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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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XIII. Versuch. Ueber das Seelenwesen
Seele sich befassen zu können? Da beide Partheyen,
die in der Psychologie als Materialisten und Jmma-
terialisten sich entgegen sind, gewöhnlicher Weise sich
über jenen Grundsatz vereinbaret haben, oder es doch
vorher noch thun müßten, ehe sie über die Natur der
Seele besonders mit einander sich einlassen: so deucht
mich, man könne bey diesem Grundsatz einen festen
Punkt annehmen, und, ohne weiter in metaphysische
Untersuchungen hinein zu gehen, voraussetzen, daß es
solche Einheiten gebe, und daß die Seele, auch wenn
sie Materie und Körper ist, aus solchen bestehen müsse.

Dieser Grundbegriff von der substantiellen Ein-
heit
ist sehr einfach. Sie ist ein für sich bestehendes
Ding. Das Materielle ist etwas, welches mehrere
solche Einheiten als seine Theile in sich hat. Alle
Veränderungen in jener sind Veränderungen in einer
und eben derselbigen Kraft; in einem und demselbigen
Dinge; dagegen in der Materie, so genau auch ihre
Theile mit einander vereiniget sind, dennoch jedes einzel-
ne Element seine eigne Kraft wie sein eignes Bestehen
hat. Einer ihrer Bestandtheile ist nicht der andere;
die Kraft der einen Monade ist nicht die Kraft der an-
dern. Die Veränderung in der Einen ist nicht die Ver-
änderung in der zwoten, so innig sich diese auch einan-
der mittheilen. Dieß ist eine leicht auffallende Folge-
rung aus dem Vorhergehenden.

2.

Dieß ist noch nicht alles, was vorher zu thun ist,
ehe wir die Sache völlig im Freyen vor uns haben.
Wäre es nur etwan um solche Erinnerungen zu thun,
die für den Metaphysiker brauchbar sind, wenn er seine
Spekulationen über die Substanzen mehr berichtigen
und bestimmen will: so würde ich sie hier vorbeylassen.
Aber da gewöhnlicher Menschenverstand, der ohne all-

gemeine

XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen
Seele ſich befaſſen zu koͤnnen? Da beide Partheyen,
die in der Pſychologie als Materialiſten und Jmma-
terialiſten ſich entgegen ſind, gewoͤhnlicher Weiſe ſich
uͤber jenen Grundſatz vereinbaret haben, oder es doch
vorher noch thun muͤßten, ehe ſie uͤber die Natur der
Seele beſonders mit einander ſich einlaſſen: ſo deucht
mich, man koͤnne bey dieſem Grundſatz einen feſten
Punkt annehmen, und, ohne weiter in metaphyſiſche
Unterſuchungen hinein zu gehen, vorausſetzen, daß es
ſolche Einheiten gebe, und daß die Seele, auch wenn
ſie Materie und Koͤrper iſt, aus ſolchen beſtehen muͤſſe.

Dieſer Grundbegriff von der ſubſtantiellen Ein-
heit
iſt ſehr einfach. Sie iſt ein fuͤr ſich beſtehendes
Ding. Das Materielle iſt etwas, welches mehrere
ſolche Einheiten als ſeine Theile in ſich hat. Alle
Veraͤnderungen in jener ſind Veraͤnderungen in einer
und eben derſelbigen Kraft; in einem und demſelbigen
Dinge; dagegen in der Materie, ſo genau auch ihre
Theile mit einander vereiniget ſind, dennoch jedes einzel-
ne Element ſeine eigne Kraft wie ſein eignes Beſtehen
hat. Einer ihrer Beſtandtheile iſt nicht der andere;
die Kraft der einen Monade iſt nicht die Kraft der an-
dern. Die Veraͤnderung in der Einen iſt nicht die Ver-
aͤnderung in der zwoten, ſo innig ſich dieſe auch einan-
der mittheilen. Dieß iſt eine leicht auffallende Folge-
rung aus dem Vorhergehenden.

2.

Dieß iſt noch nicht alles, was vorher zu thun iſt,
ehe wir die Sache voͤllig im Freyen vor uns haben.
Waͤre es nur etwan um ſolche Erinnerungen zu thun,
die fuͤr den Metaphyſiker brauchbar ſind, wenn er ſeine
Spekulationen uͤber die Subſtanzen mehr berichtigen
und beſtimmen will: ſo wuͤrde ich ſie hier vorbeylaſſen.
Aber da gewoͤhnlicher Menſchenverſtand, der ohne all-

gemeine
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[184/0214] XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen Seele ſich befaſſen zu koͤnnen? Da beide Partheyen, die in der Pſychologie als Materialiſten und Jmma- terialiſten ſich entgegen ſind, gewoͤhnlicher Weiſe ſich uͤber jenen Grundſatz vereinbaret haben, oder es doch vorher noch thun muͤßten, ehe ſie uͤber die Natur der Seele beſonders mit einander ſich einlaſſen: ſo deucht mich, man koͤnne bey dieſem Grundſatz einen feſten Punkt annehmen, und, ohne weiter in metaphyſiſche Unterſuchungen hinein zu gehen, vorausſetzen, daß es ſolche Einheiten gebe, und daß die Seele, auch wenn ſie Materie und Koͤrper iſt, aus ſolchen beſtehen muͤſſe. Dieſer Grundbegriff von der ſubſtantiellen Ein- heit iſt ſehr einfach. Sie iſt ein fuͤr ſich beſtehendes Ding. Das Materielle iſt etwas, welches mehrere ſolche Einheiten als ſeine Theile in ſich hat. Alle Veraͤnderungen in jener ſind Veraͤnderungen in einer und eben derſelbigen Kraft; in einem und demſelbigen Dinge; dagegen in der Materie, ſo genau auch ihre Theile mit einander vereiniget ſind, dennoch jedes einzel- ne Element ſeine eigne Kraft wie ſein eignes Beſtehen hat. Einer ihrer Beſtandtheile iſt nicht der andere; die Kraft der einen Monade iſt nicht die Kraft der an- dern. Die Veraͤnderung in der Einen iſt nicht die Ver- aͤnderung in der zwoten, ſo innig ſich dieſe auch einan- der mittheilen. Dieß iſt eine leicht auffallende Folge- rung aus dem Vorhergehenden. 2. Dieß iſt noch nicht alles, was vorher zu thun iſt, ehe wir die Sache voͤllig im Freyen vor uns haben. Waͤre es nur etwan um ſolche Erinnerungen zu thun, die fuͤr den Metaphyſiker brauchbar ſind, wenn er ſeine Spekulationen uͤber die Subſtanzen mehr berichtigen und beſtimmen will: ſo wuͤrde ich ſie hier vorbeylaſſen. Aber da gewoͤhnlicher Menſchenverſtand, der ohne all- gemeine

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/214>, abgerufen am 24.11.2024.