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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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XIII. Versuch. Ueber das Seelenwesen
Nerven- und Muskelkräften, das ist, der ganze thie-
rische Körper
mit allen seinen innern und äußern
Theilen, nur das Vorstellungswerkzeug ausgenommen,
den zweeten wesentlichen Bestandtheil ausmachet. Der
organisirte Körper hat vermöge der Organisation seine
eignen körperlichen Kräfte; und die Seele hat die ihrigen,
die man Vorstellungskräfte, oder mit Hrn. Unzer
Seelenkräfte
nennen kann, so wie jene im Gegensatz
Nervenkräfte; obgleich die eigentlichen Nervenkräfte,
die von besonderer Natur sind, noch wiederum von den
bloß mechanischen Kräften, das ist, von solchen,
die wir auch bey unorganischen Körpern und Materien
antreffen, unterschieden werden können, und auch in
gewissen Hinsichten unterschieden werden müssen. Zu
jenen gehören die Empfindlichkeit in den Nerven
und die Reizbarkeit in den Muskeln, die uns zur Zeit
noch sehr unbekannt, und größtentheils bloß Eigenschaf-
ten der Thiere sind; obgleich allerdings auch einigen
Pflanzen, und einigen Theilen anderer Pflanzen, ein
gewisser Grad davon zuzukommen scheinet. *) Die
Wirkungen aller dieser körperlichen Kräfte aber, sie mö-
gen bloß mechanische seyn, oder aus der Organisation
entspringen, oder nur der vollkommnern Organisation
der thierischen Körper eigen seyn, bestehen bey dem
Menschen überhaupt theils in Bewegungen, die sie in
dem Körper hervorbringen, und theils in den innern
Jmpressionen, die sie der Seele zuführen, wodurch
diese ihrer Natur gemäß modificiret und zur Thätig-
keit erreget wird.

Hier
*) S. des Hrn. Medicus Aufsatz, von der Neigung der
Pflanzen sich zu begatten,
in der Hist. et Comment.
Acad. Theodoro-Palatinae Vol. III.
S. 116. Jnglei-
chen die Rede des Grafen Joh. Baptist von Corolo,
über die Reizbarkeit einiger Blumen,
übersetzt in dem
Naturforscher, 6. Stück S. 216. ff.

XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen
Nerven- und Muskelkraͤften, das iſt, der ganze thie-
riſche Koͤrper
mit allen ſeinen innern und aͤußern
Theilen, nur das Vorſtellungswerkzeug ausgenommen,
den zweeten weſentlichen Beſtandtheil ausmachet. Der
organiſirte Koͤrper hat vermoͤge der Organiſation ſeine
eignen koͤrperlichen Kraͤfte; und die Seele hat die ihrigen,
die man Vorſtellungskraͤfte, oder mit Hrn. Unzer
Seelenkraͤfte
nennen kann, ſo wie jene im Gegenſatz
Nervenkraͤfte; obgleich die eigentlichen Nervenkraͤfte,
die von beſonderer Natur ſind, noch wiederum von den
bloß mechaniſchen Kraͤften, das iſt, von ſolchen,
die wir auch bey unorganiſchen Koͤrpern und Materien
antreffen, unterſchieden werden koͤnnen, und auch in
gewiſſen Hinſichten unterſchieden werden muͤſſen. Zu
jenen gehoͤren die Empfindlichkeit in den Nerven
und die Reizbarkeit in den Muskeln, die uns zur Zeit
noch ſehr unbekannt, und groͤßtentheils bloß Eigenſchaf-
ten der Thiere ſind; obgleich allerdings auch einigen
Pflanzen, und einigen Theilen anderer Pflanzen, ein
gewiſſer Grad davon zuzukommen ſcheinet. *) Die
Wirkungen aller dieſer koͤrperlichen Kraͤfte aber, ſie moͤ-
gen bloß mechaniſche ſeyn, oder aus der Organiſation
entſpringen, oder nur der vollkommnern Organiſation
der thieriſchen Koͤrper eigen ſeyn, beſtehen bey dem
Menſchen uͤberhaupt theils in Bewegungen, die ſie in
dem Koͤrper hervorbringen, und theils in den innern
Jmpreſſionen, die ſie der Seele zufuͤhren, wodurch
dieſe ihrer Natur gemaͤß modificiret und zur Thaͤtig-
keit erreget wird.

Hier
*) S. des Hrn. Medicus Aufſatz, von der Neigung der
Pflanzen ſich zu begatten,
in der Hiſt. et Comment.
Acad. Theodoro-Palatinae Vol. III.
S. 116. Jnglei-
chen die Rede des Grafen Joh. Baptiſt von Corolo,
uͤber die Reizbarkeit einiger Blumen,
uͤberſetzt in dem
Naturforſcher, 6. Stuͤck S. 216. ff.
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[304/0334] XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen Nerven- und Muskelkraͤften, das iſt, der ganze thie- riſche Koͤrper mit allen ſeinen innern und aͤußern Theilen, nur das Vorſtellungswerkzeug ausgenommen, den zweeten weſentlichen Beſtandtheil ausmachet. Der organiſirte Koͤrper hat vermoͤge der Organiſation ſeine eignen koͤrperlichen Kraͤfte; und die Seele hat die ihrigen, die man Vorſtellungskraͤfte, oder mit Hrn. Unzer Seelenkraͤfte nennen kann, ſo wie jene im Gegenſatz Nervenkraͤfte; obgleich die eigentlichen Nervenkraͤfte, die von beſonderer Natur ſind, noch wiederum von den bloß mechaniſchen Kraͤften, das iſt, von ſolchen, die wir auch bey unorganiſchen Koͤrpern und Materien antreffen, unterſchieden werden koͤnnen, und auch in gewiſſen Hinſichten unterſchieden werden muͤſſen. Zu jenen gehoͤren die Empfindlichkeit in den Nerven und die Reizbarkeit in den Muskeln, die uns zur Zeit noch ſehr unbekannt, und groͤßtentheils bloß Eigenſchaf- ten der Thiere ſind; obgleich allerdings auch einigen Pflanzen, und einigen Theilen anderer Pflanzen, ein gewiſſer Grad davon zuzukommen ſcheinet. *) Die Wirkungen aller dieſer koͤrperlichen Kraͤfte aber, ſie moͤ- gen bloß mechaniſche ſeyn, oder aus der Organiſation entſpringen, oder nur der vollkommnern Organiſation der thieriſchen Koͤrper eigen ſeyn, beſtehen bey dem Menſchen uͤberhaupt theils in Bewegungen, die ſie in dem Koͤrper hervorbringen, und theils in den innern Jmpreſſionen, die ſie der Seele zufuͤhren, wodurch dieſe ihrer Natur gemaͤß modificiret und zur Thaͤtig- keit erreget wird. Hier *) S. des Hrn. Medicus Aufſatz, von der Neigung der Pflanzen ſich zu begatten, in der Hiſt. et Comment. Acad. Theodoro-Palatinae Vol. III. S. 116. Jnglei- chen die Rede des Grafen Joh. Baptiſt von Corolo, uͤber die Reizbarkeit einiger Blumen, uͤberſetzt in dem Naturforſcher, 6. Stuͤck S. 216. ff.

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/334>, abgerufen am 22.11.2024.