"tur jedesmal Unähnlichkeiten in Graden und Stufen "bey sich haben:" so könnte man freylich zweifeln, ob es erlaubt sey, das Verhältniß des Seelenwesens zu dem Körper in der thierischen Natur in gleicher Maße, auf die Beziehung des Jchs zu seinem materiellen Or- gan in dem Seelenwesen, zu übertragen? Allein die- ser Zweifel wird größtentheils durch folgende Betrach- tungen gehoben.
Laß nur zunächst allein von der Analogie selbst die Rede seyn, so würde doch folgen:
1) Daß, wenn nun das angezeigte Verhältniß nicht von gleicher Größe in der Seelennatur wie in der thie- rischen ist, der Einfluß des Jchs in sein Organ in je- ner, eben so wohl noch größer und stärker seyn kann, als der Einfluß des gesamten Seelenwesens in die Orga- nisation bey den thierischen Handlungen ist, als solcher geringer und schwächer seyn kann, das ist: das wahre System der Natur, welches zwischen der gemei- nen und der Bonnetischen Hypothese fället, kann eben so wohl jener näher liegen als dieser.
2) So würde doch bey dem Unterschiede in den Stufen das Verhältniß selbst nach seinen Beschaffen- heiten das nämliche seyn, wie die Analogie es mit sich bringet; so würden also doch Spuren von den Em- pfindungen in der unkörperlichen Seele zurückbleiben, und von ihrer Kraft reproducirt werden können, wie in dem Seelenwesen Jdeen von den thierischen Handlungen sind und wieder erwecket werden. Mit einem Wort, Vorstellungen und Phantasie würden, es sey in wel- chem Grade es wolle, ihren Sitz in unserm Jch selbst haben.
Allein
im Menſchen.
„tur jedesmal Unaͤhnlichkeiten in Graden und Stufen „bey ſich haben:“ ſo koͤnnte man freylich zweifeln, ob es erlaubt ſey, das Verhaͤltniß des Seelenweſens zu dem Koͤrper in der thieriſchen Natur in gleicher Maße, auf die Beziehung des Jchs zu ſeinem materiellen Or- gan in dem Seelenweſen, zu uͤbertragen? Allein die- ſer Zweifel wird groͤßtentheils durch folgende Betrach- tungen gehoben.
Laß nur zunaͤchſt allein von der Analogie ſelbſt die Rede ſeyn, ſo wuͤrde doch folgen:
1) Daß, wenn nun das angezeigte Verhaͤltniß nicht von gleicher Groͤße in der Seelennatur wie in der thie- riſchen iſt, der Einfluß des Jchs in ſein Organ in je- ner, eben ſo wohl noch groͤßer und ſtaͤrker ſeyn kann, als der Einfluß des geſamten Seelenweſens in die Orga- niſation bey den thieriſchen Handlungen iſt, als ſolcher geringer und ſchwaͤcher ſeyn kann, das iſt: das wahre Syſtem der Natur, welches zwiſchen der gemei- nen und der Bonnetiſchen Hypotheſe faͤllet, kann eben ſo wohl jener naͤher liegen als dieſer.
2) So wuͤrde doch bey dem Unterſchiede in den Stufen das Verhaͤltniß ſelbſt nach ſeinen Beſchaffen- heiten das naͤmliche ſeyn, wie die Analogie es mit ſich bringet; ſo wuͤrden alſo doch Spuren von den Em- pfindungen in der unkoͤrperlichen Seele zuruͤckbleiben, und von ihrer Kraft reproducirt werden koͤnnen, wie in dem Seelenweſen Jdeen von den thieriſchen Handlungen ſind und wieder erwecket werden. Mit einem Wort, Vorſtellungen und Phantaſie wuͤrden, es ſey in wel- chem Grade es wolle, ihren Sitz in unſerm Jch ſelbſt haben.
