fühlseindrücke, die uns den Stoff von jenen Vorstellun- gen hergeben, durchgehends eine größere Mannigfaltigkeit in ihren Theilen und weniger Jntension besitzen?
4) Nicht genug, daß gemäßigte Empfindungen die Gegenstände der vorstellenden Kraft sind, sie wird auch nur zur Thätigkeit gereizet durch solche Empfindungen, da die stärkern entweder ihre Empfindsamkeit beschäfti- gen, oder ihre Aktivität in Bewegung setzen. Die Re- flexion wird gereizet durch das Gefühl der Verhältnisse, welches ein schwaches feines Gefühl ist, das mit dem Gefühl der Aktion selbst, die davon veranlasset worden ist, fast ganz vermischet wird. *)
Es sind bekannte Erfahrungen, daß eine zu große Lebhaftigkeit der Empfindung, wie die zu große Begierde, die Wirksamkeit der Vorstellungskraft und des Verstan- des hindert und gar aufhebt. Ein heftiger Schmerz und entzückende Wollust hemmet den Lauf der Vorstel- lungen und schließet Ueberlegungen aus. Man setze nicht entgegen, daß der Affekt die Sinne schärfe, oder eigentlich die Einbildungs- und Dichtungskraft anflam- me. Es ist nicht zu verwundern, daß die von der star- ken Empfindung betäubte Seele sich wie ein aufgehalte- ner Strom nachher mit Gewalt wieder fort zur Wirk- samkeit reißet, und alsdenn auch ihre Vorstellungskraft mit Heftigkeit in einer gewissen Richtung anwendet. Aber man muß die Art von Empfindungen, welche die Seele von selbst zum Vorstellen reizen, von denen un- terscheiden, welche die Aktivität der Seele erregen, und diese auf Veränderungen ihres innern Zustandes hinden- ken. Denn die Vorstellungskraft von neuen aufbieten, daß sie sich anwende, oder sie zurückhalten oder anders- wohin wenden, sind innere Aktionen auf uns selbst, die von der Operation des Vorstellens, welche nachher erfol-
get,
*)Vierter Versuch.VII. 1. Siebenter Versuch.I. 1.
X. Verſuch. Ueber die Beziehung
fuͤhlseindruͤcke, die uns den Stoff von jenen Vorſtellun- gen hergeben, durchgehends eine groͤßere Mannigfaltigkeit in ihren Theilen und weniger Jntenſion beſitzen?
4) Nicht genug, daß gemaͤßigte Empfindungen die Gegenſtaͤnde der vorſtellenden Kraft ſind, ſie wird auch nur zur Thaͤtigkeit gereizet durch ſolche Empfindungen, da die ſtaͤrkern entweder ihre Empfindſamkeit beſchaͤfti- gen, oder ihre Aktivitaͤt in Bewegung ſetzen. Die Re- flexion wird gereizet durch das Gefuͤhl der Verhaͤltniſſe, welches ein ſchwaches feines Gefuͤhl iſt, das mit dem Gefuͤhl der Aktion ſelbſt, die davon veranlaſſet worden iſt, faſt ganz vermiſchet wird. *)
Es ſind bekannte Erfahrungen, daß eine zu große Lebhaftigkeit der Empfindung, wie die zu große Begierde, die Wirkſamkeit der Vorſtellungskraft und des Verſtan- des hindert und gar aufhebt. Ein heftiger Schmerz und entzuͤckende Wolluſt hemmet den Lauf der Vorſtel- lungen und ſchließet Ueberlegungen aus. Man ſetze nicht entgegen, daß der Affekt die Sinne ſchaͤrfe, oder eigentlich die Einbildungs- und Dichtungskraft anflam- me. Es iſt nicht zu verwundern, daß die von der ſtar- ken Empfindung betaͤubte Seele ſich wie ein aufgehalte- ner Strom nachher mit Gewalt wieder fort zur Wirk- ſamkeit reißet, und alsdenn auch ihre Vorſtellungskraft mit Heftigkeit in einer gewiſſen Richtung anwendet. Aber man muß die Art von Empfindungen, welche die Seele von ſelbſt zum Vorſtellen reizen, von denen un- terſcheiden, welche die Aktivitaͤt der Seele erregen, und dieſe auf Veraͤnderungen ihres innern Zuſtandes hinden- ken. Denn die Vorſtellungskraft von neuen aufbieten, daß ſie ſich anwende, oder ſie zuruͤckhalten oder anders- wohin wenden, ſind innere Aktionen auf uns ſelbſt, die von der Operation des Vorſtellens, welche nachher erfol-
get,
*)Vierter Verſuch.VII. 1. Siebenter Verſuch.I. 1.
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X. Verſuch. Ueber die Beziehung
fuͤhlseindruͤcke, die uns den Stoff von jenen Vorſtellun-
gen hergeben, durchgehends eine groͤßere Mannigfaltigkeit
in ihren Theilen und weniger Jntenſion beſitzen?
4) Nicht genug, daß gemaͤßigte Empfindungen die
Gegenſtaͤnde der vorſtellenden Kraft ſind, ſie wird auch
nur zur Thaͤtigkeit gereizet durch ſolche Empfindungen,
da die ſtaͤrkern entweder ihre Empfindſamkeit beſchaͤfti-
gen, oder ihre Aktivitaͤt in Bewegung ſetzen. Die Re-
flexion wird gereizet durch das Gefuͤhl der Verhaͤltniſſe,
welches ein ſchwaches feines Gefuͤhl iſt, das mit dem
Gefuͤhl der Aktion ſelbſt, die davon veranlaſſet worden iſt,
faſt ganz vermiſchet wird. *)
Es ſind bekannte Erfahrungen, daß eine zu große
Lebhaftigkeit der Empfindung, wie die zu große Begierde,
die Wirkſamkeit der Vorſtellungskraft und des Verſtan-
des hindert und gar aufhebt. Ein heftiger Schmerz
und entzuͤckende Wolluſt hemmet den Lauf der Vorſtel-
lungen und ſchließet Ueberlegungen aus. Man ſetze
nicht entgegen, daß der Affekt die Sinne ſchaͤrfe, oder
eigentlich die Einbildungs- und Dichtungskraft anflam-
me. Es iſt nicht zu verwundern, daß die von der ſtar-
ken Empfindung betaͤubte Seele ſich wie ein aufgehalte-
ner Strom nachher mit Gewalt wieder fort zur Wirk-
ſamkeit reißet, und alsdenn auch ihre Vorſtellungskraft
mit Heftigkeit in einer gewiſſen Richtung anwendet.
Aber man muß die Art von Empfindungen, welche die
Seele von ſelbſt zum Vorſtellen reizen, von denen un-
terſcheiden, welche die Aktivitaͤt der Seele erregen, und
dieſe auf Veraͤnderungen ihres innern Zuſtandes hinden-
ken. Denn die Vorſtellungskraft von neuen aufbieten,
daß ſie ſich anwende, oder ſie zuruͤckhalten oder anders-
wohin wenden, ſind innere Aktionen auf uns ſelbſt, die
von der Operation des Vorſtellens, welche nachher erfol-
get,
*) Vierter Verſuch. VII. 1. Siebenter Verſuch. I. 1.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 718. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/778>, abgerufen am 23.11.2024.
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