1) "Jede Uebung einer Verstandesfähigkeit, bey ir- "gend einer Art von Objekten, verschafft uns Jdeen- "reihen von diesen Gegenständen und von ihren "Beziehungen auf einander, und eine Leichtigkeit diese "Jdeen zu erwecken." Wir werden mit den Sachen bekannt; ihre Verknüpfungen werden uns geläufig; oh- ne Anstrengung haben wir sie in ihren Folgen und Ver- bindungen vor uns, und übersehen ihre vorher unbe- kannten Verhältnisse gegen einander. Diese Jdeenrei- hen sind der erste Antheil, den die Einbildungskraft und das Gedächtniß an den Fertigkeiten hat, der sich aber auch nothwendig wiederum verlieret, sobald wir die Sachen vergessen haben.
2) Es hinterläßt eine jede Anwendung unserer Kraft auch eine Vorstellung von der Aktion selbst. Soviel ist reine Erfahrung. Diese Vorstellung ist von den Jdeen, welche wir von den Objekten haben, ver- schieden; und in so weit ist es außer Zweifel, daß et- was mehr in uns bewirkt werde, als die Leichtigkeit Jdeen von den Objekten zu erneuern. Die Vorstellung von der Aktion ist aber, wie vorher erinnert worden, eine schwache Anwandelung von der Aktion selbst. Sie ist eine Leichtigkeit in dem Vermögen, die ehemalige Aktion wieder in dem Jnnern anzufangen. Wenn die- se größer wird, so geht sie über in eine Leichtigkeit die Vorstellung in Empfindung zu verwandeln; wie überhaupt in Hinsicht der innern Veränderungen der Seele, die Vorstellungen von ihnen als abwesenden Ge- genständen von der wiederholten Empfindung derselben, oder die Wiedervorstellung von der Wiederem- pfindung, den Graden nach unterschieden ist, doch so, daß zu den letztern ein gewisses begleitendes Gefühl aus dem Körper hinzukommt, ohne welches die Wiedervor- stellung noch immer nur in den Gränzen einer Vorstel-
lung
B b 5
und Entwickelung des Menſchen.
1) „Jede Uebung einer Verſtandesfaͤhigkeit, bey ir- „gend einer Art von Objekten, verſchafft uns Jdeen- „reihen von dieſen Gegenſtaͤnden und von ihren „Beziehungen auf einander, und eine Leichtigkeit dieſe „Jdeen zu erwecken.‟ Wir werden mit den Sachen bekannt; ihre Verknuͤpfungen werden uns gelaͤufig; oh- ne Anſtrengung haben wir ſie in ihren Folgen und Ver- bindungen vor uns, und uͤberſehen ihre vorher unbe- kannten Verhaͤltniſſe gegen einander. Dieſe Jdeenrei- hen ſind der erſte Antheil, den die Einbildungskraft und das Gedaͤchtniß an den Fertigkeiten hat, der ſich aber auch nothwendig wiederum verlieret, ſobald wir die Sachen vergeſſen haben.
2) Es hinterlaͤßt eine jede Anwendung unſerer Kraft auch eine Vorſtellung von der Aktion ſelbſt. Soviel iſt reine Erfahrung. Dieſe Vorſtellung iſt von den Jdeen, welche wir von den Objekten haben, ver- ſchieden; und in ſo weit iſt es außer Zweifel, daß et- was mehr in uns bewirkt werde, als die Leichtigkeit Jdeen von den Objekten zu erneuern. Die Vorſtellung von der Aktion iſt aber, wie vorher erinnert worden, eine ſchwache Anwandelung von der Aktion ſelbſt. Sie iſt eine Leichtigkeit in dem Vermoͤgen, die ehemalige Aktion wieder in dem Jnnern anzufangen. Wenn die- ſe groͤßer wird, ſo geht ſie uͤber in eine Leichtigkeit die Vorſtellung in Empfindung zu verwandeln; wie uͤberhaupt in Hinſicht der innern Veraͤnderungen der Seele, die Vorſtellungen von ihnen als abweſenden Ge- genſtaͤnden von der wiederholten Empfindung derſelben, oder die Wiedervorſtellung von der Wiederem- pfindung, den Graden nach unterſchieden iſt, doch ſo, daß zu den letztern ein gewiſſes begleitendes Gefuͤhl aus dem Koͤrper hinzukommt, ohne welches die Wiedervor- ſtellung noch immer nur in den Graͤnzen einer Vorſtel-
lung
B b 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0423"n="393"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">und Entwickelung des Menſchen.</hi></fw><lb/><p>1) „Jede Uebung einer Verſtandesfaͤhigkeit, bey ir-<lb/>„gend einer Art von Objekten, verſchafft uns <hirendition="#fr">Jdeen-<lb/>„reihen von dieſen Gegenſtaͤnden</hi> und von ihren<lb/>„Beziehungen auf einander, und eine Leichtigkeit dieſe<lb/>„Jdeen zu erwecken.‟ Wir werden mit den Sachen<lb/>