Allein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0395"n="365"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">im Menſchen.</hi></fw><lb/>„tur jedesmal Unaͤhnlichkeiten in Graden und Stufen<lb/>„bey ſich haben:“ſo koͤnnte man freylich zweifeln, ob<lb/>
es erlaubt ſey, das Verhaͤltniß des Seelenweſens zu<lb/>
dem Koͤrper in der thieriſchen Natur in gleicher Maße,<lb/>
auf die Beziehung des Jchs zu ſeinem materiellen Or-<lb/>
gan in dem Seelenweſen, zu uͤbertragen? Allein die-<lb/>ſer Zweifel wird groͤßtentheils durch folgende Betrach-<lb/>
tungen gehoben.</p><lb/><p>Laß nur zunaͤchſt allein von der Analogie ſelbſt die<lb/>
Rede ſeyn, ſo wuͤrde doch folgen:</p><lb/><p>1) Daß, wenn nun das angezeigte Verhaͤltniß nicht<lb/>
von gleicher Groͤße in der Seelennatur wie in der thie-<lb/>
riſchen iſt, der Einfluß des Jchs in ſein Organ in je-<lb/>
ner, eben ſo wohl noch <hirendition="#fr">groͤßer</hi> und <hirendition="#fr">ſtaͤrker</hi>ſeyn kann,<lb/>
als der Einfluß des geſamten Seelenweſens in die Orga-<lb/>
niſation bey den thieriſchen Handlungen iſt, als ſolcher<lb/><hirendition="#fr">geringer</hi> und <hirendition="#fr">ſchwaͤcher</hi>ſeyn kann, das iſt: das<lb/>
wahre Syſtem der Natur, welches zwiſchen der gemei-<lb/>
nen und der <hirendition="#fr">Bonnetiſchen</hi> Hypotheſe faͤllet, kann<lb/>
eben ſo wohl jener naͤher liegen als dieſer.</p><lb/><p>2) So wuͤrde doch bey dem Unterſchiede in den<lb/>
Stufen das Verhaͤltniß ſelbſt nach ſeinen Beſchaffen-<lb/>
heiten das naͤmliche ſeyn, wie die Analogie es mit ſich<lb/>
bringet; ſo wuͤrden alſo doch Spuren von den Em-<lb/>
pfindungen in der unkoͤrperlichen Seele zuruͤckbleiben,<lb/>
und von ihrer Kraft reproducirt werden koͤnnen, wie in<lb/>
dem Seelenweſen Jdeen von den thieriſchen Handlungen<lb/>ſind und wieder erwecket werden. Mit einem Wort,<lb/>
Vorſtellungen und Phantaſie wuͤrden, es ſey in wel-<lb/>
chem Grade es wolle, ihren Sitz in unſerm Jch ſelbſt<lb/>
haben.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Allein</fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[365/0395]
im Menſchen.
„tur jedesmal Unaͤhnlichkeiten in Graden und Stufen
„bey ſich haben:“ ſo koͤnnte man freylich zweifeln, ob
es erlaubt ſey, das Verhaͤltniß des Seelenweſens zu
dem Koͤrper in der thieriſchen Natur in gleicher Maße,
auf die Beziehung des Jchs zu ſeinem materiellen Or-
gan in dem Seelenweſen, zu uͤbertragen? Allein die-
ſer Zweifel wird groͤßtentheils durch folgende Betrach-
tungen gehoben.
Laß nur zunaͤchſt allein von der Analogie ſelbſt die
Rede ſeyn, ſo wuͤrde doch folgen:
1) Daß, wenn nun das angezeigte Verhaͤltniß nicht
von gleicher Groͤße in der Seelennatur wie in der thie-
riſchen iſt, der Einfluß des Jchs in ſein Organ in je-
ner, eben ſo wohl noch groͤßer und ſtaͤrker ſeyn kann,
als der Einfluß des geſamten Seelenweſens in die Orga-
niſation bey den thieriſchen Handlungen iſt, als ſolcher
geringer und ſchwaͤcher ſeyn kann, das iſt: das
wahre Syſtem der Natur, welches zwiſchen der gemei-
nen und der Bonnetiſchen Hypotheſe faͤllet, kann
eben ſo wohl jener naͤher liegen als dieſer.
2) So wuͤrde doch bey dem Unterſchiede in den
Stufen das Verhaͤltniß ſelbſt nach ſeinen Beſchaffen-
heiten das naͤmliche ſeyn, wie die Analogie es mit ſich
bringet; ſo wuͤrden alſo doch Spuren von den Em-
pfindungen in der unkoͤrperlichen Seele zuruͤckbleiben,
und von ihrer Kraft reproducirt werden koͤnnen, wie in
dem Seelenweſen Jdeen von den thieriſchen Handlungen
ſind und wieder erwecket werden. Mit einem Wort,
Vorſtellungen und Phantaſie wuͤrden, es ſey in wel-
chem Grade es wolle, ihren Sitz in unſerm Jch ſelbſt
haben.
Allein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/395>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.