und machet sich eine Vorstellung davon, wie dieß Ziel mit dem Wurf getroffen werden solle. Diese Vorstel- lung von dem Zweck ist die leitende, während der Aktion gegenwärtige Vorstellung. Außer dieser ist zweytens ein Bestreben in unsern Kräften vorhanden, welche der leidenden Vorstellung gemäß gelenket werden. Der Nach- denkende bietet seine Vorstellungen und seine Ueberle- gungskraft auf, bemerket die Jdeen, die sich ihm dar- bieten, stößt diejenigen zurück, welche zu seinem Zweck nicht gehören, sucht die übrigen zusammen zu halten, und zu ordnen, bis die gesuchte Beziehung gewahr ge- nommen wird. Der Maler lässet seine Finger mit dem Pinsel wirken, aber jeder Ansatz zur Bewegung, der die Richtung nicht hat, welche zu seiner Absicht erfoderlich ist, wird zurückgehalten, und nur die damit überein- stimmenden werden fortgesetzt.
Es ist hiebey vorzüglich zu bemerken, in welcher Verbindung die Bestrebungen der wirksamen Kraft mit den sie leitenden Vorstellungen stehen. Der Maler hat nicht blos das Bild von der Sache im Kopf, die er darstellen will, sondern er denket sich diese als et- was das von ihm hervorgebracht werden soll. Die Absicht ist nicht eine bloße Vorstellung des äußern Objekts, oder der Wirkung, die man hervorbringen will. Es liegt noch etwas mehr in ihr; da die zu bewirkende Sache auch als eine solche, welche wirklich ge- macht werden soll, vorgestellet wird. Und dieß ist ein wichtiger Bestandtheil in jener Jdee. Die Jdee der Sache selbst kann gegenwärtig seyn, ohne daß wir im geringsten ein Bestreben fühlen, sie hervorzubringen. Man kann das Original des Malers ansehen, ohne die mindeste Anwandlung es kopiren zu wollen. Aber wenn die Vorstellung der Sache, als eine Absicht, die er- reichet werden soll, in uns ist, so erwecket sie zugleich Jdeen von Handlungen, von denen sie vormals eine
Wirkung
X. Verſuch. Ueber die Beziehung
und machet ſich eine Vorſtellung davon, wie dieß Ziel mit dem Wurf getroffen werden ſolle. Dieſe Vorſtel- lung von dem Zweck iſt die leitende, waͤhrend der Aktion gegenwaͤrtige Vorſtellung. Außer dieſer iſt zweytens ein Beſtreben in unſern Kraͤften vorhanden, welche der leidenden Vorſtellung gemaͤß gelenket werden. Der Nach- denkende bietet ſeine Vorſtellungen und ſeine Ueberle- gungskraft auf, bemerket die Jdeen, die ſich ihm dar- bieten, ſtoͤßt diejenigen zuruͤck, welche zu ſeinem Zweck nicht gehoͤren, ſucht die uͤbrigen zuſammen zu halten, und zu ordnen, bis die geſuchte Beziehung gewahr ge- nommen wird. Der Maler laͤſſet ſeine Finger mit dem Pinſel wirken, aber jeder Anſatz zur Bewegung, der die Richtung nicht hat, welche zu ſeiner Abſicht erfoderlich iſt, wird zuruͤckgehalten, und nur die damit uͤberein- ſtimmenden werden fortgeſetzt.
Es iſt hiebey vorzuͤglich zu bemerken, in welcher Verbindung die Beſtrebungen der wirkſamen Kraft mit den ſie leitenden Vorſtellungen ſtehen. Der Maler hat nicht blos das Bild von der Sache im Kopf, die er darſtellen will, ſondern er denket ſich dieſe als et- was das von ihm hervorgebracht werden ſoll. Die Abſicht iſt nicht eine bloße Vorſtellung des aͤußern Objekts, oder der Wirkung, die man hervorbringen will. Es liegt noch etwas mehr in ihr; da die zu bewirkende Sache auch als eine ſolche, welche wirklich ge- macht werden ſoll, vorgeſtellet wird. Und dieß iſt ein wichtiger Beſtandtheil in jener Jdee. Die Jdee der Sache ſelbſt kann gegenwaͤrtig ſeyn, ohne daß wir im geringſten ein Beſtreben fuͤhlen, ſie hervorzubringen. Man kann das Original des Malers anſehen, ohne die mindeſte Anwandlung es kopiren zu wollen. Aber wenn die Vorſtellung der Sache, als eine Abſicht, die er- reichet werden ſoll, in uns iſt, ſo erwecket ſie zugleich Jdeen von Handlungen, von denen ſie vormals eine
Wirkung
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0756"n="696"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">X.</hi> Verſuch. Ueber die Beziehung</hi></fw><lb/>
und machet ſich eine Vorſtellung davon, wie dieß Ziel<lb/>
mit dem Wurf getroffen werden ſolle. Dieſe Vorſtel-<lb/>
lung von dem Zweck iſt die <hirendition="#fr">leitende,</hi> waͤhrend der Aktion<lb/>
