Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.XI. Versuch. Ueber die Grundkraft dieser Perfektibilität selbst in einer größern Stufe derVermögen der Urkraft aufzusuchen. Aber so viel ist doch ohne viele Spekulationen leicht zu begreifen, daß von zwo Kräften, die im übrigen an nächsten Vermögen zu wirken, nichts vor einander voraus haben, davon Eine eine Erhöhung annehmen kann, deren die andere nicht fähig ist, die erstere dieser Perfektibilität wegen, auch schon eine innere absolute Realität besitzen müsse, sie sey nun eine bloße Anlage, oder ein größeres inneres Bestreben, ein stärkerer Ansatz oder Drang, oder was sie wolle, welche der andern mangelt. Denn selbst die Empfänglichkeit zu einem höhern Grade in dem Ver- mögen, diese bloße Möglichkeit, daß eine Leichtigkeit et- was zu wirken entstehe, erfodert doch etwas positives in der Kraft, als eine Anlage dazu, oder als ein Keim, der entwickelt werden kann, wofern nicht etwan die nach- herige Erhöhung nur allein von der Wegräumung äuße- rer Hindernisse abhangen, oder eine Wirkung einer frem- den Kraft seyn soll, die sich mit dem empfänglichen We- fen verbindet, und nun eine größere Kraft mit jener ver- bunden ausmacht. Aber dieser Anwachs würde auch nur uneigentlich als eine Erhöhung des erstern empfäng- lichen Vermögens angesehen werden. Denn wenn eine größere Stufe eines Vermögens in dem Jnnern eines Dinges entstehen soll, so müssen auch eigene Grundzüge, als die Grundanlagen dazu vorhanden seyn; es mag der Uebergang von der Anlage zu dem wirklichen Vermögen, von dem entferntern Vermögen zu dem nähern; von der Möglichkeit sich zu äußern zur Wirklichkeit; von bloßer Disposition zur Leichtigkeit, durch eine Art von Epige- nesis, von Anwachsen, oder durch eine Evolution des Vorhandenen vor sich gehen. Jch würde daher für mich selbst kein Bedenken haben, die vorzügliche Perfektibi- lität an selbstthätiger Kraft für eine Folge einer vorzüg- lichen innern Größe der Urvermögen anzunehmen, und also
XI. Verſuch. Ueber die Grundkraft dieſer Perfektibilitaͤt ſelbſt in einer groͤßern Stufe derVermoͤgen der Urkraft aufzuſuchen. Aber ſo viel iſt doch ohne viele Spekulationen leicht zu begreifen, daß von zwo Kraͤften, die im uͤbrigen an naͤchſten Vermoͤgen zu wirken, nichts vor einander voraus haben, davon Eine eine Erhoͤhung annehmen kann, deren die andere nicht faͤhig iſt, die erſtere dieſer Perfektibilitaͤt wegen, auch ſchon eine innere abſolute Realitaͤt beſitzen muͤſſe, ſie ſey nun eine bloße Anlage, oder ein groͤßeres inneres Beſtreben, ein ſtaͤrkerer Anſatz oder Drang, oder was ſie wolle, welche der andern mangelt. Denn ſelbſt die Empfaͤnglichkeit zu einem hoͤhern Grade in dem Ver- moͤgen, dieſe bloße Moͤglichkeit, daß eine Leichtigkeit et- was zu wirken entſtehe, erfodert doch etwas poſitives in der Kraft, als eine Anlage dazu, oder als ein Keim, der entwickelt werden kann, wofern nicht etwan die nach- herige Erhoͤhung nur allein von der Wegraͤumung aͤuße- rer Hinderniſſe abhangen, oder eine Wirkung einer frem- den