und so bleibet wie sie ist. Die Ursache selbst und das Gegentheil von ihrer Wirkung können also zugleich, in eben dem Zeitmoment, mit einander bestehen.
Ob etwa hier nicht alles unter dem zureichenden Grunde begriffen wird, was man sonsten darunter versteht? Die wirkende Ursache und ihre Kraft ma- chet freylich den gesammten zureichenden Grund noch nicht aus, und daher könnte man glauben, es lasse sich die obige Regel, daß die Ursache nur unter einer Be- dingung die Wirkung nach sich ziehe, nicht anwenden, wenn von dem zureichenden Grunde die Rede ist. Einige verlangen, daß unter dem völlig zureichenden und bestimmenden Grunde nicht nur alle innere und äus- sere Erfodernisse der Wirkung begriffen werden, sondern zugleich auch die Bedingung, daß sich kein Hinderniß eräugne. Wenn die Kugel, die im Begriff ist, auf ein porcellaines Gefäß herunter zu fallen, unterwegens aufgefangen wird, so fehlte nach dieser Jdee von dem zureichenden Grunde noch etwas daran, nämlich dieser Umstand, daß nichts zwischen der Kugel und dem Ge- fäße sich befinde, und auch nichts sich dazwischen lege, wodurch die Wirkung des Stoßes auf das Gefäß ver- hindert werde.
Es ist unnütz, um Worte sich zu streiten. Mich deucht, es sey in den angeführten Beyspielen ungemein leicht, alles dasjenige reelle und positive, was die Wirkung erheischet, und ohne welches sie so, wie sie erfolget, nicht erfolgen kann, von dieser Bedingung: "daß nur außerdem nichts neues hinderndes hinzukom- "men solle," abzusondern. Die letztere Bedingung er- fodert nicht, daß außer demjenigen, was schon als vor- handen angenommen wird, etwas positives oder reelles mehr da sey, nicht, daß eine neue Kraft, eine neue Richtung, eine neue Beziehung des Gegenstandes auf die Kraft zu dem, was schon da ist, hinzukomme, wo-
durch
XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
und ſo bleibet wie ſie iſt. Die Urſache ſelbſt und das Gegentheil von ihrer Wirkung koͤnnen alſo zugleich, in eben dem Zeitmoment, mit einander beſtehen.
Ob etwa hier nicht alles unter dem zureichenden Grunde begriffen wird, was man ſonſten darunter verſteht? Die wirkende Urſache und ihre Kraft ma- chet freylich den geſammten zureichenden Grund noch nicht aus, und daher koͤnnte man glauben, es laſſe ſich die obige Regel, daß die Urſache nur unter einer Be- dingung die Wirkung nach ſich ziehe, nicht anwenden, wenn von dem zureichenden Grunde die Rede iſt. Einige verlangen, daß unter dem voͤllig zureichenden und beſtimmenden Grunde nicht nur alle innere und aͤuſ- ſere Erfoderniſſe der Wirkung begriffen werden, ſondern zugleich auch die Bedingung, daß ſich kein Hinderniß eraͤugne. Wenn die Kugel, die im Begriff iſt, auf ein porcellaines Gefaͤß herunter zu fallen, unterwegens aufgefangen wird, ſo fehlte nach dieſer Jdee von dem zureichenden Grunde noch etwas daran, naͤmlich dieſer Umſtand, daß nichts zwiſchen der Kugel und dem Ge- faͤße ſich befinde, und auch nichts ſich dazwiſchen lege, wodurch die Wirkung des Stoßes auf das Gefaͤß ver- hindert werde.
