gehet, zusammen genommen, das Empfinden, das Denken, das Wollen.
Die Vereinigung dieser beiden Theile mit einander ist so innig, daß jedes Gleichniß, welches man von an- dern bekannten Arten von Vereinigungen hernimmt, um jene zu erläutern, etwas unanpassendes hat. Die Or- gel spielet nicht von selbst, und reißt den Finger des Spielers nicht zu den zugehörigen Bewegungen mit sich fort. Aber die Seelenmaschine geräth oft durch äußere Ursachen in Bewegungen, welche das Jch gerne nicht fühlen und unterdrücken möchte, aber es nicht kann. Sollte auch das, was in dem Denken vorge- het, nur allein aus diesem Grunde dem Jch zugeschrie- ben werden, weil die Bewegung des Denkorgans doch von der Wirksamkeit des Jchs abhänget, von diesem hervorgebracht, modificirt und unterhalten wird, so müßte man es auch alsdenn dem |Gehirn zuschreiben, wenn dieses die erste Ursache ist, von der die Thätigkeit des Jchs abhänget, die das Jch in Aktion setzet, und die Veränderungen in demselben bestimmet. Es muß also noch ein anderer Grund vorhanden seyn, der uns berechtigen kann, unser Jch für das eigentlich füh- lende und denkende Wesen zu halten, und das Ge- hirn für ein Jnstrument desselben, nicht aber umge- kehrt unser Jch für ein Jnstrument des Gehirns, wo- fern wir anders wirklich zu dieser Vorstellungsart einen wahren Grund aus unsern Beobachtungen haben können.
Noch weiter, wenn ich mich selbst und meine Aktio- nen fühle, was ist alsdenn das Objekt meines Ge- fühls? Die reine Beobachtung kann, wie gesagt, nichts anders antworten, als es sey das Jch, was ich fühle, das fühlende, denkende und wollende Ganze, das aus einem Körper und aus einer einfachen Seele bestehet, die eingekörperte Seele, oder wie mans nennen
will
XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen
gehet, zuſammen genommen, das Empfinden, das Denken, das Wollen.
Die Vereinigung dieſer beiden Theile mit einander iſt ſo innig, daß jedes Gleichniß, welches man von an- dern bekannten Arten von Vereinigungen hernimmt, um jene zu erlaͤutern, etwas unanpaſſendes hat. Die Or- gel ſpielet nicht von ſelbſt, und reißt den Finger des Spielers nicht zu den zugehoͤrigen Bewegungen mit ſich fort. Aber die Seelenmaſchine geraͤth oft durch aͤußere Urſachen in Bewegungen, welche das Jch gerne nicht fuͤhlen und unterdruͤcken moͤchte, aber es nicht kann. Sollte auch das, was in dem Denken vorge- het, nur allein aus dieſem Grunde dem Jch zugeſchrie- ben werden, weil die Bewegung des Denkorgans doch von der Wirkſamkeit des Jchs abhaͤnget, von dieſem hervorgebracht, modificirt und unterhalten wird, ſo muͤßte man es auch alsdenn dem |Gehirn zuſchreiben, wenn dieſes die erſte Urſache iſt, von der die Thaͤtigkeit des Jchs abhaͤnget, die das Jch in Aktion ſetzet, und die Veraͤnderungen in demſelben beſtimmet. Es muß alſo noch ein anderer Grund vorhanden ſeyn, der uns berechtigen kann, unſer Jch fuͤr das eigentlich fuͤh- lende und denkende Weſen zu halten, und das Ge- hirn fuͤr ein Jnſtrument deſſelben, nicht aber umge- kehrt unſer Jch fuͤr ein Jnſtrument des Gehirns, wo- fern wir anders wirklich zu dieſer Vorſtellungsart einen wahren Grund aus unſern Beobachtungen haben koͤnnen.
Noch weiter, wenn ich mich ſelbſt und meine Aktio- nen fuͤhle, was iſt alsdenn das Objekt meines Ge- fuͤhls? Die reine Beobachtung kann, wie geſagt, nichts anders antworten, als es ſey das Jch, was ich fuͤhle, das fuͤhlende, denkende und wollende Ganze, das aus einem Koͤrper und aus einer einfachen Seele beſtehet, die eingekoͤrperte Seele, oder wie mans nennen
will
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XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen
gehet, zuſammen genommen, das Empfinden, das
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Die Vereinigung dieſer beiden Theile mit einander
iſt ſo innig, daß jedes Gleichniß, welches man von an-
dern bekannten Arten von Vereinigungen hernimmt, um
jene zu erlaͤutern, etwas unanpaſſendes hat. Die Or-
gel ſpielet nicht von ſelbſt, und reißt den Finger des
Spielers nicht zu den zugehoͤrigen Bewegungen mit
ſich fort. Aber die Seelenmaſchine geraͤth oft durch
aͤußere Urſachen in Bewegungen, welche das Jch gerne
nicht fuͤhlen und unterdruͤcken moͤchte, aber es nicht
kann. Sollte auch das, was in dem Denken vorge-
het, nur allein aus dieſem Grunde dem Jch zugeſchrie-
ben werden, weil die Bewegung des Denkorgans doch
von der Wirkſamkeit des Jchs abhaͤnget, von dieſem
hervorgebracht, modificirt und unterhalten wird, ſo
muͤßte man es auch alsdenn dem |Gehirn zuſchreiben,
wenn dieſes die erſte Urſache iſt, von der die Thaͤtigkeit
des Jchs abhaͤnget, die das Jch in Aktion ſetzet, und
die Veraͤnderungen in demſelben beſtimmet. Es muß
alſo noch ein anderer Grund vorhanden ſeyn, der uns
berechtigen kann, unſer Jch fuͤr das eigentlich fuͤh-
lende und denkende Weſen zu halten, und das Ge-
hirn fuͤr ein Jnſtrument deſſelben, nicht aber umge-
kehrt unſer Jch fuͤr ein Jnſtrument des Gehirns, wo-
fern wir anders wirklich zu dieſer Vorſtellungsart einen
wahren Grund aus unſern Beobachtungen haben
koͤnnen.
Noch weiter, wenn ich mich ſelbſt und meine Aktio-
nen fuͤhle, was iſt alsdenn das Objekt meines Ge-
fuͤhls? Die reine Beobachtung kann, wie geſagt, nichts
anders antworten, als es ſey das Jch, was ich fuͤhle,
das fuͤhlende, denkende und wollende Ganze, das aus
einem Koͤrper und aus einer einfachen Seele beſtehet,
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/200>, abgerufen am 24.11.2024.
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