theil nicht ein, so würde es mir doch eingefallen seyn, wenn statt der ersten Selbstbestimmung, womit ich der Jdee folgte, die vor mir lag, die andere Aktion des Bedenkens mir angenehm gewesen wäre. Nun habe ich mich vielleicht nicht bedacht, und also habe ich mich dermalen zum Gegentheil auch nicht bestimmen können, weil ich es nicht vor mir hatte; aber ich hätte mich be- denken können, und hatte also ein mittelbares Ver- mögen zu dem Gegentheil.
Wenn ein unmittelbares Vermögen sich selbst zu bestimmen vorhanden ist, so muß doch die Repro- duktionskraft mit der Vorstellung, auf welche ich mich jetzo soll bestimmen können, in eine gewisse Maße sich wirklich beschäfftigen, so weit nämlich, daß sie diese Jdee wirklich so weit reproducirt haben würde, als es das Wollen erfodert, wenn ihr dieser ideelle Gegen- stand in seiner damaligen Lage nur genug dazu gefallen hätte. Wenn ich jetzo das auch nicht wollen kann, was ich will, so habe ich die Vorstellung von dem Nicht- wollen, oder von dem Gegentheil als ein Objekt mei- ner Kraft innerhalb der Sphäre meiner gegenwärtigen Wirksamkeit, wenn gleich minder nahe und vortheil- haft, als die Jdee vom Wollen; und die Kraft meiner Seele ist innerlich völlig aufgelegt und bestimmt, jene noch weiter zu bearbeiten und mehr zu entwickeln. Daß dieß letztere nicht geschahe, dazu fehlte nichts, als das Gefallen.
Jch übersehe zwey Wege bey meinem Spatziergehen, und wähle und will den Einen. Es mag wohl seyn, daß, wenn ich den zurückgesetzten genauer angesehen hätte, dieser vielleicht den Vorzug behalten ha- ben würde. Aber ich fühle es recht sehr, daß ich nur allein nach meinem gegenwärtigem Gefallen mich mit der Vorstellung des erstern befaßte, und daß ich mich mit der Jdee des letztern würde befaßt, und auf
diese
und Freyheit.
theil nicht ein, ſo wuͤrde es mir doch eingefallen ſeyn, wenn ſtatt der erſten Selbſtbeſtimmung, womit ich der Jdee folgte, die vor mir lag, die andere Aktion des Bedenkens mir angenehm geweſen waͤre. Nun habe ich mich vielleicht nicht bedacht, und alſo habe ich mich dermalen zum Gegentheil auch nicht beſtimmen koͤnnen, weil ich es nicht vor mir hatte; aber ich haͤtte mich be- denken koͤnnen, und hatte alſo ein mittelbares Ver- moͤgen zu dem Gegentheil.
Wenn ein unmittelbares Vermoͤgen ſich ſelbſt zu beſtimmen vorhanden iſt, ſo muß doch die Repro- duktionskraft mit der Vorſtellung, auf welche ich mich jetzo ſoll beſtimmen koͤnnen, in eine gewiſſe Maße ſich wirklich beſchaͤfftigen, ſo weit naͤmlich, daß ſie dieſe Jdee wirklich ſo weit reproducirt haben wuͤrde, als es das Wollen erfodert, wenn ihr dieſer ideelle Gegen- ſtand in ſeiner damaligen Lage nur genug dazu gefallen haͤtte. Wenn ich jetzo das auch nicht wollen kann, was ich will, ſo habe ich die Vorſtellung von dem Nicht- wollen, oder von dem Gegentheil als ein Objekt mei- ner Kraft innerhalb der Sphaͤre meiner gegenwaͤrtigen Wirkſamkeit, wenn gleich minder nahe und vortheil- haft, als die Jdee vom Wollen; und die Kraft meiner Seele iſt innerlich voͤllig aufgelegt und beſtimmt, jene noch weiter zu bearbeiten und mehr zu entwickeln. Daß dieß letztere nicht geſchahe, dazu fehlte nichts, als das Gefallen.
Jch uͤberſehe zwey Wege bey meinem Spatziergehen, und waͤhle und will den Einen. Es mag wohl ſeyn, daß, wenn ich den zuruͤckgeſetzten genauer angeſehen haͤtte, dieſer vielleicht den Vorzug behalten ha- ben wuͤrde. Aber ich fuͤhle es recht ſehr, daß ich nur allein nach meinem gegenwaͤrtigem Gefallen mich mit der Vorſtellung des erſtern befaßte, und daß ich mich mit der Jdee des letztern wuͤrde befaßt, und auf
dieſe
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und Freyheit.
theil nicht ein, ſo wuͤrde es mir doch eingefallen ſeyn,
wenn ſtatt der erſten Selbſtbeſtimmung, womit ich der
Jdee folgte, die vor mir lag, die andere Aktion des
Bedenkens mir angenehm geweſen waͤre. Nun habe
ich mich vielleicht nicht bedacht, und alſo habe ich mich
dermalen zum Gegentheil auch nicht beſtimmen koͤnnen,
weil ich es nicht vor mir hatte; aber ich haͤtte mich be-
denken koͤnnen, und hatte alſo ein mittelbares Ver-
moͤgen zu dem Gegentheil.
Wenn ein unmittelbares Vermoͤgen ſich ſelbſt
zu beſtimmen vorhanden iſt, ſo muß doch die Repro-
duktionskraft mit der Vorſtellung, auf welche ich mich
jetzo ſoll beſtimmen koͤnnen, in eine gewiſſe Maße ſich
wirklich beſchaͤfftigen, ſo weit naͤmlich, daß ſie dieſe
Jdee wirklich ſo weit reproducirt haben wuͤrde, als es
das Wollen erfodert, wenn ihr dieſer ideelle Gegen-
ſtand in ſeiner damaligen Lage nur genug dazu gefallen
haͤtte. Wenn ich jetzo das auch nicht wollen kann, was
ich will, ſo habe ich die Vorſtellung von dem Nicht-
wollen, oder von dem Gegentheil als ein Objekt mei-
ner Kraft innerhalb der Sphaͤre meiner gegenwaͤrtigen
Wirkſamkeit, wenn gleich minder nahe und vortheil-
haft, als die Jdee vom Wollen; und die Kraft meiner
Seele iſt innerlich voͤllig aufgelegt und beſtimmt, jene
noch weiter zu bearbeiten und mehr zu entwickeln. Daß
dieß letztere nicht geſchahe, dazu fehlte nichts, als das
Gefallen.
Jch uͤberſehe zwey Wege bey meinem Spatziergehen,
und waͤhle und will den Einen. Es mag wohl ſeyn,
daß, wenn ich den zuruͤckgeſetzten genauer angeſehen
haͤtte, dieſer vielleicht den Vorzug behalten ha-
ben wuͤrde. Aber ich fuͤhle es recht ſehr, daß ich nur
allein nach meinem gegenwaͤrtigem Gefallen mich
mit der Vorſtellung des erſtern befaßte, und daß ich
mich mit der Jdee des letztern wuͤrde befaßt, und auf
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/141>, abgerufen am 27.11.2024.
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