stoßen oder geschlagen wird. Es entstehen also mate- rielle Jdeen von Licht und Feuer, ohne daß ein Feuer außer den Augen vorhanden sey. Das nämliche wird durch eine Menge von optischen Erscheinungen, be- sonders durch die so genannten zufälligen Farben, oder veränderlichen Scheinfarben, die in uns ent- stehen, ohne daß äußere Gegenstände vor uns sind, wo- durch auf die gewöhnliche Weise die materiellen Bilder von solchen Farben erreget werden könnten, bestätiget. Wir haben also sinnliche Bewegungen im Gehirn, wel- che zu gewissen Jdeen in der Seele gehören, und in dem Gehirn hervorgebracht werden, ohne daß die ge- wöhnliche Jmpression von außen vorhanden sey. Und auch ist es die Seele nicht, welche sie hervorbringet.
2.
Jn diesem Erfahrungssatz, daß gewisse sinnliche Bewegungen im Gehirn durch mehr als Eine Ursache entstehen können, obgleich zwischen diesen Ursachen we- nig Aehnlichkeit zu seyn scheinet, hat man einen Ge- meinort, aus dem sich eine Menge von Erklärungen herholen lassen, wenn der Vertheidiger der gemeinen Hypothese Schwierigkeiten auflösen soll, die ihm aus gewissen Faktis entgegengesetzt werden. Denn da es Eindrücke im Gehirn giebt, wovon man vielleicht glau- ben kann, daß sie durch die Thätigkeit der Seele be- wirket werden, und die doch auch von einer Reproduk- tionskraft des Gehirns nicht entstehen können, weil das Gehirn dergleichen nicht besitzet, so müssen sie jedesmal, wenn sie vorhanden sind, äußerliche Ursachen haben, wovon sie herrühren. Sind nun die gewöhnlichen nicht da, so können es andere seyn, die jenen zwar in man- chen Hinsichten unähnlich sind, aber doch unter gewis- sen Umständen ähnliche Bewegungen im Gehirn her- vorbringen.
So
P 2
im Menſchen.
ſtoßen oder geſchlagen wird. Es entſtehen alſo mate- rielle Jdeen von Licht und Feuer, ohne daß ein Feuer außer den Augen vorhanden ſey. Das naͤmliche wird durch eine Menge von optiſchen Erſcheinungen, be- ſonders durch die ſo genannten zufaͤlligen Farben, oder veraͤnderlichen Scheinfarben, die in uns ent- ſtehen, ohne daß aͤußere Gegenſtaͤnde vor uns ſind, wo- durch auf die gewoͤhnliche Weiſe die materiellen Bilder von ſolchen Farben erreget werden koͤnnten, beſtaͤtiget. Wir haben alſo ſinnliche Bewegungen im Gehirn, wel- che zu gewiſſen Jdeen in der Seele gehoͤren, und in dem Gehirn hervorgebracht werden, ohne daß die ge- woͤhnliche Jmpreſſion von außen vorhanden ſey. Und auch iſt es die Seele nicht, welche ſie hervorbringet.
2.
Jn dieſem Erfahrungsſatz, daß gewiſſe ſinnliche Bewegungen im Gehirn durch mehr als Eine Urſache entſtehen koͤnnen, obgleich zwiſchen dieſen Urſachen we- nig Aehnlichkeit zu ſeyn ſcheinet, hat man einen Ge- meinort, aus dem ſich eine Menge von Erklaͤrungen herholen laſſen, wenn der Vertheidiger der gemeinen Hypotheſe Schwierigkeiten aufloͤſen ſoll, die ihm aus gewiſſen Faktis entgegengeſetzt werden. Denn da es Eindruͤcke im Gehirn giebt, wovon man vielleicht glau- ben kann, daß ſie durch die Thaͤtigkeit der Seele be- wirket werden, und die doch auch von einer Reproduk- tionskraft des Gehirns nicht entſtehen koͤnnen, weil das Gehirn dergleichen nicht beſitzet, ſo muͤſſen ſie jedesmal, wenn ſie vorhanden ſind, aͤußerliche Urſachen haben, wovon ſie herruͤhren. Sind nun die gewoͤhnlichen nicht da, ſo koͤnnen es andere ſeyn, die jenen zwar in man- chen Hinſichten unaͤhnlich ſind, aber doch unter gewiſ- ſen Umſtaͤnden aͤhnliche Bewegungen im Gehirn her- vorbringen.
