holet, ist freylich dieselbige, mit der sie diese Wiederho- lung bey der Vorstellung anfängt, oder die Jdee repro- duciret. Aber so wenig das nochmalige Ansehen des Mondes aus der Reproduktion des Bildes erkläret wer- den kann, das wir von ihm aus den vorigen Empfin- dungen her haben, und so wenig das Bestreben dieses Bild in uns zu erneuern ein Bestreben ist, das Objekt wiederum zu sehen, so wenig |kann die Wiederholung der Aktion in ein Bestreben ihre Vorstellung zu erneuern aufgelöset werden. Jn beyden Fällen ist ein solches Be- streben da, und in dem einem gelinget es ehe, die Vor- stellung so lebhaft wie die erste Empfindung zu machen. Aber auch in beiden Fällen muß alsdenn, wenn dieß ge- schieht, die ganze ehemals gegenwärtige Ursache wie- derum vorhanden seyn und wirken. Das Bestreben, die Jdee von der Aktion zu reproduciren, würde nichts mehr ausrichten, als das Bestreben, sich den Mond in der Abwesenheit vorzustellen, wenn in jenem Fall nicht die ganze ehemals wirkende Kraft in der Seele vorhanden wäre, und von ähnlichen Empfindungen gespannet würde.
Man pflegt gewöhnlich noch eine andere Einwen- dung gegen die wolfische Erklärung zu machen, die sie aber bey genauerer Untersuchung nicht trift. Sie erläu- tert das vorhergehende, darum will ich sie anführen. Sind nicht, sagt man, diese zwey Kraftäußerungen, die Bestrebungen nämlich zu handeln, und die Bestrebun- gen, Vorstellungen und Jdeen lebhafter auszubilden, in unserm Gefühl deutlich genug von einander unterschie- den? Wenn der Maler sich bestrebet, sein Jdeal auf dem Pergament sichtbar zu machen, so ist das kein Be- streben, sich es stark und lebhaft vorzustellen, wie das Gemälde auf dem Pergament aussehen werde, ob- gleich das letztere mit jenem verbunden ist. Er will nicht phantasiren, er will etwas wirklich machen und
dar-
X. Verſuch. Ueber die Beziehung
holet, iſt freylich dieſelbige, mit der ſie dieſe Wiederho- lung bey der Vorſtellung anfaͤngt, oder die Jdee repro- duciret. Aber ſo wenig das nochmalige Anſehen des Mondes aus der Reproduktion des Bildes erklaͤret wer- den kann, das wir von ihm aus den vorigen Empfin- dungen her haben, und ſo wenig das Beſtreben dieſes Bild in uns zu erneuern ein Beſtreben iſt, das Objekt wiederum zu ſehen, ſo wenig |kann die Wiederholung der Aktion in ein Beſtreben ihre Vorſtellung zu erneuern aufgeloͤſet werden. Jn beyden Faͤllen iſt ein ſolches Be- ſtreben da, und in dem einem gelinget es ehe, die Vor- ſtellung ſo lebhaft wie die erſte Empfindung zu machen. Aber auch in beiden Faͤllen muß alsdenn, wenn dieß ge- ſchieht, die ganze ehemals gegenwaͤrtige Urſache wie- derum vorhanden ſeyn und wirken. Das Beſtreben, die Jdee von der Aktion zu reproduciren, wuͤrde nichts mehr ausrichten, als das Beſtreben, ſich den Mond in der Abweſenheit vorzuſtellen, wenn in jenem Fall nicht die ganze ehemals wirkende Kraft in der Seele vorhanden waͤre, und von aͤhnlichen Empfindungen geſpannet wuͤrde.
Man pflegt gewoͤhnlich noch eine andere Einwen- dung gegen die wolfiſche Erklaͤrung zu machen, die ſie aber bey genauerer Unterſuchung nicht trift. Sie erlaͤu- tert das vorhergehende, darum will ich ſie anfuͤhren. Sind nicht, ſagt man, dieſe zwey Kraftaͤußerungen, die Beſtrebungen naͤmlich zu handeln, und die Beſtrebun- gen, Vorſtellungen und Jdeen lebhafter auszubilden, in unſerm Gefuͤhl deutlich genug von einander unterſchie- den? Wenn der Maler ſich beſtrebet, ſein Jdeal auf dem Pergament ſichtbar zu machen, ſo iſt das kein Be- ſtreben, ſich es ſtark und lebhaft vorzuſtellen, wie das Gemaͤlde auf dem Pergament ausſehen werde, ob- gleich das letztere mit jenem verbunden iſt. Er will nicht phantaſiren, er will etwas wirklich machen und
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X. Verſuch. Ueber die Beziehung
holet, iſt freylich dieſelbige, mit der ſie dieſe Wiederho-
lung bey der Vorſtellung anfaͤngt, oder die Jdee repro-
duciret. Aber ſo wenig das nochmalige Anſehen des
Mondes aus der Reproduktion des Bildes erklaͤret wer-
den kann, das wir von ihm aus den vorigen Empfin-
dungen her haben, und ſo wenig das Beſtreben dieſes
Bild in uns zu erneuern ein Beſtreben iſt, das Objekt
wiederum zu ſehen, ſo wenig |kann die Wiederholung der
Aktion in ein Beſtreben ihre Vorſtellung zu erneuern
aufgeloͤſet werden. Jn beyden Faͤllen iſt ein ſolches Be-
ſtreben da, und in dem einem gelinget es ehe, die Vor-
ſtellung ſo lebhaft wie die erſte Empfindung zu machen.
Aber auch in beiden Faͤllen muß alsdenn, wenn dieß ge-
ſchieht, die ganze ehemals gegenwaͤrtige Urſache wie-
derum vorhanden ſeyn und wirken. Das Beſtreben, die
Jdee von der Aktion zu reproduciren, wuͤrde nichts mehr
ausrichten, als das Beſtreben, ſich den Mond in der
Abweſenheit vorzuſtellen, wenn in jenem Fall nicht die
ganze ehemals wirkende Kraft in der Seele vorhanden
waͤre, und von aͤhnlichen Empfindungen geſpannet
wuͤrde.
Man pflegt gewoͤhnlich noch eine andere Einwen-
dung gegen die wolfiſche Erklaͤrung zu machen, die ſie
aber bey genauerer Unterſuchung nicht trift. Sie erlaͤu-
tert das vorhergehende, darum will ich ſie anfuͤhren.
Sind nicht, ſagt man, dieſe zwey Kraftaͤußerungen, die
Beſtrebungen naͤmlich zu handeln, und die Beſtrebun-
gen, Vorſtellungen und Jdeen lebhafter auszubilden, in
unſerm Gefuͤhl deutlich genug von einander unterſchie-
den? Wenn der Maler ſich beſtrebet, ſein Jdeal auf
dem Pergament ſichtbar zu machen, ſo iſt das kein Be-
ſtreben, ſich es ſtark und lebhaft vorzuſtellen, wie das
Gemaͤlde auf dem Pergament ausſehen werde, ob-
gleich das letztere mit jenem verbunden iſt. Er will
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 700. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/760>, abgerufen am 23.11.2024.
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