Kraft ſeyn ſoll, die ſich mit dem empfaͤnglichen We- fen verbindet, und nun eine groͤßere Kraft mit jener ver- bunden ausmacht. Aber dieſer Anwachs wuͤrde auch nur uneigentlich als eine Erhoͤhung des erſtern empfaͤng- lichen Vermoͤgens angeſehen werden. Denn wenn eine groͤßere Stufe eines Vermoͤgens in dem Jnnern eines Dinges entſtehen ſoll, ſo muͤſſen auch eigene Grundzuͤge, als die Grundanlagen dazu vorhanden ſeyn; es mag der Uebergang von der Anlage zu dem wirklichen Vermoͤgen, von dem entferntern Vermoͤgen zu dem naͤhern; von der Moͤglichkeit ſich zu aͤußern zur Wirklichkeit; von bloßer Dispoſition zur Leichtigkeit, durch eine Art von Epige- neſis, von Anwachſen, oder durch eine Evolution des Vorhandenen vor ſich gehen. Jch wuͤrde daher fuͤr mich ſelbſt kein Bedenken haben, die vorzuͤgliche Perfektibi- litaͤt an ſelbſtthaͤtiger Kraft fuͤr eine Folge einer vorzuͤg- lichen innern Groͤße der Urvermoͤgen anzunehmen, und alſo
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XI. Verſuch. Ueber die Grundkraft
dieſer Perfektibilitaͤt ſelbſt in einer groͤßern Stufe der
Vermoͤgen der Urkraft aufzuſuchen. Aber ſo viel iſt doch
ohne viele Spekulationen leicht zu begreifen, daß von
zwo Kraͤften, die im uͤbrigen an naͤchſten Vermoͤgen zu
wirken, nichts vor einander voraus haben, davon Eine
eine Erhoͤhung annehmen kann, deren die andere nicht
faͤhig iſt, die erſtere dieſer Perfektibilitaͤt wegen, auch
ſchon eine innere abſolute Realitaͤt beſitzen muͤſſe, ſie
ſey nun eine bloße Anlage, oder ein groͤßeres inneres
Beſtreben, ein ſtaͤrkerer Anſatz oder Drang, oder was
ſie wolle, welche der andern mangelt. Denn ſelbſt die
Empfaͤnglichkeit zu einem hoͤhern Grade in dem Ver-
moͤgen, dieſe bloße Moͤglichkeit, daß eine Leichtigkeit et-
was zu wirken entſtehe, erfodert doch etwas poſitives in
der Kraft, als eine Anlage dazu, oder als ein Keim,
der entwickelt werden kann, wofern nicht etwan die nach-
herige Erhoͤhung nur allein von der Wegraͤumung aͤuße-
rer Hinderniſſe abhangen, oder eine Wirkung einer frem-
den Kraft ſeyn ſoll, die ſich mit dem empfaͤnglichen We-
fen verbindet, und nun eine groͤßere Kraft mit jener ver-
bunden ausmacht. Aber dieſer Anwachs wuͤrde auch
nur uneigentlich als eine Erhoͤhung des erſtern empfaͤng-
lichen Vermoͤgens angeſehen werden. Denn wenn eine
groͤßere Stufe eines Vermoͤgens in dem Jnnern eines
Dinges entſtehen ſoll, ſo muͤſſen auch eigene Grundzuͤge,
als die Grundanlagen dazu vorhanden ſeyn; es mag der
Uebergang von der Anlage zu dem wirklichen Vermoͤgen,
von dem entferntern Vermoͤgen zu dem naͤhern; von der
Moͤglichkeit ſich zu aͤußern zur Wirklichkeit; von bloßer
Dispoſition zur Leichtigkeit, durch eine Art von Epige-
neſis, von Anwachſen, oder durch eine Evolution des
Vorhandenen vor ſich gehen. Jch wuͤrde daher fuͤr mich
ſelbſt kein Bedenken haben, die vorzuͤgliche Perfektibi-
litaͤt an ſelbſtthaͤtiger Kraft fuͤr eine Folge einer vorzuͤg-
lichen innern Groͤße der Urvermoͤgen anzunehmen, und
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