sich allein betrachtet, eine willkürliche Bewegung sey, die durch eine Aktion der Seele auf den Körper, wenn die Vorstellung von der Bewegung gegenwärtig ist, hervorgebracht werden kann. Es hindert aber nicht, wenn sie gleich auch sonsten unter andern Umstän- den durch eine bloß im Körper liegende Ursache gewir- ket wird. Jn konvulsivischen Krankheiten erfolgen oft ähnliche Bewegungen des Körpers, der Füße und der Hände, wie die willkürlichen sind; aber dennoch hängt das Springen des gesunden Menschen von der Eigen- macht und der Willkür der Seele ab.
Einige von solchen willkürlichen Bewegungsreihen haben vielleicht nichts mehr, als Eine oder ein paar sim- ple Vorstellungen in der Seele, zu ihrer Association erfo- dert. Der Mensch ist hungrig; ihm wird eine Speise vorgesetzt, die ihm schmecket. Von dieser Speise em- pfängt er eine Vorstellung, und in einem ähnlichen Falle strecket er die Hand nach ihr zuerst hin. Eine Vorstel- lung, die aus der vorigen Empfindung zurückgeblieben war, ohne eine weitere Selbstthätigkeit der vorstellen- den Kraft, ohne Ueberlegen und Nachdenken, reichet hin das Gelenk auszumachen, welches die besondern Theile der ganzen Reihe zusammenbringet.
Es giebt andere, in welchen die erste Anreihung eine geflissentliche Ausmerksamkeit und eine sehr merk- liche Anwendung der Denkkraft erfodert hat. Es sind klare und deutliche Vorstellungen, Vergleichungen, Fol- gerungen und Raisonnements erfodert worden, ehe die Fertigkeiten im Reden, Schreiben, Malen, Tanzen, Fechten und dergleichen erlanget sind. Aus diesen letz- tern kann man die Beyspiele nehmen, wenn man sehen will, was in solchen enthalten ist, die am meisten will- kürlich sind.
10. Die-
XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen
ſich allein betrachtet, eine willkuͤrliche Bewegung ſey, die durch eine Aktion der Seele auf den Koͤrper, wenn die Vorſtellung von der Bewegung gegenwaͤrtig iſt, hervorgebracht werden kann. Es hindert aber nicht, wenn ſie gleich auch ſonſten unter andern Umſtaͤn- den durch eine bloß im Koͤrper liegende Urſache gewir- ket wird. Jn konvulſiviſchen Krankheiten erfolgen oft aͤhnliche Bewegungen des Koͤrpers, der Fuͤße und der Haͤnde, wie die willkuͤrlichen ſind; aber dennoch haͤngt das Springen des geſunden Menſchen von der Eigen- macht und der Willkuͤr der Seele ab.
Einige von ſolchen willkuͤrlichen Bewegungsreihen haben vielleicht nichts mehr, als Eine oder ein paar ſim- ple Vorſtellungen in der Seele, zu ihrer Aſſociation erfo- dert. Der Menſch iſt hungrig; ihm wird eine Speiſe vorgeſetzt, die ihm ſchmecket. Von dieſer Speiſe em- pfaͤngt er eine Vorſtellung, und in einem aͤhnlichen Falle ſtrecket er die Hand nach ihr zuerſt hin. Eine Vorſtel- lung, die aus der vorigen Empfindung zuruͤckgeblieben war, ohne eine weitere Selbſtthaͤtigkeit der vorſtellen- den Kraft, ohne Ueberlegen und Nachdenken, reichet hin das Gelenk auszumachen, welches die beſondern Theile der ganzen Reihe zuſammenbringet.
Es giebt andere, in welchen die erſte Anreihung eine gefliſſentliche Auſmerkſamkeit und eine ſehr merk- liche Anwendung der Denkkraft erfodert hat. Es ſind klare und deutliche Vorſtellungen, Vergleichungen, Fol- gerungen und Raiſonnements erfodert worden, ehe die Fertigkeiten im Reden, Schreiben, Malen, Tanzen, Fechten und dergleichen erlanget ſind. Aus dieſen letz- tern kann man die Beyſpiele nehmen, wenn man ſehen will, was in ſolchen enthalten iſt, die am meiſten will- kuͤrlich ſind.
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XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen
ſich allein betrachtet, eine willkuͤrliche Bewegung
ſey, die durch eine Aktion der Seele auf den Koͤrper,
wenn die Vorſtellung von der Bewegung gegenwaͤrtig
iſt, hervorgebracht werden kann. Es hindert aber
nicht, wenn ſie gleich auch ſonſten unter andern Umſtaͤn-
den durch eine bloß im Koͤrper liegende Urſache gewir-
ket wird. Jn konvulſiviſchen Krankheiten erfolgen oft
aͤhnliche Bewegungen des Koͤrpers, der Fuͤße und der
Haͤnde, wie die willkuͤrlichen ſind; aber dennoch haͤngt
das Springen des geſunden Menſchen von der Eigen-
macht und der Willkuͤr der Seele ab.
Einige von ſolchen willkuͤrlichen Bewegungsreihen
haben vielleicht nichts mehr, als Eine oder ein paar ſim-
ple Vorſtellungen in der Seele, zu ihrer Aſſociation erfo-
dert. Der Menſch iſt hungrig; ihm wird eine Speiſe
vorgeſetzt, die ihm ſchmecket. Von dieſer Speiſe em-
pfaͤngt er eine Vorſtellung, und in einem aͤhnlichen Falle
ſtrecket er die Hand nach ihr zuerſt hin. Eine Vorſtel-
lung, die aus der vorigen Empfindung zuruͤckgeblieben
war, ohne eine weitere Selbſtthaͤtigkeit der vorſtellen-
den Kraft, ohne Ueberlegen und Nachdenken, reichet
hin das Gelenk auszumachen, welches die beſondern
Theile der ganzen Reihe zuſammenbringet.
Es giebt andere, in welchen die erſte Anreihung
eine gefliſſentliche Auſmerkſamkeit und eine ſehr merk-
liche Anwendung der Denkkraft erfodert hat. Es ſind
klare und deutliche Vorſtellungen, Vergleichungen, Fol-
gerungen und Raiſonnements erfodert worden, ehe die
Fertigkeiten im Reden, Schreiben, Malen, Tanzen,
Fechten und dergleichen erlanget ſind. Aus dieſen letz-
tern kann man die Beyſpiele nehmen, wenn man ſehen
will, was in ſolchen enthalten iſt, die am meiſten will-
kuͤrlich ſind.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/370>, abgerufen am 22.11.2024.
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