Es iſt unnuͤtz, um Worte ſich zu ſtreiten. Mich deucht, es ſey in den angefuͤhrten Beyſpielen ungemein leicht, alles dasjenige reelle und poſitive, was die Wirkung erheiſchet, und ohne welches ſie ſo, wie ſie erfolget, nicht erfolgen kann, von dieſer Bedingung: „daß nur außerdem nichts neues hinderndes hinzukom- „men ſolle,‟ abzuſondern. Die letztere Bedingung er- fodert nicht, daß außer demjenigen, was ſchon als vor- handen angenommen wird, etwas poſitives oder reelles mehr da ſey, nicht, daß eine neue Kraft, eine neue Richtung, eine neue Beziehung des Gegenſtandes auf die Kraft zu dem, was ſchon da iſt, hinzukomme, wo-
durch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0166"n="136"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">XII.</hi> Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit</hi></fw><lb/>
und ſo bleibet wie ſie iſt. Die Urſache ſelbſt und das<lb/>
Gegentheil von ihrer Wirkung koͤnnen alſo <hirendition="#fr">zugleich,</hi><lb/>
in eben dem Zeitmoment, mit einander beſtehen.</p><lb/><p>Ob etwa hier nicht alles unter dem <hirendition="#fr">zureichenden<lb/>
Grunde</hi> begriffen wird, was man ſonſten darunter<lb/>
verſteht? Die <hirendition="#fr">wirkende Urſache</hi> und ihre Kraft ma-<lb/>
chet freylich den geſammten zureichenden Grund noch<lb/>
nicht aus, und daher koͤnnte man glauben, es laſſe ſich<lb/>
die obige Regel, daß die <hirendition="#fr">Urſache</hi> nur unter einer Be-<lb/>
dingung die Wirkung nach ſich ziehe, nicht anwenden,<lb/>
wenn von dem <hirendition="#fr">zureichenden Grunde</hi> die Rede iſt.<lb/>
Einige verlangen, daß unter dem voͤllig zureichenden<lb/>
und beſtimmenden Grunde nicht nur alle innere und aͤuſ-<lb/>ſere Erfoderniſſe der Wirkung begriffen werden, ſondern<lb/>
zugleich auch die Bedingung, daß ſich kein Hinderniß<lb/>
eraͤugne. Wenn die Kugel, die im Begriff iſt, auf<lb/>
ein porcellaines Gefaͤß herunter zu fallen, unterwegens<lb/>
aufgefangen wird, ſo fehlte nach dieſer Jdee von dem<lb/>
zureichenden Grunde noch etwas daran, naͤmlich dieſer<lb/>
Umſtand, daß nichts zwiſchen der Kugel und dem Ge-<lb/>
faͤße ſich befinde, und auch nichts ſich dazwiſchen lege,<lb/>
wodurch die Wirkung des Stoßes auf das Gefaͤß ver-<lb/>
hindert werde.</p><lb/><p>Es iſt unnuͤtz, um Worte ſich zu ſtreiten. Mich<lb/>
deucht, es ſey in den angefuͤhrten Beyſpielen ungemein<lb/>
leicht, alles dasjenige <hirendition="#fr">reelle</hi> und <hirendition="#fr">poſitive,</hi> was die<lb/>
Wirkung erheiſchet, und ohne welches ſie ſo, wie ſie<lb/>
erfolget, nicht erfolgen kann, von dieſer <hirendition="#fr">Bedingung:</hi><lb/>„daß nur außerdem nichts neues hinderndes hinzukom-<lb/>„men ſolle,‟ abzuſondern. Die letztere Bedingung er-<lb/>
fodert nicht, daß außer demjenigen, was ſchon als vor-<lb/>
handen angenommen wird, etwas poſitives oder reelles<lb/>
mehr da ſey, nicht, daß eine neue Kraft, eine neue<lb/>
Richtung, eine neue Beziehung des Gegenſtandes auf<lb/>
die Kraft zu dem, was ſchon da iſt, hinzukomme, wo-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">durch</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[136/0166]
XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
und ſo bleibet wie ſie iſt. Die Urſache ſelbſt und das
Gegentheil von ihrer Wirkung koͤnnen alſo zugleich,
in eben dem Zeitmoment, mit einander beſtehen.
Ob etwa hier nicht alles unter dem zureichenden
Grunde begriffen wird, was man ſonſten darunter
verſteht? Die wirkende Urſache und ihre Kraft ma-
chet freylich den geſammten zureichenden Grund noch
nicht aus, und daher koͤnnte man glauben, es laſſe ſich
die obige Regel, daß die Urſache nur unter einer Be-
dingung die Wirkung nach ſich ziehe, nicht anwenden,
wenn von dem zureichenden Grunde die Rede iſt.
Einige verlangen, daß unter dem voͤllig zureichenden
und beſtimmenden Grunde nicht nur alle innere und aͤuſ-
ſere Erfoderniſſe der Wirkung begriffen werden, ſondern
zugleich auch die Bedingung, daß ſich kein Hinderniß
eraͤugne. Wenn die Kugel, die im Begriff iſt, auf
ein porcellaines Gefaͤß herunter zu fallen, unterwegens
aufgefangen wird, ſo fehlte nach dieſer Jdee von dem
zureichenden Grunde noch etwas daran, naͤmlich dieſer
Umſtand, daß nichts zwiſchen der Kugel und dem Ge-
faͤße ſich befinde, und auch nichts ſich dazwiſchen lege,
wodurch die Wirkung des Stoßes auf das Gefaͤß ver-
hindert werde.
Es iſt unnuͤtz, um Worte ſich zu ſtreiten. Mich
deucht, es ſey in den angefuͤhrten Beyſpielen ungemein
leicht, alles dasjenige reelle und poſitive, was die
Wirkung erheiſchet, und ohne welches ſie ſo, wie ſie
erfolget, nicht erfolgen kann, von dieſer Bedingung:
„daß nur außerdem nichts neues hinderndes hinzukom-
„men ſolle,‟ abzuſondern. Die letztere Bedingung er-
fodert nicht, daß außer demjenigen, was ſchon als vor-
handen angenommen wird, etwas poſitives oder reelles
mehr da ſey, nicht, daß eine neue Kraft, eine neue
Richtung, eine neue Beziehung des Gegenſtandes auf
die Kraft zu dem, was ſchon da iſt, hinzukomme, wo-
durch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/166>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.