tion. Und dieß ist es, wovon Herr Unzer die Möglich- keit nicht blos angenommen, sondern aus Erfährungen bewiesen hat. Zwar nichts mehr als die Möglichkeit; aber diese ist hier so wichtig, daß aus ihr die Folge ge- zogen werden kann, es sey die vollkommene Ani- malität, -- in der eine einfache Seele ist, -- viel we- niger aus der Größe der scheinbaren Empfindlich- keit und der Spontaneität zu schließen, als aus andern Kennzeichen, z. B. aus der Einheit des or- ganisirten Ganzen, und aus der Empfindlichkeit der Lebenskräfte in Einem Gehirn. Wenigstens darf man nach jenen erstern allein nicht urtheilen.
Man hat es bemerket, daß die Vollkommenheit der Organisation in den unvollkommenen Thierarten abnehme. Diese Vollkommenheit wird alsdenn aber theils nach der Menge und Mannichfaltigkeit der Thei- le, woraus der organisirte Körper besteht, theils nach der Einheit oder der genauen Verbindung dieser Theile untereinander, geschätzet. Die Organisation des Poly- pen, die fast ganz Magen ist, nach des Hrn. Bon- nets Ausdruck, ist unvollkommener und einförmiger, als sie in den vierfüßigen Thieren ist. Und wie ist sie in dem Bandwurm und in allen übrigen Thieren, die sich selbst aus Stücken wieder ergänzen? Nun scheint es, wenn wir die vierfüßigen Thiere mit den einförmi- ger organisirten vergleichen, auch wahrscheinlich zu wer- den, daß auch die Seelenartigkeit mit der Voll- kommenheit der Organisation im Verhältniß stehe. Dem Hunde kann man sein Jch oder seine dominirende Einheit nicht mit solcher Wahrscheinlichkeit absprechen, als dem Polypen, in welchem das Princip der Anima- lität mehr ein in allen Punkten des Körpers verbreite- tes unter sich aber vereinigtes Ganze ist, und wo es schwer ist, einen Theil zu finden, den man als den Sitz der vornehmsten und herrschenden Einheit ansehen
könne.
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im Menſchen.
tion. Und dieß iſt es, wovon Herr Unzer die Moͤglich- keit nicht blos angenommen, ſondern aus Erfaͤhrungen bewieſen hat. Zwar nichts mehr als die Moͤglichkeit; aber dieſe iſt hier ſo wichtig, daß aus ihr die Folge ge- zogen werden kann, es ſey die vollkommene Ani- malitaͤt, — in der eine einfache Seele iſt, — viel we- niger aus der Groͤße der ſcheinbaren Empfindlich- keit und der Spontaneitaͤt zu ſchließen, als aus andern Kennzeichen, z. B. aus der Einheit des or- ganiſirten Ganzen, und aus der Empfindlichkeit der Lebenskraͤfte in Einem Gehirn. Wenigſtens darf man nach jenen erſtern allein nicht urtheilen.
Man hat es bemerket, daß die Vollkommenheit der Organiſation in den unvollkommenen Thierarten abnehme. Dieſe Vollkommenheit wird alsdenn aber theils nach der Menge und Mannichfaltigkeit der Thei- le, woraus der organiſirte Koͤrper beſteht, theils nach der Einheit oder der genauen Verbindung dieſer Theile untereinander, geſchaͤtzet. Die Organiſation des Poly- pen, die faſt ganz Magen iſt, nach des Hrn. Bon- nets Ausdruck, iſt unvollkommener und einfoͤrmiger, als ſie in den vierfuͤßigen Thieren iſt. Und wie iſt ſie in dem Bandwurm und in allen uͤbrigen Thieren, die ſich ſelbſt aus Stuͤcken wieder ergaͤnzen? Nun ſcheint es, wenn wir die vierfuͤßigen Thiere mit den einfoͤrmi- ger organiſirten vergleichen, auch wahrſcheinlich zu wer- den, daß auch die Seelenartigkeit mit der Voll- kommenheit der Organiſation im Verhaͤltniß ſtehe. Dem Hunde kann man ſein Jch oder ſeine dominirende Einheit nicht mit ſolcher Wahrſcheinlichkeit abſprechen, als dem Polypen, in welchem das Princip der Anima- litaͤt mehr ein in allen Punkten des Koͤrpers verbreite- tes unter ſich aber vereinigtes Ganze iſt, und wo es ſchwer iſt, einen Theil zu finden, den man als den Sitz der vornehmſten und herrſchenden Einheit anſehen
koͤnne.
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im Menſchen.
tion. Und dieß iſt es, wovon Herr Unzer die Moͤglich-
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bewieſen hat. Zwar nichts mehr als die Moͤglichkeit;
aber dieſe iſt hier ſo wichtig, daß aus ihr die Folge ge-
zogen werden kann, es ſey die vollkommene Ani-
malitaͤt, — in der eine einfache Seele iſt, — viel we-
niger aus der Groͤße der ſcheinbaren Empfindlich-
keit und der Spontaneitaͤt zu ſchließen, als aus
andern Kennzeichen, z. B. aus der Einheit des or-
ganiſirten Ganzen, und aus der Empfindlichkeit
der Lebenskraͤfte in Einem Gehirn. Wenigſtens
darf man nach jenen erſtern allein nicht urtheilen.
Man hat es bemerket, daß die Vollkommenheit
der Organiſation in den unvollkommenen Thierarten
abnehme. Dieſe Vollkommenheit wird alsdenn aber
theils nach der Menge und Mannichfaltigkeit der Thei-
le, woraus der organiſirte Koͤrper beſteht, theils nach
der Einheit oder der genauen Verbindung dieſer Theile
untereinander, geſchaͤtzet. Die Organiſation des Poly-
pen, die faſt ganz Magen iſt, nach des Hrn. Bon-
nets Ausdruck, iſt unvollkommener und einfoͤrmiger,
als ſie in den vierfuͤßigen Thieren iſt. Und wie iſt ſie
in dem Bandwurm und in allen uͤbrigen Thieren, die
ſich ſelbſt aus Stuͤcken wieder ergaͤnzen? Nun ſcheint
es, wenn wir die vierfuͤßigen Thiere mit den einfoͤrmi-
ger organiſirten vergleichen, auch wahrſcheinlich zu wer-
den, daß auch die Seelenartigkeit mit der Voll-
kommenheit der Organiſation im Verhaͤltniß ſtehe.
Dem Hunde kann man ſein Jch oder ſeine dominirende
Einheit nicht mit ſolcher Wahrſcheinlichkeit abſprechen,
als dem Polypen, in welchem das Princip der Anima-
litaͤt mehr ein in allen Punkten des Koͤrpers verbreite-
tes unter ſich aber vereinigtes Ganze iſt, und wo es
ſchwer iſt, einen Theil zu finden, den man als den
Sitz der vornehmſten und herrſchenden Einheit anſehen
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/385>, abgerufen am 22.11.2024.
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