3) Daß die beiden Reihen in der Seele und in dem Körper einander modificiren, und bey der Anwendung der Fertigkeiten zu Hülfe kommen, ist außer Zweifel. Einige sind, so zu sagen, mehr bloß körperlich, andere mehr geistig; wovon der Unterschied der freyen und der mechanischen Künste abhängt; aber beides ist in je- der Geschicklichkeit eines Virtuosen zusammen. Gar- rik könnte nicht Garrik seyn ohne ein feines lebhaftes und in dem Körper allgegenwärtiges Gefühl; nicht oh- ne die mächtige Phantasie, die jede fremde Denkungs- art und Lage anschaulich und in ihrer individuellen Be- stimmtheit auffaßt, und sich leicht in selbige versetzet. Aber eben so gewiß ist es auf der andern Seite, daß je größer und stärker die Uebung mit dem Körper ist, die Handlungen desto mehr mechanisch werden, sich im Körper selbst anreihen und ohne Anstrengung der Seele hervorgebracht werden. Die Fertigkeit in dem Kör- per ist ein wesentliches Stück der ganzen menschlichen Fertigkeit, davon das zweyte in der Seele ist. Daß diese beiden zuweilen getrennt sind, wenn entweder der Körper oder der Geist nicht in der gehörigen Disposi- tion sich befindet, lehret die Erfahrung; und daher be- darf es also keiner weitern Bestätigung, daß nicht Eins dem andern hinderlich oder föderlich sey, und die Wir- kung desselben erleichtere oder erschwere.
Aber was endlich 4) die Frage betrift, ob die Asso- ciation der Bewegungen im Körper wohl jemals allein hinreichend seyn könne die Bewegungen hervorzubrin- gen, und also die Beywirkung der Vorstellungskraft der Seele durch Körperkräfte ersetzet werden könne, oder diese durch jene? so habe ich vorher schon gesagt, daß wir hierüber aus den Beobachtungen zur Zeit noch nicht entscheiden können. Aus den mir bekannten Erfahrun-
gen
XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen
11.
3) Daß die beiden Reihen in der Seele und in dem Koͤrper einander modificiren, und bey der Anwendung der Fertigkeiten zu Huͤlfe kommen, iſt außer Zweifel. Einige ſind, ſo zu ſagen, mehr bloß koͤrperlich, andere mehr geiſtig; wovon der Unterſchied der freyen und der mechaniſchen Kuͤnſte abhaͤngt; aber beides iſt in je- der Geſchicklichkeit eines Virtuoſen zuſammen. Gar- rik koͤnnte nicht Garrik ſeyn ohne ein feines lebhaftes und in dem Koͤrper allgegenwaͤrtiges Gefuͤhl; nicht oh- ne die maͤchtige Phantaſie, die jede fremde Denkungs- art und Lage anſchaulich und in ihrer individuellen Be- ſtimmtheit auffaßt, und ſich leicht in ſelbige verſetzet. Aber eben ſo gewiß iſt es auf der andern Seite, daß je groͤßer und ſtaͤrker die Uebung mit dem Koͤrper iſt, die Handlungen deſto mehr mechaniſch werden, ſich im Koͤrper ſelbſt anreihen und ohne Anſtrengung der Seele hervorgebracht werden. Die Fertigkeit in dem Koͤr- per iſt ein weſentliches Stuͤck der ganzen menſchlichen Fertigkeit, davon das zweyte in der Seele iſt. Daß dieſe beiden zuweilen getrennt ſind, wenn entweder der Koͤrper oder der Geiſt nicht in der gehoͤrigen Dispoſi- tion ſich befindet, lehret die Erfahrung; und daher be- darf es alſo keiner weitern Beſtaͤtigung, daß nicht Eins dem andern hinderlich oder foͤderlich ſey, und die Wir- kung deſſelben erleichtere oder erſchwere.
