Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

der Vorstellungen.
beseelten Körper des Menschen, welche sie abbildet;
nur so eine Aehnlichkeit, wie die Figur von dem Welt-
gebäude, auf dem Papier mit ihrem Gegenstande, dem
Weltgebäude hat; nur so eine ist in der Analogie be-
griffen.

9) Die Veränderungen der Seele, von welchen sol-
che Spuren in uns zurück geblieben sind, haben wieder-
um ihre Ursachen, entweder in uns selbst, in andern
vorhergegangenen Zuständen, oder außer uns gehabt.
Sie beziehen sich also auch auf die nemliche, aber ent-
ferntere Art, auf die Ursachen jener Veränderungen.
Die sinnlichen Eindrücke, welche uns durch das Ge-
sicht zugeführet werden, entsprechen den verschiedenen
äußern Gegenständen, von denen sie in uns verursachet
werden; der Eindruck von dem Mond, dem Mond;
der Eindruck von der Sonne, der Sonne u. s. w. dahe-
ro kann zwischen den Vorstellungen, die sich nur zu-
nächst
auf vorhergegangene Eindrücke beziehen, und
zwischen den äußern Dingen, welche die Ursachen von
jenen Eindrücken sind, mittelbar dieselbige Analogie statt
finden, die den Vorstellungen in Hinsicht auf die Ein-
drücke unmittelbar zukommt. Also können die Vorstel-
lungen auch Zeichnungen und Abbildungen von den Ur-
sachen solcher Veränderungen abgeben, von welchen die
Spuren in uns hinterlassen sind.

10) Dieß erschöpfet noch nicht die ganze zeichnen-
de Natur der Vorstellungen.
Sie sind nicht bloß
solche Veränderungen, welche wir wegen ihrer Analogie
mit andern Dingen, mit Bequemlichkeit als Zeichen
und Bilder dieser Dinge gebrauchen können, und besser
gebrauchen können, als jedes andere in uns; das nicht
allein, sondern sie haben über dieß etwas an sich, was uns
so zu sagen, von selbst die Erinnerung giebet, daß sie
Zeichen von andern Dingen sind, uns auf andere von
ihnen selbst unterschiedene Sachen, als Gegenstände

hinwei-
B 3

der Vorſtellungen.
beſeelten Koͤrper des Menſchen, welche ſie abbildet;
nur ſo eine Aehnlichkeit, wie die Figur von dem Welt-
gebaͤude, auf dem Papier mit ihrem Gegenſtande, dem
Weltgebaͤude hat; nur ſo eine iſt in der Analogie be-
griffen.

9) Die Veraͤnderungen der Seele, von welchen ſol-
che Spuren in uns zuruͤck geblieben ſind, haben wieder-
um ihre Urſachen, entweder in uns ſelbſt, in andern
vorhergegangenen Zuſtaͤnden, oder außer uns gehabt.
Sie beziehen ſich alſo auch auf die nemliche, aber ent-
ferntere Art, auf die Urſachen jener Veraͤnderungen.
Die ſinnlichen Eindruͤcke, welche uns durch das Ge-
ſicht zugefuͤhret werden, entſprechen den verſchiedenen
aͤußern Gegenſtaͤnden, von denen ſie in uns verurſachet
werden; der Eindruck von dem Mond, dem Mond;
der Eindruck von der Sonne, der Sonne u. ſ. w. dahe-
ro kann zwiſchen den Vorſtellungen, die ſich nur zu-
naͤchſt
auf vorhergegangene Eindruͤcke beziehen, und
zwiſchen den aͤußern Dingen, welche die Urſachen von
jenen Eindruͤcken ſind, mittelbar dieſelbige Analogie ſtatt
finden, die den Vorſtellungen in Hinſicht auf die Ein-
druͤcke unmittelbar zukommt. Alſo koͤnnen die Vorſtel-
lungen auch Zeichnungen und Abbildungen von den Ur-
ſachen ſolcher Veraͤnderungen abgeben, von welchen die
Spuren in uns hinterlaſſen ſind.

10) Dieß erſchoͤpfet noch nicht die ganze zeichnen-
de Natur der Vorſtellungen.
Sie ſind nicht bloß
ſolche Veraͤnderungen, welche wir wegen ihrer Analogie
mit andern Dingen, mit Bequemlichkeit als Zeichen
und Bilder dieſer Dinge gebrauchen koͤnnen, und beſſer
gebrauchen koͤnnen, als jedes andere in uns; das nicht
allein, ſondern ſie haben uͤber dieß etwas an ſich, was uns
ſo zu ſagen, von ſelbſt die Erinnerung giebet, daß ſie
Zeichen von andern Dingen ſind, uns auf andere von
ihnen ſelbſt unterſchiedene Sachen, als Gegenſtaͤnde

