Zuweilen entstehen diese schon, wenn nur der Gedanke von der Handlung in uns aufsteiget.
Dieser unüberwindliche Widerwille hat noch dazu die Folge, daß wir die Vorstellungen in uns zu- rückhalten und zu unterdrücken suchen, deren Erweckung uns zur Thätigkeit reizen möchte. Wir wickeln solche ein, so viel wir können, indem wir die Aufmerksamkeit davon abziehen, und dagegen auf andere richten, die uns jene aus dem Sinne bringen.
Wenn der zum Theil oder gänzlich unüberwind- liche Widerwille als das Wesentliche in dem Un- vermögen angenommen wird, was aus der zu starken Anstrengung der Kräfte entspringet, so ferne solches in der Seele selbst ist: so ist auch zu begreifen, wie ein sol- ches Unvermögen und eine solche Schwäche von dem Unvermögen einer noch ungeübten und unent- wickelten Kraft unterschieden sey, welchen Unterschied das Gefühl uns lehret; ingleichen wie jene von der Ab- nahme der Kräfte verschieden ist, die das Alter hervor- bringet. Wo die Kraft ungeübt und ungestärkt ist, da fehlet auch die anschauliche Vorstellung von der Aktion; aber da nicht, wo die Ermüdung auf die Arbeit folget. Wenn auch eine Fertigkeit darum, weil sie lange ohne Uebung geblieben ist, etwas geschwächt worden ist: so finden wir gleichfalls, daß auch die Jdee von der Aktion an ihrer Völligkeit und Stärke verloren hat. Aber so verhält sichs nicht, wenn ein unüberwindlicher Wider- wille sie in der Seele zurückhält. Jn diesem Fall ist die Vorstellung von der Aktion vorhanden, nur kann sie nicht hervorgehen, weil wir selbst dagegen streben, so bald sie durch irgend eine andere Association von Jdeen sich zu regen anfängt.
Jst nicht also eben dieses, nämlich unüberwind- licher Widerwille, das, was die Schwächung der Kraft aus zu starker Anstrengung in der
Seele
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und Entwickelung des Menſchen.
Zuweilen entſtehen dieſe ſchon, wenn nur der Gedanke von der Handlung in uns aufſteiget.
Dieſer unuͤberwindliche Widerwille hat noch dazu die Folge, daß wir die Vorſtellungen in uns zu- ruͤckhalten und zu unterdruͤcken ſuchen, deren Erweckung uns zur Thaͤtigkeit reizen moͤchte. Wir wickeln ſolche ein, ſo viel wir koͤnnen, indem wir die Aufmerkſamkeit davon abziehen, und dagegen auf andere richten, die uns jene aus dem Sinne bringen.
Wenn der zum Theil oder gaͤnzlich unuͤberwind- liche Widerwille als das Weſentliche in dem Un- vermoͤgen angenommen wird, was aus der zu ſtarken Anſtrengung der Kraͤfte entſpringet, ſo ferne ſolches in der Seele ſelbſt iſt: ſo iſt auch zu begreifen, wie ein ſol- ches Unvermoͤgen und eine ſolche Schwaͤche von dem Unvermoͤgen einer noch ungeuͤbten und unent- wickelten Kraft unterſchieden ſey, welchen Unterſchied das Gefuͤhl uns lehret; ingleichen wie jene von der Ab- nahme der Kraͤfte verſchieden iſt, die das Alter hervor- bringet. Wo die Kraft ungeuͤbt und ungeſtaͤrkt iſt, da fehlet auch die anſchauliche Vorſtellung von der Aktion; aber da nicht, wo die Ermuͤdung auf die Arbeit folget. Wenn auch eine Fertigkeit darum, weil ſie lange ohne Uebung geblieben iſt, etwas geſchwaͤcht worden iſt: ſo finden wir gleichfalls, daß auch die Jdee von der Aktion an ihrer Voͤlligkeit und Staͤrke verloren hat. Aber ſo verhaͤlt ſichs nicht, wenn ein unuͤberwindlicher Wider- wille ſie in der Seele zuruͤckhaͤlt. Jn dieſem Fall iſt die Vorſtellung von der Aktion vorhanden, nur kann ſie nicht hervorgehen, weil wir ſelbſt dagegen ſtreben, ſo bald ſie durch irgend eine andere Aſſociation von Jdeen ſich zu regen anfaͤngt.
Jſt nicht alſo eben dieſes, naͤmlich unuͤberwind- licher Widerwille, das, was die Schwaͤchung der Kraft aus zu ſtarker Anſtrengung in der
Seele
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und Entwickelung des Menſchen.
Zuweilen entſtehen dieſe ſchon, wenn nur der Gedanke
von der Handlung in uns aufſteiget.
Dieſer unuͤberwindliche Widerwille hat noch
dazu die Folge, daß wir die Vorſtellungen in uns zu-
ruͤckhalten und zu unterdruͤcken ſuchen, deren Erweckung
uns zur Thaͤtigkeit reizen moͤchte. Wir wickeln ſolche
ein, ſo viel wir koͤnnen, indem wir die Aufmerkſamkeit
davon abziehen, und dagegen auf andere richten, die uns
jene aus dem Sinne bringen.
Wenn der zum Theil oder gaͤnzlich unuͤberwind-
liche Widerwille als das Weſentliche in dem Un-
vermoͤgen angenommen wird, was aus der zu ſtarken
Anſtrengung der Kraͤfte entſpringet, ſo ferne ſolches in
der Seele ſelbſt iſt: ſo iſt auch zu begreifen, wie ein ſol-
ches Unvermoͤgen und eine ſolche Schwaͤche von dem
Unvermoͤgen einer noch ungeuͤbten und unent-
wickelten Kraft unterſchieden ſey, welchen Unterſchied
das Gefuͤhl uns lehret; ingleichen wie jene von der Ab-
nahme der Kraͤfte verſchieden iſt, die das Alter hervor-
bringet. Wo die Kraft ungeuͤbt und ungeſtaͤrkt iſt, da
fehlet auch die anſchauliche Vorſtellung von der Aktion;
aber da nicht, wo die Ermuͤdung auf die Arbeit folget.
Wenn auch eine Fertigkeit darum, weil ſie lange ohne
Uebung geblieben iſt, etwas geſchwaͤcht worden iſt: ſo
finden wir gleichfalls, daß auch die Jdee von der Aktion
an ihrer Voͤlligkeit und Staͤrke verloren hat. Aber ſo
verhaͤlt ſichs nicht, wenn ein unuͤberwindlicher Wider-
wille ſie in der Seele zuruͤckhaͤlt. Jn dieſem Fall iſt
die Vorſtellung von der Aktion vorhanden, nur kann ſie
nicht hervorgehen, weil wir ſelbſt dagegen ſtreben, ſo
bald ſie durch irgend eine andere Aſſociation von Jdeen
ſich zu regen anfaͤngt.
Jſt nicht alſo eben dieſes, naͤmlich unuͤberwind-
licher Widerwille, das, was die Schwaͤchung
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/439>, abgerufen am 22.11.2024.
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