solute Aktion der einzelnen Theile, die jedes einzeln für sich äußert, oder es ist ein Aggregat derselben verei- niget in Einem, oder der Jnbegriff von den absoluten Aktionen durch alle vertheilet. Aber das letzte ist nichts, als eine Menge von mehrern gleichzeitigen Aeußerun- gen, die, wofern nicht jedwede einzelne für sich ein Ge- fühl ist, auch keine Summe von Gefühlen ausmacht. Denn in dem angenommenen Fall wird die Summe von den einzelnen Aktionen nur zum Gefühl dadurch, daß sie kollektive genommen werden, das ist, nur dadurch, daß sie ihre Wirkungen in Einem Dinge zusammen- bringen, und in dieser einen Schein bewirken. Und dieß letztere ist so wenig gedenkbar, ohne daß irgendwo in einem Wesen, als in einem Mittelpunkt, diese Kol- lektion vorgehe, daß auch selbst die Folgerung, daß ei- ne dreyseitige Figur drey Winkel haben muß, nicht evi- denter seyn kann.
Wird nun z. B. ein Eindruck von dem vor mir ste- henden Menschen auf das fühlende Jch hervorgebracht, so mag auf der innern zusammengesetzten Seele ein sol- ches Bild entstehen, wie auf dem Papier, worauf eine Zeichnung gebracht wird, oder wie das Bild auf der Netzhaut ist, das sich auf mehrere Nerven verbreitet. Ein Theil mag den Kopf, ein anderer den Leib, ein dritter die Arme fassen, und ein vierter die Eindrücke von den Füßen aufnehmen. Aber sollen diese Eindrücke nun erst vereiniget das Gefühl und die Vorstellung des Ganzen ausmachen, so müssen jene Theile in der innigsten Verbindung mit einander stehen, und jeder sich jedem mittheilen. Alle Veränderungen in allen Theilen müssen, so zu sagen, in ihren Wirkungen durch einander laufen, und entweder in jedem einzelnen einfachen Wesen sich vereinigen, oder nur in Einem von ihnen; oder in einem andern Wesen, das zu die- sem Haufen nicht hingehört.
Eben-
im |Menſchen.
ſolute Aktion der einzelnen Theile, die jedes einzeln fuͤr ſich aͤußert, oder es iſt ein Aggregat derſelben verei- niget in Einem, oder der Jnbegriff von den abſoluten Aktionen durch alle vertheilet. Aber das letzte iſt nichts, als eine Menge von mehrern gleichzeitigen Aeußerun- gen, die, wofern nicht jedwede einzelne fuͤr ſich ein Ge- fuͤhl iſt, auch keine Summe von Gefuͤhlen ausmacht. Denn in dem angenommenen Fall wird die Summe von den einzelnen Aktionen nur zum Gefuͤhl dadurch, daß ſie kollektive genommen werden, das iſt, nur dadurch, daß ſie ihre Wirkungen in Einem Dinge zuſammen- bringen, und in dieſer einen Schein bewirken. Und dieß letztere iſt ſo wenig gedenkbar, ohne daß irgendwo in einem Weſen, als in einem Mittelpunkt, dieſe Kol- lektion vorgehe, daß auch ſelbſt die Folgerung, daß ei- ne dreyſeitige Figur drey Winkel haben muß, nicht evi- denter ſeyn kann.
Wird nun z. B. ein Eindruck von dem vor mir ſte- henden Menſchen auf das fuͤhlende Jch hervorgebracht, ſo mag auf der innern zuſammengeſetzten Seele ein ſol- ches Bild entſtehen, wie auf dem Papier, worauf eine Zeichnung gebracht wird, oder wie das Bild auf der Netzhaut iſt, das ſich auf mehrere Nerven verbreitet. Ein Theil mag den Kopf, ein anderer den Leib, ein dritter die Arme faſſen, und ein vierter die Eindruͤcke von den Fuͤßen aufnehmen. Aber ſollen dieſe Eindruͤcke nun erſt vereiniget das Gefuͤhl und die Vorſtellung des Ganzen ausmachen, ſo muͤſſen jene Theile in der innigſten Verbindung mit einander ſtehen, und jeder ſich jedem mittheilen. Alle Veraͤnderungen in allen Theilen muͤſſen, ſo zu ſagen, in ihren Wirkungen durch einander laufen, und entweder in jedem einzelnen einfachen Weſen ſich vereinigen, oder nur in Einem von ihnen; oder in einem andern Weſen, das zu die- ſem Haufen nicht hingehoͤrt.
Eben-
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im |Menſchen.
ſolute Aktion der einzelnen Theile, die jedes einzeln
fuͤr ſich aͤußert, oder es iſt ein Aggregat derſelben verei-
niget in Einem, oder der Jnbegriff von den abſoluten
Aktionen durch alle vertheilet. Aber das letzte iſt nichts,
als eine Menge von mehrern gleichzeitigen Aeußerun-
gen, die, wofern nicht jedwede einzelne fuͤr ſich ein Ge-
fuͤhl iſt, auch keine Summe von Gefuͤhlen ausmacht.
Denn in dem angenommenen Fall wird die Summe
von den einzelnen Aktionen nur zum Gefuͤhl dadurch,
daß ſie kollektive genommen werden, das iſt, nur dadurch,
daß ſie ihre Wirkungen in Einem Dinge zuſammen-
bringen, und in dieſer einen Schein bewirken. Und
dieß letztere iſt ſo wenig gedenkbar, ohne daß irgendwo
in einem Weſen, als in einem Mittelpunkt, dieſe Kol-
lektion vorgehe, daß auch ſelbſt die Folgerung, daß ei-
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ſo mag auf der innern zuſammengeſetzten Seele ein ſol-
ches Bild entſtehen, wie auf dem Papier, worauf eine
Zeichnung gebracht wird, oder wie das Bild auf der
Netzhaut iſt, das ſich auf mehrere Nerven verbreitet.
Ein Theil mag den Kopf, ein anderer den Leib, ein
dritter die Arme faſſen, und ein vierter die Eindruͤcke
von den Fuͤßen aufnehmen. Aber ſollen dieſe Eindruͤcke
nun erſt vereiniget das Gefuͤhl und die Vorſtellung
des Ganzen ausmachen, ſo muͤſſen jene Theile in der
innigſten Verbindung mit einander ſtehen, und jeder
ſich jedem mittheilen. Alle Veraͤnderungen in allen
Theilen muͤſſen, ſo zu ſagen, in ihren Wirkungen
durch einander laufen, und entweder in jedem einzelnen
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/235>, abgerufen am 24.11.2024.
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