfte entſpringen, geſchieht nach dem naͤmli- chen Geſetze auf dieſelbige Weiſe. Aber ein großer Theil von den letztern kommt nur ſpaͤt hervor, weil ſchon ein hoͤherer Grad der innern Selbſtthaͤtigkeit da- zu gehoͤret, mit ſich ſelbſt ſich zu beſchaͤfftigen. Die Gefuͤhle des Wahren, des Schoͤnen, des Guten, zeigen ſich daher nur dann erſt, wenn die Beziehun- gen der Eindruͤcke, die von den Gegenſtaͤnden und Handlungen abhangen, in uns lebhaft gefuͤhlt werden. Dieß ſind feinere Gefuͤhle, wozu die Seele ohne vor- hergegangene Bearbeitung ihres Jnnern wenig Em- pfaͤnglichkeit hat. Jndeſſen traͤgt doch jedwede vorige Ent- wickelung des Gefuͤhls etwas dazu bey, auch dieſe zu ha- ben, indem ſie die Grundkraft aufgelegt macht, unter vor- theilhaften Umſtaͤnden in neuen Wirkungsarten hervor- zubrechen, wozu ſie ihrdie Diſpoſition entweder beybringt, oder ſolche ſo weit erhoͤhet, daß ſie nun als naͤhere An- lage ſich zeigen kann. Aber das Vergnuͤgen, wie der Verdruß, das unſern innern Empfindungen beywoh- net, kommt aus ihnen ſelbſt, und lieget in ihnen, und wird in ihnen ſelbſt zubereitet, wenn gleich die aͤußere Empfindung ſolches vermittelſt der Jdeenaſſociation vergroͤßert, und oft genug auch die Veranlaſſung iſt, wodurch man auf jene aufmerkſam wird. *)
Nach den eigennuͤtzigen Empfindungen zeigen ſich die |geſelligen und wohlthaͤtigen, die aus Mitge-
fuͤhl
*) Erſter Band, zweyter Verſuch. VI. 4.
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und Entwickelung des Menſchen.
mehrerer Staͤrke die uͤbrigen Unterhaltungen, die der
Menſch ſchon entdecket hat; und eine mehrmalige
Wiederholung ihres Genuſſes ſtaͤrkt die Geſchicklich-
keit ſie zu genießen, und vergroͤßert die Begierde
auf ſie.
Der Uebergang zu den innern Gefuͤhlen unſerer
ſelbſt, zu den Gefuͤhlen, die aus den Verhaͤltniſſen
unſrer Veraͤnderungen auf den gegenwaͤrtigen Zuſtand
unſerer Kraͤfte entſpringen, geſchieht nach dem naͤmli-
chen Geſetze auf dieſelbige Weiſe. Aber ein großer
Theil von den letztern kommt nur ſpaͤt hervor, weil
ſchon ein hoͤherer Grad der innern Selbſtthaͤtigkeit da-
zu gehoͤret, mit ſich ſelbſt ſich zu beſchaͤfftigen. Die
Gefuͤhle des Wahren, des Schoͤnen, des Guten,
zeigen ſich daher nur dann erſt, wenn die Beziehun-
gen der Eindruͤcke, die von den Gegenſtaͤnden und
Handlungen abhangen, in uns lebhaft gefuͤhlt werden.
Dieß ſind feinere Gefuͤhle, wozu die Seele ohne vor-
hergegangene Bearbeitung ihres Jnnern wenig Em-
pfaͤnglichkeit hat. Jndeſſen traͤgt doch jedwede vorige Ent-
wickelung des Gefuͤhls etwas dazu bey, auch dieſe zu ha-
ben, indem ſie die Grundkraft aufgelegt macht, unter vor-
theilhaften Umſtaͤnden in neuen Wirkungsarten hervor-
zubrechen, wozu ſie ihrdie Diſpoſition entweder beybringt,
oder ſolche ſo weit erhoͤhet, daß ſie nun als naͤhere An-
lage ſich zeigen kann. Aber das Vergnuͤgen, wie der
Verdruß, das unſern innern Empfindungen beywoh-
net, kommt aus ihnen ſelbſt, und lieget in ihnen, und
wird in ihnen ſelbſt zubereitet, wenn gleich die aͤußere
Empfindung ſolches vermittelſt der Jdeenaſſociation
vergroͤßert, und oft genug auch die Veranlaſſung iſt,
wodurch man auf jene aufmerkſam wird. *)
Nach den eigennuͤtzigen Empfindungen zeigen
ſich die |geſelligen und wohlthaͤtigen, die aus Mitge-
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*) Erſter Band, zweyter Verſuch. VI. 4.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/455>, abgerufen am 22.11.2024.
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