oder auch weiter in der Seele herumgehen, nämlich zu- erst eine Empfindung bewirken, dann die Vorstellungs- kraft und das Ueberlegungsvermögen erwecken, und nach einer Reihe von Ueberlegungen eine Willensäußerung her- vorbringen. Ueberhaupt aber fängt jede solche Reihe, so weit sie in der Seele ist, mit einer Jmpression auf die Seele an, und muß, woferne sie von einigem Ein- fluß auf die nachher im Körper erfolgenden Veränderun- gen seyn soll, sich mit einer Aktion der Seele auf den Körper endigen, welche in einer Anwendung ihrer thä- tigen Kraft bestehet. Denn wenn sie bloß angenommen und gefühlet, auch wohl überdacht wird, ohne daß eine Veränderung im Körper von dem Zuthun der Seele erfolget: so verhält die Seele sich bey ihr bloß wie ein müßiger Zuschauer, auf den nicht zu rechnen ist, wenn die physischen Verknüpfungen zu untersuchen sind.
Es eräugnet sich oft genug, daß die Seele eine Be- wegung hervorbringen will, und sich dazu bemühet, die dennoch auf ihr Bestreben nicht erfolget. Aber wir kön- nen diese Fälle hier übergehen und nur auf solche Rück- sicht nehmen, wo das geschieht, wenigstens zum Theil geschieht, was die Seele will, und wohin sie ihre Kraft anwendet; und wo also der Erfolg zum Theil als eine Wirkung von ihrer bewegenden Kraft abhanget. Jn der Seele selbst machen die Jdeenreihen in diesen Fällen gleichsam die Leiter aus, über und durch welche die Fortpflanzung geschieht, wie die Nerven in dem Körper bey den Bewegungen. Und dieselbige Jmpression oder Empfindung in der Seele kann mit demselbigen Wollen, oder mit derselbigen Kraftäußerung auf den Körper, durch mehrere verschiedene Jdeenreihen verbunden seyn, und auch hier bald über einen längern bald einen kürzern Weg fortgehen.
Um den allgemeinen Gesichtspunkt, aus dem ich die Sache vorstellen will, desto mehr zu bestimmen,
wollen
XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen
oder auch weiter in der Seele herumgehen, naͤmlich zu- erſt eine Empfindung bewirken, dann die Vorſtellungs- kraft und das Ueberlegungsvermoͤgen erwecken, und nach einer Reihe von Ueberlegungen eine Willensaͤußerung her- vorbringen. Ueberhaupt aber faͤngt jede ſolche Reihe, ſo weit ſie in der Seele iſt, mit einer Jmpreſſion auf die Seele an, und muß, woferne ſie von einigem Ein- fluß auf die nachher im Koͤrper erfolgenden Veraͤnderun- gen ſeyn ſoll, ſich mit einer Aktion der Seele auf den Koͤrper endigen, welche in einer Anwendung ihrer thaͤ- tigen Kraft beſtehet. Denn wenn ſie bloß angenommen und gefuͤhlet, auch wohl uͤberdacht wird, ohne daß eine Veraͤnderung im Koͤrper von dem Zuthun der Seele erfolget: ſo verhaͤlt die Seele ſich bey ihr bloß wie ein muͤßiger Zuſchauer, auf den nicht zu rechnen iſt, wenn die phyſiſchen Verknuͤpfungen zu unterſuchen ſind.
Es eraͤugnet ſich oft genug, daß die Seele eine Be- wegung hervorbringen will, und ſich dazu bemuͤhet, die dennoch auf ihr Beſtreben nicht erfolget. Aber wir koͤn- nen dieſe Faͤlle hier uͤbergehen und nur auf ſolche Ruͤck- ſicht nehmen, wo das geſchieht, wenigſtens zum Theil geſchieht, was die Seele will, und wohin ſie ihre Kraft anwendet; und wo alſo der Erfolg zum Theil als eine Wirkung von ihrer bewegenden Kraft abhanget. Jn der Seele ſelbſt machen die Jdeenreihen in dieſen Faͤllen gleichſam die Leiter aus, uͤber und durch welche die Fortpflanzung geſchieht, wie die Nerven in dem Koͤrper bey den Bewegungen. Und dieſelbige Jmpreſſion oder Empfindung in der Seele kann mit demſelbigen Wollen, oder mit derſelbigen Kraftaͤußerung auf den Koͤrper, durch mehrere verſchiedene Jdeenreihen verbunden ſeyn, und auch hier bald uͤber einen laͤngern bald einen kuͤrzern Weg fortgehen.
Um den allgemeinen Geſichtspunkt, aus dem ich die Sache vorſtellen will, deſto mehr zu beſtimmen,
wollen
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XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen
oder auch weiter in der Seele herumgehen, naͤmlich zu-
erſt eine Empfindung bewirken, dann die Vorſtellungs-
kraft und das Ueberlegungsvermoͤgen erwecken, und nach
einer Reihe von Ueberlegungen eine Willensaͤußerung her-
vorbringen. Ueberhaupt aber faͤngt jede ſolche Reihe,
ſo weit ſie in der Seele iſt, mit einer Jmpreſſion auf
die Seele an, und muß, woferne ſie von einigem Ein-
fluß auf die nachher im Koͤrper erfolgenden Veraͤnderun-
gen ſeyn ſoll, ſich mit einer Aktion der Seele auf den
Koͤrper endigen, welche in einer Anwendung ihrer thaͤ-
tigen Kraft beſtehet. Denn wenn ſie bloß angenommen
und gefuͤhlet, auch wohl uͤberdacht wird, ohne daß eine
Veraͤnderung im Koͤrper von dem Zuthun der Seele
erfolget: ſo verhaͤlt die Seele ſich bey ihr bloß wie ein
muͤßiger Zuſchauer, auf den nicht zu rechnen iſt, wenn
die phyſiſchen Verknuͤpfungen zu unterſuchen ſind.
Es eraͤugnet ſich oft genug, daß die Seele eine Be-
wegung hervorbringen will, und ſich dazu bemuͤhet, die
dennoch auf ihr Beſtreben nicht erfolget. Aber wir koͤn-
nen dieſe Faͤlle hier uͤbergehen und nur auf ſolche Ruͤck-
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geſchieht, was die Seele will, und wohin ſie ihre Kraft
anwendet; und wo alſo der Erfolg zum Theil als eine
Wirkung von ihrer bewegenden Kraft abhanget. Jn
der Seele ſelbſt machen die Jdeenreihen in dieſen Faͤllen
gleichſam die Leiter aus, uͤber und durch welche die
Fortpflanzung geſchieht, wie die Nerven in dem Koͤrper
bey den Bewegungen. Und dieſelbige Jmpreſſion oder
Empfindung in der Seele kann mit demſelbigen Wollen,
oder mit derſelbigen Kraftaͤußerung auf den Koͤrper,
durch mehrere verſchiedene Jdeenreihen verbunden ſeyn,
und auch hier bald uͤber einen laͤngern bald einen kuͤrzern
Weg fortgehen.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/338>, abgerufen am 22.11.2024.
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