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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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im Menschen.
nicht zu denen gehören, die in dem höchsten Grade will-
kürlich sind und auch nicht lange fortgesetzet werden,
so sind es doch solche, die überhaupt willkürlich waren,
und in denen der Zusammenhang mittelst der Vorstel-
lungskraft der Seele zu Stande gekommen ist. Diese
Reihen sind von denen, welche zu den Kunstfertigkeiten
gehören, nicht ihrer Natur nach sondern nur darinn
unterschieden, daß sie aus einer geringern Anzahl von
willkürlich angereiheten Aktionen bestehen, als diese.
Daher ist man wohl berechtiget, aus den gedachten Er-
fahrungen zu schließen, daß, wenn zwey nächste Glie-
der einer ganzen Reihe ihre organische Verbindung in
dem Körper haben, die nämliche Verbindung auch
wohl durch eine längere Reihe hindurch gehen könne,
obgleich eine größere Uebung erfodert wird, ehe diese
längere Reihe sich festsetzet.

Aber die Beyspiele von dergleichen Handlungen bey
andern enthaupteten Thieren, deren ich schon oben ge-
dacht habe, sind nicht alle ohne Unterschied geschickt,
dieß letztere zu beweisen. Man muß sie wohl prüfen,
eh man sie zum Grunde leget. Es kann zweifelhaft
seyn, ob sie bey diesen Thieren jemals willkürliche Hand-
lungen gewesen sind, wie sie bey dem Menschen es sind,
da bey den Thieren manche Bewegungen organisch noth-
wendig und Wirkungen des blinden Jnstinkts seyn kön-
nen, die bey dem Menschen die Dazwischenkunft der
Vorstellungen und der Eigenmacht der Seele erfodern.
Gleichwohl sind viele doch entscheidende Beweise. So
viel erhellet doch aus dem Begatten der ihrer Köpfe be-
raubten Schmetterlinge, wenn sie nur solches vorher
bey ihrem Leben mehrmalen verrichtet haben, daß ein
organisirter Körper auch sehr zusammengesetzte Gewohn-
heiten annehmen könne. Die menschliche Organisation
wird also auch dazu aufgelegt seyn, wenn gleich in ei-
nem mindern Grade.

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im Menſchen.
nicht zu denen gehoͤren, die in dem hoͤchſten Grade will-
kuͤrlich ſind und auch nicht lange fortgeſetzet werden,
ſo ſind es doch ſolche, die uͤberhaupt willkuͤrlich waren,
und in denen der Zuſammenhang mittelſt der Vorſtel-
lungskraft der Seele zu Stande gekommen iſt. Dieſe
Reihen ſind von denen, welche zu den Kunſtfertigkeiten
gehoͤren, nicht ihrer Natur nach ſondern nur darinn
unterſchieden, daß ſie aus einer geringern Anzahl von
willkuͤrlich angereiheten Aktionen beſtehen, als dieſe.
Daher iſt man wohl berechtiget, aus den gedachten Er-
fahrungen zu ſchließen, daß, wenn zwey naͤchſte Glie-
der einer ganzen Reihe ihre organiſche Verbindung in
dem Koͤrper haben, die naͤmliche Verbindung auch
wohl durch eine laͤngere Reihe hindurch gehen koͤnne,
obgleich eine groͤßere Uebung erfodert wird, ehe dieſe
laͤngere Reihe ſich feſtſetzet.

Aber die Beyſpiele von dergleichen Handlungen bey
andern enthaupteten Thieren, deren ich ſchon oben ge-
dacht habe, ſind nicht alle ohne Unterſchied geſchickt,
dieß letztere zu beweiſen. Man muß ſie wohl pruͤfen,
eh man ſie zum Grunde leget. Es kann zweifelhaft
ſeyn, ob ſie bey dieſen Thieren jemals willkuͤrliche Hand-
lungen geweſen ſind, wie ſie bey dem Menſchen es ſind,
da bey den Thieren manche Bewegungen organiſch noth-
wendig und Wirkungen des blinden Jnſtinkts ſeyn koͤn-
nen, die bey dem Menſchen die Dazwiſchenkunft der
Vorſtellungen und der Eigenmacht der Seele erfodern.
Gleichwohl ſind viele doch entſcheidende Beweiſe. So
viel erhellet doch aus dem Begatten der ihrer Koͤpfe be-
raubten Schmetterlinge, wenn ſie nur ſolches vorher
bey ihrem Leben mehrmalen verrichtet haben, daß ein
organiſirter Koͤrper auch ſehr zuſammengeſetzte Gewohn-
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wird alſo auch dazu aufgelegt ſeyn, wenn gleich in ei-
nem mindern Grade.

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[343/0373] im Menſchen. nicht zu denen gehoͤren, die in dem hoͤchſten Grade will- kuͤrlich ſind und auch nicht lange fortgeſetzet werden, ſo ſind es doch ſolche, die uͤberhaupt willkuͤrlich waren, und in denen der Zuſammenhang mittelſt der Vorſtel- lungskraft der Seele zu Stande gekommen iſt. Dieſe Reihen ſind von denen, welche zu den Kunſtfertigkeiten gehoͤren, nicht ihrer Natur nach ſondern nur darinn unterſchieden, daß ſie aus einer geringern Anzahl von willkuͤrlich angereiheten Aktionen beſtehen, als dieſe. Daher iſt man wohl berechtiget, aus den gedachten Er- fahrungen zu ſchließen, daß, wenn zwey naͤchſte Glie- der einer ganzen Reihe ihre organiſche Verbindung in dem Koͤrper haben, die naͤmliche Verbindung auch wohl durch eine laͤngere Reihe hindurch gehen koͤnne, obgleich eine groͤßere Uebung erfodert wird, ehe dieſe laͤngere Reihe ſich feſtſetzet. Aber die Beyſpiele von dergleichen Handlungen bey andern enthaupteten Thieren, deren ich ſchon oben ge- dacht habe, ſind nicht alle ohne Unterſchied geſchickt, dieß letztere zu beweiſen. Man muß ſie wohl pruͤfen, eh man ſie zum Grunde leget. Es kann zweifelhaft ſeyn, ob ſie bey dieſen Thieren jemals willkuͤrliche Hand- lungen geweſen ſind, wie ſie bey dem Menſchen es ſind, da bey den Thieren manche Bewegungen organiſch noth- wendig und Wirkungen des blinden Jnſtinkts ſeyn koͤn- nen, die bey dem Menſchen die Dazwiſchenkunft der Vorſtellungen und der Eigenmacht der Seele erfodern. Gleichwohl ſind viele doch entſcheidende Beweiſe. So viel erhellet doch aus dem Begatten der ihrer Koͤpfe be- raubten Schmetterlinge, wenn ſie nur ſolches vorher bey ihrem Leben mehrmalen verrichtet haben, daß ein organiſirter Koͤrper auch ſehr zuſammengeſetzte Gewohn- heiten annehmen koͤnne. Die menſchliche Organiſation wird alſo auch dazu aufgelegt ſeyn, wenn gleich in ei- nem mindern Grade. 11. Y 4

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/373>, abgerufen am 22.11.2024.