tigen Kraft unterschiedenes, und ihr zur Seite gesetztes Princip anzusehen ist, als vielmehr ein Vermögen, das der thätigen Kraft wie eine Beschaffenheit zu- komme. Es ist ein Vermögen der thätigen Kraft selbst, ihre Aktionen, die sie verrichtet hat, auch in der Abwe- senheit der ersten Umstände und Reizungen zu erneu- ern. Denn die Vorstellungen von den Thätigkeiten sind nichts als hinterbliebene Spuren von ihnen, welche wie- der erwecket werden. Auf dieselbige Art verhält fich das Vermögen, Gesichtsempfindungen zu reproduciren, zu dem Sinn, der solche aufnimmt. Wenn die Gesichts- empfindung wieder erwecket wird, so wirket dasselbige Vermögen, das solche ehedem aufnahm und fühlte. Es ist dieselbige Receptivität oder dasselbige Gefühl, welches nun die ehemaligen Modifikationen aus innerer Selbst- macht wieder entwickelt und gegenwärtig macht. Dieß Vermögen brachte zwar die erste Empfindung nicht her- vor, als wozu noch eine andere Ursache mitwirkte. Aber das Nachspiel, das in den Vorstellungen vor sich geht, ist ein Werk des nämlichen innerlich selbstthätigen Ver- mögens. Das Vermögen, Vorstellungen zu haben, kam auf eine Anlage hinaus, gewisse Leichtigkeiten zu den Modifikationen anzunehmen, und solche selbstthätig zu wiederholen, ohne daß es derselben Hülfsursachen von außen bedarf. Auf diese Jdee führten die Beobachtun- gen; mit ihr stimmten sie insgesammt überein, und be- stätigten sie, oder machten sie doch in einem hohen Gra- de wahrscheinlich.
Was indessen diese Jdee von der vorstellenden Kraft, als einem Vermögen in dem Gefühl, auch sey, Hypo- thes oder Beobachtung, so ist die ihr parallele Jdee von dem Vermögen, Thätigkeiten vorzustellen, dasselbige. Die Wirkungen desselben verhalten sich zu den Wirkun- gen der thätigen Kraft auf dieselbige Art, und dieß ist zum mindesten doch Erfahrung; wie kann denn dabey
eine
der Vorſtellungskraft ⁊c.
tigen Kraft unterſchiedenes, und ihr zur Seite geſetztes Princip anzuſehen iſt, als vielmehr ein Vermoͤgen, das der thaͤtigen Kraft wie eine Beſchaffenheit zu- komme. Es iſt ein Vermoͤgen der thaͤtigen Kraft ſelbſt, ihre Aktionen, die ſie verrichtet hat, auch in der Abwe- ſenheit der erſten Umſtaͤnde und Reizungen zu erneu- ern. Denn die Vorſtellungen von den Thaͤtigkeiten ſind nichts als hinterbliebene Spuren von ihnen, welche wie- der erwecket werden. Auf dieſelbige Art verhaͤlt fich das Vermoͤgen, Geſichtsempfindungen zu reproduciren, zu dem Sinn, der ſolche aufnimmt. Wenn die Geſichts- empfindung wieder erwecket wird, ſo wirket daſſelbige Vermoͤgen, das ſolche ehedem aufnahm und fuͤhlte. Es iſt dieſelbige Receptivitaͤt oder daſſelbige Gefuͤhl, welches nun die ehemaligen Modifikationen aus innerer Selbſt- macht wieder entwickelt und gegenwaͤrtig macht. Dieß Vermoͤgen brachte zwar die erſte Empfindung nicht her- vor, als wozu noch eine andere Urſache mitwirkte. Aber das Nachſpiel, das in den Vorſtellungen vor ſich geht, iſt ein Werk des naͤmlichen innerlich ſelbſtthaͤtigen Ver- moͤgens. Das Vermoͤgen, Vorſtellungen zu haben, kam auf eine Anlage hinaus, gewiſſe Leichtigkeiten zu den Modifikationen anzunehmen, und ſolche ſelbſtthaͤtig zu wiederholen, ohne daß es derſelben Huͤlfsurſachen von außen bedarf. Auf dieſe Jdee fuͤhrten die Beobachtun- gen; mit ihr ſtimmten ſie insgeſammt uͤberein, und be- ſtaͤtigten ſie, oder machten ſie doch in einem hohen Gra- de wahrſcheinlich.
Was indeſſen dieſe Jdee von der vorſtellenden Kraft, als einem Vermoͤgen in dem Gefuͤhl, auch ſey, Hypo- thes oder Beobachtung, ſo iſt die ihr parallele Jdee von dem Vermoͤgen, Thaͤtigkeiten vorzuſtellen, daſſelbige. Die Wirkungen deſſelben verhalten ſich zu den Wirkun- gen der thaͤtigen Kraft auf dieſelbige Art, und dieß iſt zum mindeſten doch Erfahrung; wie kann denn dabey
eine
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der Vorſtellungskraft ⁊c.
tigen Kraft unterſchiedenes, und ihr zur Seite geſetztes
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der thaͤtigen Kraft wie eine Beſchaffenheit zu-
komme. Es iſt ein Vermoͤgen der thaͤtigen Kraft ſelbſt,
ihre Aktionen, die ſie verrichtet hat, auch in der Abwe-
ſenheit der erſten Umſtaͤnde und Reizungen zu erneu-
ern. Denn die Vorſtellungen von den Thaͤtigkeiten ſind
nichts als hinterbliebene Spuren von ihnen, welche wie-
der erwecket werden. Auf dieſelbige Art verhaͤlt fich das
Vermoͤgen, Geſichtsempfindungen zu reproduciren, zu
dem Sinn, der ſolche aufnimmt. Wenn die Geſichts-
empfindung wieder erwecket wird, ſo wirket daſſelbige
Vermoͤgen, das ſolche ehedem aufnahm und fuͤhlte. Es
iſt dieſelbige Receptivitaͤt oder daſſelbige Gefuͤhl, welches
nun die ehemaligen Modifikationen aus innerer Selbſt-
macht wieder entwickelt und gegenwaͤrtig macht. Dieß
Vermoͤgen brachte zwar die erſte Empfindung nicht her-
vor, als wozu noch eine andere Urſache mitwirkte. Aber
das Nachſpiel, das in den Vorſtellungen vor ſich geht,
iſt ein Werk des naͤmlichen innerlich ſelbſtthaͤtigen Ver-
moͤgens. Das Vermoͤgen, Vorſtellungen zu haben,
kam auf eine Anlage hinaus, gewiſſe Leichtigkeiten zu
den Modifikationen anzunehmen, und ſolche ſelbſtthaͤtig
zu wiederholen, ohne daß es derſelben Huͤlfsurſachen von
außen bedarf. Auf dieſe Jdee fuͤhrten die Beobachtun-
gen; mit ihr ſtimmten ſie insgeſammt uͤberein, und be-
ſtaͤtigten ſie, oder machten ſie doch in einem hohen Gra-
de wahrſcheinlich.
Was indeſſen dieſe Jdee von der vorſtellenden Kraft,
als einem Vermoͤgen in dem Gefuͤhl, auch ſey, Hypo-
thes oder Beobachtung, ſo iſt die ihr parallele Jdee von
dem Vermoͤgen, Thaͤtigkeiten vorzuſtellen, daſſelbige.
Die Wirkungen deſſelben verhalten ſich zu den Wirkun-
gen der thaͤtigen Kraft auf dieſelbige Art, und dieß iſt
zum mindeſten doch Erfahrung; wie kann denn dabey
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 687. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/747>, abgerufen am 16.02.2025.
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