So
P 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0257"n="227"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">im Menſchen.</hi></fw><lb/>ſtoßen oder geſchlagen wird. Es entſtehen alſo mate-<lb/>
rielle Jdeen von Licht und Feuer, ohne daß ein Feuer<lb/>
außer den Augen vorhanden ſey. Das naͤmliche wird<lb/>
durch eine Menge von optiſchen Erſcheinungen, be-<lb/>ſonders durch die ſo genannten <hirendition="#fr">zufaͤlligen Farben,</hi><lb/>
oder <hirendition="#fr">veraͤnderlichen Scheinfarben,</hi> die in uns ent-<lb/>ſtehen, ohne daß aͤußere Gegenſtaͤnde vor uns ſind, wo-<lb/>
durch auf die gewoͤhnliche Weiſe die materiellen Bilder<lb/>
von ſolchen Farben erreget werden koͤnnten, beſtaͤtiget.<lb/>
Wir haben alſo ſinnliche Bewegungen im Gehirn, wel-<lb/>
che zu gewiſſen Jdeen in der Seele gehoͤren, und in<lb/>
dem Gehirn hervorgebracht werden, ohne daß die ge-<lb/>
woͤhnliche Jmpreſſion von außen vorhanden ſey. Und<lb/>
auch iſt es die Seele nicht, welche ſie hervorbringet.</p></div><lb/><divn="3"><head>2.</head><lb/><p>Jn dieſem Erfahrungsſatz, daß gewiſſe ſinnliche<lb/>
Bewegungen im Gehirn durch mehr als Eine Urſache<lb/>
entſtehen koͤnnen, obgleich zwiſchen dieſen Urſachen we-<lb/>
nig Aehnlichkeit zu ſeyn ſcheinet, hat man einen Ge-<lb/>
meinort, aus dem ſich eine Menge von Erklaͤrungen<lb/>
herholen laſſen, wenn der Vertheidiger der gemeinen<lb/>
Hypotheſe Schwierigkeiten aufloͤſen ſoll, die ihm aus<lb/>
gewiſſen Faktis entgegengeſetzt werden. Denn da es<lb/>
Eindruͤcke im Gehirn giebt, wovon man vielleicht glau-<lb/>
ben kann, daß ſie durch die Thaͤtigkeit der Seele be-<lb/>
wirket werden, und die doch auch von einer Reproduk-<lb/>
tionskraft des Gehirns nicht entſtehen koͤnnen, weil das<lb/>
Gehirn dergleichen nicht beſitzet, ſo muͤſſen ſie jedesmal,<lb/>
wenn ſie vorhanden ſind, aͤußerliche Urſachen haben,<lb/>
wovon ſie herruͤhren. Sind nun die gewoͤhnlichen nicht<lb/>
da, ſo koͤnnen es andere ſeyn, die jenen zwar in man-<lb/>
chen Hinſichten unaͤhnlich ſind, aber doch unter gewiſ-<lb/>ſen Umſtaͤnden aͤhnliche Bewegungen im Gehirn her-<lb/>
vorbringen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">P 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">So</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[227/0257]
im Menſchen.
ſtoßen oder geſchlagen wird. Es entſtehen alſo mate-
rielle Jdeen von Licht und Feuer, ohne daß ein Feuer
außer den Augen vorhanden ſey. Das naͤmliche wird
durch eine Menge von optiſchen Erſcheinungen, be-
ſonders durch die ſo genannten zufaͤlligen Farben,
oder veraͤnderlichen Scheinfarben, die in uns ent-
ſtehen, ohne daß aͤußere Gegenſtaͤnde vor uns ſind, wo-
durch auf die gewoͤhnliche Weiſe die materiellen Bilder
von ſolchen Farben erreget werden koͤnnten, beſtaͤtiget.
Wir haben alſo ſinnliche Bewegungen im Gehirn, wel-
che zu gewiſſen Jdeen in der Seele gehoͤren, und in
dem Gehirn hervorgebracht werden, ohne daß die ge-
woͤhnliche Jmpreſſion von außen vorhanden ſey. Und
auch iſt es die Seele nicht, welche ſie hervorbringet.
2.
Jn dieſem Erfahrungsſatz, daß gewiſſe ſinnliche
Bewegungen im Gehirn durch mehr als Eine Urſache
entſtehen koͤnnen, obgleich zwiſchen dieſen Urſachen we-
nig Aehnlichkeit zu ſeyn ſcheinet, hat man einen Ge-
meinort, aus dem ſich eine Menge von Erklaͤrungen
herholen laſſen, wenn der Vertheidiger der gemeinen
Hypotheſe Schwierigkeiten aufloͤſen ſoll, die ihm aus
gewiſſen Faktis entgegengeſetzt werden. Denn da es
Eindruͤcke im Gehirn giebt, wovon man vielleicht glau-
ben kann, daß ſie durch die Thaͤtigkeit der Seele be-
wirket werden, und die doch auch von einer Reproduk-
tionskraft des Gehirns nicht entſtehen koͤnnen, weil das
Gehirn dergleichen nicht beſitzet, ſo muͤſſen ſie jedesmal,
wenn ſie vorhanden ſind, aͤußerliche Urſachen haben,
wovon ſie herruͤhren. Sind nun die gewoͤhnlichen nicht
da, ſo koͤnnen es andere ſeyn, die jenen zwar in man-
chen Hinſichten unaͤhnlich ſind, aber doch unter gewiſ-
ſen Umſtaͤnden aͤhnliche Bewegungen im Gehirn her-
vorbringen.
So
P 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/257>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.