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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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XII. Versuch. Ueber die Selbstthätigkeit
lig, in dem Verstande, wie es hier eben bestimmt ist.
Man kann in der Physik nicht demonstriren, sagte
Leibnitz, wie in der Geometrie; von welchem Ausdruck
man nicht allemal den vollen wahren Sinn gefaßt hat.
Die wirkenden Ursachen in der Natur haben unter den
gesetzten Umständen ihre Wirkungen; aber deswegen
ist es kein Widerspruch, daß die letztern fehlen, wenn
gleich jene mit allen ihren Erfodernissen und Umständen
vorhanden sind. Man kann nur alsdenn demonstriren,
daß die Wirkung erfolge, wenn man außer der Exi-
stenz der Ursachen auch noch die Bedingung, daß kein
Hinderniß in den Weg trete, unter die Prämissen auf-
nimmt; sonsten aber folget der Schlußsatz, daß die
Wirkung zu Stande komme, nicht aus den Vordersä-
tzen, worinnen die Ursache und ihre Umstände als exi-
stirend angenommen werden. Dieß ist ohne Zweifel ei-
ne vielbedeutende innere Zufälligkeit der Welt, die der
spinozistischen und stoischen Nothwendigkeit von den ge-
nannten Philosophen entgegengesetzt wird.

3.

Der Erfolg dagegen ist nothwendig an seinen zu-
reichenden Grund gebunden, wenn dieser, einmal so an-
genommen, wie er ist, die zwote Bedingung, daß kein
Hinderniß erfolge, so in sich enthält, daß diese letztere
aus dem erstern, wie eine Folgerung, hergeleitet werden
kann. Wenn die wirkende Ursache durch nichts um ih-
re Wirksamkeit während der Aktion gebracht, und jene
nicht einmal geschwächt werden kann; wenn das Objekt
ihr nicht entzogen werden kann; wenn die Ursache un-
widerstehlich wirket, und die Erfodernisse der Aktion
unveränderlich sind; wenn dieß alles beysammen ist: so
ist das Wirklichwerden des Effekts eine nothwendige
Folge von der Wirklichkeit des völligen Grundes. Die
Allmacht würde allemal nothwendig wirken, wofern
sie nicht die Allmacht eines freyen Wesens wäre, das

sich

XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
lig, in dem Verſtande, wie es hier eben beſtimmt iſt.
Man kann in der Phyſik nicht demonſtriren, ſagte
Leibnitz, wie in der Geometrie; von welchem Ausdruck
man nicht allemal den vollen wahren Sinn gefaßt hat.
Die wirkenden Urſachen in der Natur haben unter den
geſetzten Umſtaͤnden ihre Wirkungen; aber deswegen
iſt es kein Widerſpruch, daß die letztern fehlen, wenn
gleich jene mit allen ihren Erfoderniſſen und Umſtaͤnden
vorhanden ſind. Man kann nur alsdenn demonſtriren,
daß die Wirkung erfolge, wenn man außer der Exi-
ſtenz der Urſachen auch noch die Bedingung, daß kein
Hinderniß in den Weg trete, unter die Praͤmiſſen auf-
nimmt; ſonſten aber folget der Schlußſatz, daß die
Wirkung zu Stande komme, nicht aus den Vorderſaͤ-
tzen, worinnen die Urſache und ihre Umſtaͤnde als exi-
ſtirend angenommen werden. Dieß iſt ohne Zweifel ei-
ne vielbedeutende innere Zufaͤlligkeit der Welt, die der
ſpinoziſtiſchen und ſtoiſchen Nothwendigkeit von den ge-
nannten Philoſophen entgegengeſetzt wird.

3.

Der Erfolg dagegen iſt nothwendig an ſeinen zu-
reichenden Grund gebunden, wenn dieſer, einmal ſo an-
genommen, wie er iſt, die zwote Bedingung, daß kein
Hinderniß erfolge, ſo in ſich enthaͤlt, daß dieſe letztere
aus dem erſtern, wie eine Folgerung, hergeleitet werden
kann. Wenn die wirkende Urſache durch nichts um ih-
re Wirkſamkeit waͤhrend der Aktion gebracht, und jene
nicht einmal geſchwaͤcht werden kann; wenn das Objekt
ihr nicht entzogen werden kann; wenn die Urſache un-
widerſtehlich wirket, und die Erfoderniſſe der Aktion
unveraͤnderlich ſind; wenn dieß alles beyſammen iſt: ſo
iſt das Wirklichwerden des Effekts eine nothwendige
Folge von der Wirklichkeit des voͤlligen Grundes. Die
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ſie nicht die Allmacht eines freyen Weſens waͤre, das

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[140/0170] XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit lig, in dem Verſtande, wie es hier eben beſtimmt iſt. Man kann in der Phyſik nicht demonſtriren, ſagte Leibnitz, wie in der Geometrie; von welchem Ausdruck man nicht allemal den vollen wahren Sinn gefaßt hat. Die wirkenden Urſachen in der Natur haben unter den geſetzten Umſtaͤnden ihre Wirkungen; aber deswegen iſt es kein Widerſpruch, daß die letztern fehlen, wenn gleich jene mit allen ihren Erfoderniſſen und Umſtaͤnden vorhanden ſind. Man kann nur alsdenn demonſtriren, daß die Wirkung erfolge, wenn man außer der Exi- ſtenz der Urſachen auch noch die Bedingung, daß kein Hinderniß in den Weg trete, unter die Praͤmiſſen auf- nimmt; ſonſten aber folget der Schlußſatz, daß die Wirkung zu Stande komme, nicht aus den Vorderſaͤ- tzen, worinnen die Urſache und ihre Umſtaͤnde als exi- ſtirend angenommen werden. Dieß iſt ohne Zweifel ei- ne vielbedeutende innere Zufaͤlligkeit der Welt, die der ſpinoziſtiſchen und ſtoiſchen Nothwendigkeit von den ge- nannten Philoſophen entgegengeſetzt wird. 3. Der Erfolg dagegen iſt nothwendig an ſeinen zu- reichenden Grund gebunden, wenn dieſer, einmal ſo an- genommen, wie er iſt, die zwote Bedingung, daß kein Hinderniß erfolge, ſo in ſich enthaͤlt, daß dieſe letztere aus dem erſtern, wie eine Folgerung, hergeleitet werden kann. Wenn die wirkende Urſache durch nichts um ih- re Wirkſamkeit waͤhrend der Aktion gebracht, und jene nicht einmal geſchwaͤcht werden kann; wenn das Objekt ihr nicht entzogen werden kann; wenn die Urſache un- widerſtehlich wirket, und die Erfoderniſſe der Aktion unveraͤnderlich ſind; wenn dieß alles beyſammen iſt: ſo iſt das Wirklichwerden des Effekts eine nothwendige Folge von der Wirklichkeit des voͤlligen Grundes. Die Allmacht wuͤrde allemal nothwendig wirken, wofern ſie nicht die Allmacht eines freyen Weſens waͤre, das ſich

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/170>, abgerufen am 27.11.2024.