hinwei-
B 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0081" n="21"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Vor&#x017F;tellungen.</hi></fw><lb/>
be&#x017F;eelten Ko&#x0364;rper des Men&#x017F;chen, welche &#x017F;ie abbildet;<lb/>
nur &#x017F;o eine Aehnlichkeit, wie die Figur von dem Welt-<lb/>
geba&#x0364;ude, auf dem Papier mit ihrem Gegen&#x017F;tande, dem<lb/>
Weltgeba&#x0364;ude hat; nur &#x017F;o eine i&#x017F;t in der Analogie be-<lb/>
griffen.</p><lb/>
          <p>9) Die Vera&#x0364;nderungen der Seele, von welchen &#x017F;ol-<lb/>
che Spuren in uns zuru&#x0364;ck geblieben &#x017F;ind, haben wieder-<lb/>
um ihre Ur&#x017F;achen, entweder in uns &#x017F;elb&#x017F;t, in andern<lb/>
vorhergegangenen Zu&#x017F;ta&#x0364;nden, oder außer uns gehabt.<lb/>
Sie beziehen &#x017F;ich al&#x017F;o auch auf die nemliche, aber ent-<lb/>
ferntere Art, auf die Ur&#x017F;achen jener Vera&#x0364;nderungen.<lb/><hi rendition="#fr">Die &#x017F;innlichen</hi> Eindru&#x0364;cke, welche uns durch das Ge-<lb/>
&#x017F;icht zugefu&#x0364;hret werden, ent&#x017F;prechen den ver&#x017F;chiedenen<lb/>
a&#x0364;ußern Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden, von denen &#x017F;ie in uns verur&#x017F;achet<lb/>
werden; der Eindruck von dem Mond, dem Mond;<lb/>
der Eindruck von der Sonne, der Sonne u. &#x017F;. w. dahe-<lb/>
ro kann zwi&#x017F;chen den Vor&#x017F;tellungen, die &#x017F;ich nur <hi rendition="#fr">zu-<lb/>
na&#x0364;ch&#x017F;t</hi> auf vorhergegangene <hi rendition="#fr">Eindru&#x0364;cke</hi> beziehen, und<lb/>
zwi&#x017F;chen den a&#x0364;ußern <hi rendition="#fr">Dingen,</hi> welche die Ur&#x017F;achen von<lb/>
jenen Eindru&#x0364;cken &#x017F;ind, mittelbar die&#x017F;elbige Analogie &#x017F;tatt<lb/>
finden, die den Vor&#x017F;tellungen in Hin&#x017F;icht auf die Ein-<lb/>
dru&#x0364;cke unmittelbar zukommt. Al&#x017F;o ko&#x0364;nnen die Vor&#x017F;tel-<lb/>
lungen auch Zeichnungen und Abbildungen von den Ur-<lb/>
&#x017F;achen &#x017F;olcher Vera&#x0364;nderungen abgeben, von welchen die<lb/>
Spuren in uns hinterla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>10) Dieß er&#x017F;cho&#x0364;pfet noch nicht die ganze <hi rendition="#fr">zeichnen-<lb/>
de Natur der Vor&#x017F;tellungen.</hi> Sie &#x017F;ind nicht bloß<lb/>
&#x017F;olche Vera&#x0364;nderungen, welche wir wegen ihrer Analogie<lb/>
mit andern Dingen, mit Bequemlichkeit als Zeichen<lb/>
und Bilder die&#x017F;er Dinge gebrauchen ko&#x0364;nnen, und be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
gebrauchen ko&#x0364;nnen, als jedes andere in uns; das nicht<lb/>
allein, &#x017F;ondern &#x017F;ie haben u&#x0364;ber dieß etwas an &#x017F;ich, was uns<lb/>
&#x017F;o zu &#x017F;agen, von &#x017F;elb&#x017F;t die Erinnerung giebet, daß &#x017F;ie<lb/>
Zeichen von andern Dingen &#x017F;ind, uns auf andere von<lb/>
ihnen &#x017F;elb&#x017F;t unter&#x017F;chiedene Sachen, als Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 3</fw><fw place="bottom" type="catch">hinwei-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0081] der Vorſtellungen. beſeelten Koͤrper des Menſchen, welche ſie abbildet; nur ſo eine Aehnlichkeit, wie die Figur von dem Welt- gebaͤude, auf dem Papier mit ihrem Gegenſtande, dem Weltgebaͤude hat; nur ſo eine iſt in der Analogie be- griffen. 9) Die Veraͤnderungen der Seele, von welchen ſol- che Spuren in uns zuruͤck geblieben ſind, haben wieder- um ihre Urſachen, entweder in uns ſelbſt, in andern vorhergegangenen Zuſtaͤnden, oder außer uns gehabt. Sie beziehen ſich alſo auch auf die nemliche, aber ent- ferntere Art, auf die Urſachen jener Veraͤnderungen. Die ſinnlichen Eindruͤcke, welche uns durch das Ge- ſicht zugefuͤhret werden, entſprechen den verſchiedenen aͤußern Gegenſtaͤnden, von denen ſie in uns verurſachet werden; der Eindruck von dem Mond, dem Mond; der Eindruck von der Sonne, der Sonne u. ſ. w. dahe- ro kann zwiſchen den Vorſtellungen, die ſich nur zu- naͤchſt auf vorhergegangene Eindruͤcke beziehen, und zwiſchen den aͤußern Dingen, welche die Urſachen von jenen Eindruͤcken ſind, mittelbar dieſelbige Analogie ſtatt finden, die den Vorſtellungen in Hinſicht auf die Ein- druͤcke unmittelbar zukommt. Alſo koͤnnen die Vorſtel- lungen auch Zeichnungen und Abbildungen von den Ur- ſachen ſolcher Veraͤnderungen abgeben, von welchen die Spuren in uns hinterlaſſen ſind. 10) Dieß erſchoͤpfet noch nicht die ganze zeichnen- de Natur der Vorſtellungen. Sie ſind nicht bloß ſolche Veraͤnderungen, welche wir wegen ihrer Analogie mit andern Dingen, mit Bequemlichkeit als Zeichen und Bilder dieſer Dinge gebrauchen koͤnnen, und beſſer gebrauchen koͤnnen, als jedes andere in uns; das nicht allein, ſondern ſie haben uͤber dieß etwas an ſich, was uns ſo zu ſagen, von ſelbſt die Erinnerung giebet, daß ſie Zeichen von andern Dingen ſind, uns auf andere von ihnen ſelbſt unterſchiedene Sachen, als Gegenſtaͤnde hinwei- B 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/81
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/81>, abgerufen am 22.11.2024.