Aber was endlich 4) die Frage betrift, ob die Aſſo- ciation der Bewegungen im Koͤrper wohl jemals allein hinreichend ſeyn koͤnne die Bewegungen hervorzubrin- gen, und alſo die Beywirkung der Vorſtellungskraft der Seele durch Koͤrperkraͤfte erſetzet werden koͤnne, oder dieſe durch jene? ſo habe ich vorher ſchon geſagt, daß wir hieruͤber aus den Beobachtungen zur Zeit noch nicht entſcheiden koͤnnen. Aus den mir bekannten Erfahrun-
gen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0374"n="344"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">XIII.</hi> Verſuch. Ueber das Seelenweſen</hi></fw><lb/><divn="4"><head>11.</head><lb/><p>3) Daß die beiden Reihen in der Seele und in dem<lb/>
Koͤrper einander modificiren, und bey der Anwendung<lb/>
der Fertigkeiten zu Huͤlfe kommen, iſt außer Zweifel.<lb/>
Einige ſind, ſo zu ſagen, <hirendition="#fr">mehr</hi> bloß koͤrperlich, andere<lb/>
mehr geiſtig; wovon der Unterſchied der <hirendition="#fr">freyen</hi> und der<lb/><hirendition="#fr">mechaniſchen</hi> Kuͤnſte abhaͤngt; aber beides iſt in je-<lb/>
der Geſchicklichkeit eines Virtuoſen zuſammen. Gar-<lb/>
rik koͤnnte nicht Garrik ſeyn ohne ein feines lebhaftes<lb/>
und in dem Koͤrper allgegenwaͤrtiges Gefuͤhl; nicht oh-<lb/>
ne die maͤchtige Phantaſie, die jede fremde Denkungs-<lb/>
art und Lage anſchaulich und in ihrer individuellen Be-<lb/>ſtimmtheit auffaßt, und ſich leicht in ſelbige verſetzet.<lb/>
Aber eben ſo gewiß iſt es auf der andern Seite, daß je<lb/>
groͤßer und ſtaͤrker die Uebung mit dem Koͤrper iſt, die<lb/>
Handlungen deſto mehr mechaniſch werden, ſich im<lb/>
Koͤrper ſelbſt anreihen und ohne Anſtrengung der Seele<lb/>
hervorgebracht werden. Die Fertigkeit in dem Koͤr-<lb/>
per iſt ein weſentliches Stuͤck der ganzen menſchlichen<lb/>
Fertigkeit, davon das zweyte in der Seele iſt. Daß<lb/>
dieſe beiden zuweilen getrennt ſind, wenn entweder der<lb/>
Koͤrper oder der Geiſt nicht in der gehoͤrigen Dispoſi-<lb/>
tion ſich befindet, lehret die Erfahrung; und daher be-<lb/>
darf es alſo keiner weitern Beſtaͤtigung, daß nicht Eins<lb/>
dem andern hinderlich oder foͤderlich ſey, und die Wir-<lb/>
kung deſſelben erleichtere oder erſchwere.</p><lb/><p>Aber was endlich 4) die Frage betrift, ob die Aſſo-<lb/>
ciation der Bewegungen im Koͤrper wohl jemals allein<lb/>
hinreichend ſeyn koͤnne die Bewegungen hervorzubrin-<lb/>
gen, und alſo die Beywirkung der Vorſtellungskraft<lb/>
der Seele durch Koͤrperkraͤfte erſetzet werden koͤnne, oder<lb/>
dieſe durch jene? ſo habe ich vorher ſchon geſagt, daß<lb/>
wir hieruͤber aus den Beobachtungen zur Zeit noch nicht<lb/>
entſcheiden koͤnnen. Aus den mir bekannten Erfahrun-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">gen</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[344/0374]
XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen
11.
3) Daß die beiden Reihen in der Seele und in dem
Koͤrper einander modificiren, und bey der Anwendung
der Fertigkeiten zu Huͤlfe kommen, iſt außer Zweifel.
Einige ſind, ſo zu ſagen, mehr bloß koͤrperlich, andere
mehr geiſtig; wovon der Unterſchied der freyen und der
mechaniſchen Kuͤnſte abhaͤngt; aber beides iſt in je-
der Geſchicklichkeit eines Virtuoſen zuſammen. Gar-
rik koͤnnte nicht Garrik ſeyn ohne ein feines lebhaftes
und in dem Koͤrper allgegenwaͤrtiges Gefuͤhl; nicht oh-
ne die maͤchtige Phantaſie, die jede fremde Denkungs-
art und Lage anſchaulich und in ihrer individuellen Be-
ſtimmtheit auffaßt, und ſich leicht in ſelbige verſetzet.
Aber eben ſo gewiß iſt es auf der andern Seite, daß je
groͤßer und ſtaͤrker die Uebung mit dem Koͤrper iſt, die
Handlungen deſto mehr mechaniſch werden, ſich im
Koͤrper ſelbſt anreihen und ohne Anſtrengung der Seele
hervorgebracht werden. Die Fertigkeit in dem Koͤr-
per iſt ein weſentliches Stuͤck der ganzen menſchlichen
Fertigkeit, davon das zweyte in der Seele iſt. Daß
dieſe beiden zuweilen getrennt ſind, wenn entweder der
Koͤrper oder der Geiſt nicht in der gehoͤrigen Dispoſi-
tion ſich befindet, lehret die Erfahrung; und daher be-
darf es alſo keiner weitern Beſtaͤtigung, daß nicht Eins
dem andern hinderlich oder foͤderlich ſey, und die Wir-
kung deſſelben erleichtere oder erſchwere.
Aber was endlich 4) die Frage betrift, ob die Aſſo-
ciation der Bewegungen im Koͤrper wohl jemals allein
hinreichend ſeyn koͤnne die Bewegungen hervorzubrin-
gen, und alſo die Beywirkung der Vorſtellungskraft
der Seele durch Koͤrperkraͤfte erſetzet werden koͤnne, oder
dieſe durch jene? ſo habe ich vorher ſchon geſagt, daß
wir hieruͤber aus den Beobachtungen zur Zeit noch nicht
entſcheiden koͤnnen. Aus den mir bekannten Erfahrun-
gen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/374>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.