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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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im Menschen.
zunehmen, vorher nicht, als sie noch unberührte Jung-
ferfiber
(fibre vierge) war. Die äußere Empfin-
dung mußte ihr solche beybringen, entweder dadurch,
daß sie ein Hinderniß sich auf diese Art zu bewegen
wegnahm, oder ihr gewisse Theile zusetzte, oder sie stär-
ker spannte, oder ihren Theilen eine gewisse Lage bey-
brachte, oder auf welche Art man sichs am besten ver-
meinet vorstellen zu können. Genug, das Faktum
ist da, und es ist eine Folge von dem Mechanismus
des Gehirns. Jn diesem bleiben die Spuren von den
Empfindungen zurück, welche die ruhenden materiellen
Jdeen ausmachen.

Zu jeder verschiedenen Jmpression von außen,
aus der eine Vorstellung eines Objekts entstehet, ge-
hört auch eine eigene besondere Fiber. Die näm-
liche Fiber kann nicht zu zwoen sinnlichen Bewegungen
die nähern Dispositionen aufnehmen. Die Leichtigkeit
zu der Einen würde sich mit der Leichtigkeit zu der an-
dern verwirren und in Eine zusammenfließen; und
dann könnten die Vorstellungen solcher Dinge nicht un-
terschiedene Vorstellungen bleiben. Dieser Satz und
seine Folgen machen eigentlich nur eine Nebenbetrach-
tung aus, die sich von den übrigen absondern läßt.
Aber Hr. Bonnet hält sie für nothwendige Theile des
ganzen Systems, ohne welche nicht Licht genug darein
gebracht werden könne.

Die Seele, ein immaterielles, von dem Kör-
per und dem Gehirn ganz unterschiedenes und mit diesem
unvergleichbares Wesen, -- denn Hr. Bonnet konnte
Denken und Bewußtseyn in dem Körper nicht finden,
weil seine Hypothese unter den übrigen die näch-
ste bey dem Materialismus ist; -- diese Seele em-
pfindet und wird auf eine gewisse Art modificirt, wenn
in dem Gehirn die sinnliche Bewegung, z. B. die Jm-
pression auf das Werkzeug des Geruchs von der Nelke,

ent-
II Theil. Q

im Menſchen.
zunehmen, vorher nicht, als ſie noch unberuͤhrte Jung-
ferfiber
(fibre vierge) war. Die aͤußere Empfin-
dung mußte ihr ſolche beybringen, entweder dadurch,
daß ſie ein Hinderniß ſich auf dieſe Art zu bewegen
wegnahm, oder ihr gewiſſe Theile zuſetzte, oder ſie ſtaͤr-
ker ſpannte, oder ihren Theilen eine gewiſſe Lage bey-
brachte, oder auf welche Art man ſichs am beſten ver-
meinet vorſtellen zu koͤnnen. Genug, das Faktum
iſt da, und es iſt eine Folge von dem Mechaniſmus
des Gehirns. Jn dieſem bleiben die Spuren von den
Empfindungen zuruͤck, welche die ruhenden materiellen
Jdeen ausmachen.

Zu jeder verſchiedenen Jmpreſſion von außen,
aus der eine Vorſtellung eines Objekts entſtehet, ge-
hoͤrt auch eine eigene beſondere Fiber. Die naͤm-
liche Fiber kann nicht zu zwoen ſinnlichen Bewegungen
die naͤhern Diſpoſitionen aufnehmen. Die Leichtigkeit
zu der Einen wuͤrde ſich mit der Leichtigkeit zu der an-
dern verwirren und in Eine zuſammenfließen; und
dann koͤnnten die Vorſtellungen ſolcher Dinge nicht un-
terſchiedene Vorſtellungen bleiben. Dieſer Satz und
ſeine Folgen machen eigentlich nur eine Nebenbetrach-
tung aus, die ſich von den uͤbrigen abſondern laͤßt.
Aber Hr. Bonnet haͤlt ſie fuͤr nothwendige Theile des
ganzen Syſtems, ohne welche nicht Licht genug darein
gebracht werden koͤnne.

Die Seele, ein immaterielles, von dem Koͤr-
per und dem Gehirn ganz unterſchiedenes und mit dieſem
unvergleichbares Weſen, — denn Hr. Bonnet konnte
Denken und Bewußtſeyn in dem Koͤrper nicht finden,
weil ſeine Hypotheſe unter den uͤbrigen die naͤch-
ſte bey dem Materialiſmus iſt; — dieſe Seele em-
pfindet und wird auf eine gewiſſe Art modificirt, wenn
in dem Gehirn die ſinnliche Bewegung, z. B. die Jm-
preſſion auf das Werkzeug des Geruchs von der Nelke,

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II Theil. Q
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[241/0271] im Menſchen. zunehmen, vorher nicht, als ſie noch unberuͤhrte Jung- ferfiber (fibre vierge) war. Die aͤußere Empfin- dung mußte ihr ſolche beybringen, entweder dadurch, daß ſie ein Hinderniß ſich auf dieſe Art zu bewegen wegnahm, oder ihr gewiſſe Theile zuſetzte, oder ſie ſtaͤr- ker ſpannte, oder ihren Theilen eine gewiſſe Lage bey- brachte, oder auf welche Art man ſichs am beſten ver- meinet vorſtellen zu koͤnnen. Genug, das Faktum iſt da, und es iſt eine Folge von dem Mechaniſmus des Gehirns. Jn dieſem bleiben die Spuren von den Empfindungen zuruͤck, welche die ruhenden materiellen Jdeen ausmachen. Zu jeder verſchiedenen Jmpreſſion von außen, aus der eine Vorſtellung eines Objekts entſtehet, ge- hoͤrt auch eine eigene beſondere Fiber. Die naͤm- liche Fiber kann nicht zu zwoen ſinnlichen Bewegungen die naͤhern Diſpoſitionen aufnehmen. Die Leichtigkeit zu der Einen wuͤrde ſich mit der Leichtigkeit zu der an- dern verwirren und in Eine zuſammenfließen; und dann koͤnnten die Vorſtellungen ſolcher Dinge nicht un- terſchiedene Vorſtellungen bleiben. Dieſer Satz und ſeine Folgen machen eigentlich nur eine Nebenbetrach- tung aus, die ſich von den uͤbrigen abſondern laͤßt. Aber Hr. Bonnet haͤlt ſie fuͤr nothwendige Theile des ganzen Syſtems, ohne welche nicht Licht genug darein gebracht werden koͤnne. Die Seele, ein immaterielles, von dem Koͤr- per und dem Gehirn ganz unterſchiedenes und mit dieſem unvergleichbares Weſen, — denn Hr. Bonnet konnte Denken und Bewußtſeyn in dem Koͤrper nicht finden, weil ſeine Hypotheſe unter den uͤbrigen die naͤch- ſte bey dem Materialiſmus iſt; — dieſe Seele em- pfindet und wird auf eine gewiſſe Art modificirt, wenn in dem Gehirn die ſinnliche Bewegung, z. B. die Jm- preſſion auf das Werkzeug des Geruchs von der Nelke, ent- II Theil. Q

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/271>, abgerufen am 24.11.2024.