gegenwaͤrtige Vorſtellung. Außer dieſer iſt zweytens<lb/>
ein Beſtreben in unſern Kraͤften vorhanden, welche der<lb/>
leidenden Vorſtellung gemaͤß gelenket werden. Der Nach-<lb/>
denkende bietet ſeine Vorſtellungen und ſeine Ueberle-<lb/>
gungskraft auf, bemerket die Jdeen, die ſich ihm dar-<lb/>
bieten, ſtoͤßt diejenigen zuruͤck, welche zu ſeinem Zweck<lb/>
nicht gehoͤren, ſucht die uͤbrigen zuſammen zu halten,<lb/>
und zu ordnen, bis die geſuchte Beziehung gewahr ge-<lb/>
nommen wird. Der Maler laͤſſet ſeine Finger mit dem<lb/>
Pinſel wirken, aber jeder Anſatz zur Bewegung, der die<lb/>
Richtung nicht hat, welche zu ſeiner Abſicht erfoderlich<lb/>
iſt, wird zuruͤckgehalten, und nur die damit uͤberein-<lb/>ſtimmenden werden fortgeſetzt.</p><lb/><p>Es iſt hiebey vorzuͤglich zu bemerken, in welcher<lb/>
Verbindung die <hirendition="#fr">Beſtrebungen</hi> der wirkſamen Kraft<lb/>
mit den ſie <hirendition="#fr">leitenden Vorſtellungen</hi>ſtehen. Der<lb/>
Maler hat nicht blos das Bild von der Sache im Kopf,<lb/>
die er darſtellen will, ſondern er denket ſich dieſe als <hirendition="#fr">et-<lb/>
was das von ihm hervorgebracht werden ſoll.</hi><lb/>
Die Abſicht iſt nicht eine bloße Vorſtellung des aͤußern<lb/>
Objekts, oder der Wirkung, die man hervorbringen will.<lb/>
Es liegt noch etwas mehr in ihr; da die zu bewirkende<lb/>
Sache auch als <hirendition="#fr">eine ſolche, welche wirklich ge-<lb/>
macht werden ſoll,</hi> vorgeſtellet wird. Und dieß iſt<lb/>
ein wichtiger Beſtandtheil in jener Jdee. Die Jdee<lb/>
der Sache ſelbſt kann gegenwaͤrtig ſeyn, ohne daß wir<lb/>
im geringſten ein Beſtreben fuͤhlen, ſie hervorzubringen.<lb/>
Man kann das Original des Malers anſehen, ohne die<lb/>
mindeſte Anwandlung es kopiren zu wollen. Aber wenn<lb/>
die Vorſtellung der Sache, als eine Abſicht, die er-<lb/>
reichet werden ſoll, in uns iſt, ſo erwecket ſie zugleich<lb/>
Jdeen von Handlungen, von denen ſie vormals eine<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Wirkung</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[696/0756]
X. Verſuch. Ueber die Beziehung
und machet ſich eine Vorſtellung davon, wie dieß Ziel
mit dem Wurf getroffen werden ſolle. Dieſe Vorſtel-
lung von dem Zweck iſt die leitende, waͤhrend der Aktion
gegenwaͤrtige Vorſtellung. Außer dieſer iſt zweytens
ein Beſtreben in unſern Kraͤften vorhanden, welche der
leidenden Vorſtellung gemaͤß gelenket werden. Der Nach-
denkende bietet ſeine Vorſtellungen und ſeine Ueberle-
gungskraft auf, bemerket die Jdeen, die ſich ihm dar-
bieten, ſtoͤßt diejenigen zuruͤck, welche zu ſeinem Zweck
nicht gehoͤren, ſucht die uͤbrigen zuſammen zu halten,
und zu ordnen, bis die geſuchte Beziehung gewahr ge-
nommen wird. Der Maler laͤſſet ſeine Finger mit dem
Pinſel wirken, aber jeder Anſatz zur Bewegung, der die
Richtung nicht hat, welche zu ſeiner Abſicht erfoderlich
iſt, wird zuruͤckgehalten, und nur die damit uͤberein-
ſtimmenden werden fortgeſetzt.
Es iſt hiebey vorzuͤglich zu bemerken, in welcher
Verbindung die Beſtrebungen der wirkſamen Kraft
mit den ſie leitenden Vorſtellungen ſtehen. Der
Maler hat nicht blos das Bild von der Sache im Kopf,
die er darſtellen will, ſondern er denket ſich dieſe als et-
was das von ihm hervorgebracht werden ſoll.
Die Abſicht iſt nicht eine bloße Vorſtellung des aͤußern
Objekts, oder der Wirkung, die man hervorbringen will.
Es liegt noch etwas mehr in ihr; da die zu bewirkende
Sache auch als eine ſolche, welche wirklich ge-
macht werden ſoll, vorgeſtellet wird. Und dieß iſt
ein wichtiger Beſtandtheil in jener Jdee. Die Jdee
der Sache ſelbſt kann gegenwaͤrtig ſeyn, ohne daß wir
im geringſten ein Beſtreben fuͤhlen, ſie hervorzubringen.
Man kann das Original des Malers anſehen, ohne die
mindeſte Anwandlung es kopiren zu wollen. Aber wenn
die Vorſtellung der Sache, als eine Abſicht, die er-
reichet werden ſoll, in uns iſt, ſo erwecket ſie zugleich
Jdeen von Handlungen, von denen ſie vormals eine
Wirkung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 696. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/756>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.