bekannt; ihre Verknuͤpfungen werden uns gelaͤufig; oh-<lb/>
ne Anſtrengung haben wir ſie in ihren Folgen und Ver-<lb/>
bindungen vor uns, und uͤberſehen ihre vorher unbe-<lb/>
kannten Verhaͤltniſſe gegen einander. Dieſe Jdeenrei-<lb/>
hen ſind der erſte Antheil, den die Einbildungskraft und<lb/>
das Gedaͤchtniß an den Fertigkeiten hat, der ſich<lb/>
aber auch nothwendig wiederum verlieret, ſobald wir<lb/>
die Sachen vergeſſen haben.</p><lb/><p>2) Es hinterlaͤßt eine jede Anwendung unſerer<lb/>
Kraft auch eine <hirendition="#fr">Vorſtellung von der Aktion ſelbſt.</hi><lb/>
Soviel iſt reine Erfahrung. Dieſe Vorſtellung iſt von<lb/>
den Jdeen, welche wir von den Objekten haben, ver-<lb/>ſchieden; und in ſo weit iſt es außer Zweifel, daß et-<lb/>
was mehr in uns bewirkt werde, als die Leichtigkeit<lb/>
Jdeen von den Objekten zu erneuern. Die Vorſtellung<lb/>
von der Aktion iſt aber, wie vorher erinnert worden, eine<lb/>ſchwache Anwandelung von der Aktion ſelbſt. Sie iſt<lb/>
eine <hirendition="#fr">Leichtigkeit</hi> in dem Vermoͤgen, die ehemalige<lb/>
Aktion wieder in dem Jnnern anzufangen. Wenn die-<lb/>ſe groͤßer wird, ſo geht ſie uͤber in eine <hirendition="#fr">Leichtigkeit</hi><lb/>
die Vorſtellung in <hirendition="#fr">Empfindung</hi> zu verwandeln; wie<lb/>
uͤberhaupt in Hinſicht der innern Veraͤnderungen der<lb/>
Seele, die Vorſtellungen von ihnen als abweſenden Ge-<lb/>
genſtaͤnden von der wiederholten Empfindung derſelben,<lb/>
oder die <hirendition="#fr">Wiedervorſtellung</hi> von der <hirendition="#fr">Wiederem-<lb/>
pfindung,</hi> den Graden nach unterſchieden iſt, doch ſo,<lb/>
daß zu den letztern ein gewiſſes begleitendes Gefuͤhl aus<lb/>
dem Koͤrper hinzukommt, ohne welches die Wiedervor-<lb/>ſtellung noch immer nur in den Graͤnzen einer Vorſtel-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B b 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">lung</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[393/0423]
und Entwickelung des Menſchen.
1) „Jede Uebung einer Verſtandesfaͤhigkeit, bey ir-
„gend einer Art von Objekten, verſchafft uns Jdeen-
„reihen von dieſen Gegenſtaͤnden und von ihren
„Beziehungen auf einander, und eine Leichtigkeit dieſe
„Jdeen zu erwecken.‟ Wir werden mit den Sachen
bekannt; ihre Verknuͤpfungen werden uns gelaͤufig; oh-
ne Anſtrengung haben wir ſie in ihren Folgen und Ver-
bindungen vor uns, und uͤberſehen ihre vorher unbe-
kannten Verhaͤltniſſe gegen einander. Dieſe Jdeenrei-
hen ſind der erſte Antheil, den die Einbildungskraft und
das Gedaͤchtniß an den Fertigkeiten hat, der ſich
aber auch nothwendig wiederum verlieret, ſobald wir
die Sachen vergeſſen haben.
2) Es hinterlaͤßt eine jede Anwendung unſerer
Kraft auch eine Vorſtellung von der Aktion ſelbſt.
Soviel iſt reine Erfahrung. Dieſe Vorſtellung iſt von
den Jdeen, welche wir von den Objekten haben, ver-
ſchieden; und in ſo weit iſt es außer Zweifel, daß et-
was mehr in uns bewirkt werde, als die Leichtigkeit
Jdeen von den Objekten zu erneuern. Die Vorſtellung
von der Aktion iſt aber, wie vorher erinnert worden, eine
ſchwache Anwandelung von der Aktion ſelbſt. Sie iſt
eine Leichtigkeit in dem Vermoͤgen, die ehemalige
Aktion wieder in dem Jnnern anzufangen. Wenn die-
ſe groͤßer wird, ſo geht ſie uͤber in eine Leichtigkeit
die Vorſtellung in Empfindung zu verwandeln; wie
uͤberhaupt in Hinſicht der innern Veraͤnderungen der
Seele, die Vorſtellungen von ihnen als abweſenden Ge-
genſtaͤnden von der wiederholten Empfindung derſelben,
oder die Wiedervorſtellung von der Wiederem-
pfindung, den Graden nach unterſchieden iſt, doch ſo,
daß zu den letztern ein gewiſſes begleitendes Gefuͤhl aus
dem Koͤrper hinzukommt, ohne welches die Wiedervor-
ſtellung noch immer nur in den Graͤnzen einer Vorſtel-
lung
B b 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/423>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.