hinweiset, und diese durch sie und in ihnen sehen läßt. Hier, in dieser Beschaffenheit der Vorstellungen lieget der Grund von unserm natürlichen Hang zu glauben, nicht, daß wir mit Bildern und Vorstellungen von Sa- chen zu thun haben, wenn wir an diese denken, sondern daß es die Sachen selbst sind, die wir erkennen, ver- gleichen, und mit welchen wir beschäftiget sind.
11) Ob wir gleich durch die Vorstellungen andere vorgestellte Objekte erkennen; so können wir doch auch jene Bilder selbst in uns gewahrnehmen und bemerken. Woher wissen wir sonsten, daß sie in uns vorhanden sind? Aber dieß Gewahrnehmen ist eine eigene Thätig- keit unsrer Seele und ihrer Gewahrnehmungskraft, wel- che alsdenn gleichsam auf uns selbst zurückgebogen wird, und in ein Selbstgefühl übergehet. Es ist ein anders, die Vorstellung einer Sache in sich aufnehmen, die Sa- che nachbilden, die Nachbildung in sich aufbehalten, sie wieder hervorziehen; und ein anders, die Vorstellung und diese Thätigkeiten und deren Wirkungen in sich füh- len, und beobachten.
12) Die ursprünglichen Vorstellungen entste- hen in uns von unsern Veränderungen und Zuständen, wenn diese gegenwärtig in uns vorhanden sind, und ge- fühlet und empfunden werden, das ist, von unsern Empfindungen. Ob diese letzt erwähnte Bedingung überall erfordert werde? ob wir etwan jedwede gegen- wärtige Modifikation fühlen und empfinden? oder ob doch insbesondere bey denen ein Gefühl hinzukommen müsse, welche sich bis dahin in uns eindrücken sollen, daß sie bleibende Spuren hinterlassen? oder ob auch wohl Nachbildungen in uns zurückbleiben, oder doch zu- rückbleiben können, wenn gleich ihre gegenwärtige Mo- difikationen entstanden und vergangen sind, ohne em- pfunden zu seyn, oder doch ohne bis zum Gewahrnehmen empfunden zu seyn, das sind Fragen, die ich hier un-
entschie-
I. Verſuch. Ueber die Natur
hinweiſet, und dieſe durch ſie und in ihnen ſehen laͤßt. Hier, in dieſer Beſchaffenheit der Vorſtellungen lieget der Grund von unſerm natuͤrlichen Hang zu glauben, nicht, daß wir mit Bildern und Vorſtellungen von Sa- chen zu thun haben, wenn wir an dieſe denken, ſondern daß es die Sachen ſelbſt ſind, die wir erkennen, ver- gleichen, und mit welchen wir beſchaͤftiget ſind.
11) Ob wir gleich durch die Vorſtellungen andere vorgeſtellte Objekte erkennen; ſo koͤnnen wir doch auch jene Bilder ſelbſt in uns gewahrnehmen und bemerken. Woher wiſſen wir ſonſten, daß ſie in uns vorhanden ſind? Aber dieß Gewahrnehmen iſt eine eigene Thaͤtig- keit unſrer Seele und ihrer Gewahrnehmungskraft, wel- che alsdenn gleichſam auf uns ſelbſt zuruͤckgebogen wird, und in ein Selbſtgefuͤhl uͤbergehet. Es iſt ein anders, die Vorſtellung einer Sache in ſich aufnehmen, die Sa- che nachbilden, die Nachbildung in ſich aufbehalten, ſie wieder hervorziehen; und ein anders, die Vorſtellung und dieſe Thaͤtigkeiten und deren Wirkungen in ſich fuͤh- len, und beobachten.
12) Die urſpruͤnglichen Vorſtellungen entſte- hen in uns von unſern Veraͤnderungen und Zuſtaͤnden, wenn dieſe gegenwaͤrtig in uns vorhanden ſind, und ge- fuͤhlet und empfunden werden, das iſt, von unſern Empfindungen. Ob dieſe letzt erwaͤhnte Bedingung uͤberall erfordert werde? ob wir etwan jedwede gegen- waͤrtige Modifikation fuͤhlen und empfinden? oder ob doch insbeſondere bey denen ein Gefuͤhl hinzukommen muͤſſe, welche ſich bis dahin in uns eindruͤcken ſollen, daß ſie bleibende Spuren hinterlaſſen? oder ob auch wohl Nachbildungen in uns zuruͤckbleiben, oder doch zu- ruͤckbleiben koͤnnen, wenn gleich ihre gegenwaͤrtige Mo- difikationen entſtanden und vergangen ſind, ohne em- pfunden zu ſeyn, oder doch ohne bis zum Gewahrnehmen empfunden zu ſeyn, das ſind Fragen, die ich hier un-
entſchie-
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I. Verſuch. Ueber die Natur
hinweiſet, und dieſe durch ſie und in ihnen ſehen laͤßt.
Hier, in dieſer Beſchaffenheit der Vorſtellungen lieget
der Grund von unſerm natuͤrlichen Hang zu glauben,
nicht, daß wir mit Bildern und Vorſtellungen von Sa-
chen zu thun haben, wenn wir an dieſe denken, ſondern
daß es die Sachen ſelbſt ſind, die wir erkennen, ver-
gleichen, und mit welchen wir beſchaͤftiget ſind.
11) Ob wir gleich durch die Vorſtellungen andere
vorgeſtellte Objekte erkennen; ſo koͤnnen wir doch auch
jene Bilder ſelbſt in uns gewahrnehmen und bemerken.
Woher wiſſen wir ſonſten, daß ſie in uns vorhanden
ſind? Aber dieß Gewahrnehmen iſt eine eigene Thaͤtig-
keit unſrer Seele und ihrer Gewahrnehmungskraft, wel-
che alsdenn gleichſam auf uns ſelbſt zuruͤckgebogen wird,
und in ein Selbſtgefuͤhl uͤbergehet. Es iſt ein anders,
die Vorſtellung einer Sache in ſich aufnehmen, die Sa-
che nachbilden, die Nachbildung in ſich aufbehalten, ſie
wieder hervorziehen; und ein anders, die Vorſtellung
und dieſe Thaͤtigkeiten und deren Wirkungen in ſich fuͤh-
len, und beobachten.
12) Die urſpruͤnglichen Vorſtellungen entſte-
hen in uns von unſern Veraͤnderungen und Zuſtaͤnden,
wenn dieſe gegenwaͤrtig in uns vorhanden ſind, und ge-
fuͤhlet und empfunden werden, das iſt, von unſern
Empfindungen. Ob dieſe letzt erwaͤhnte Bedingung
uͤberall erfordert werde? ob wir etwan jedwede gegen-
waͤrtige Modifikation fuͤhlen und empfinden? oder
ob doch insbeſondere bey denen ein Gefuͤhl hinzukommen
muͤſſe, welche ſich bis dahin in uns eindruͤcken ſollen,
daß ſie bleibende Spuren hinterlaſſen? oder ob auch
wohl Nachbildungen in uns zuruͤckbleiben, oder doch zu-
ruͤckbleiben koͤnnen, wenn gleich ihre gegenwaͤrtige Mo-
difikationen entſtanden und vergangen ſind, ohne em-
pfunden zu ſeyn, oder doch ohne bis zum Gewahrnehmen
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/82>, abgerufen am 25.11.2024.
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