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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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der Vorstellungskraft etc.
beiden geht. Wenn auf das letztere gesehen wird, so ist
es mehr ein Nachmachen, welches Wort aber auch von
dem unwillkührlichen Nachmachen gebraucht wird, wie
die Redensart, Einem andern etwas nachthun,
sich auch auf solche Fälle erstrecket, dergleichen das Mit-
gähnen ist. Wir thun sonsten einem die Handlungen
nach;
und machen die Sachen nach, die er ge-
macht hat.

Diese kleinern Verschiedenheiten in dem Nachthun
oder Nachmachen bey Seite gesetzet, so erfodert das All-
gemeine der Nachmachung
folgende Stücke.

Jn dem Einen, der vorgehet oder vormachet, ist
eine innere Aktion, und diese äußert sich in Bewegungen
des Körpers, in Wirkungen, welche äußerlich empfun-
den werden.

Dieses Aeußerliche der Handlung wird von einem
andern auf eine gewisse Art durch die äußern Sinne, es
sey des Gesichts, oder des Gehörs, oder auch des Ge-
fühls, empfunden. Das ist, die Handlung zeiget sich
dem, der etwas nachmacht, in einer gewissen äußerlichen
Gestalt.

Der Handelnde selbst kann sie auch in dieser Gestalt
kennen; er sieht, fühlt, hört die Aeußerungen, wie der
Nachahmer; aber zuweilen empfindet er sie auch nicht
auf diese Art. Ein Tanzender fühlt nur seine Bewegun-
gen in den Gliedern; vielleicht aber weis er nicht, wie
er alsdenn andern erscheinet, die ihm zusehen.

Diese äußere Gestalt, in der die Handlung dem
Nachahmer erscheinet, veranlasset bey diesem eine ähnli-
che Handlung; und diese ähnliche Handlung erfodert ähn-
liche Kräfte in einer ähnlichen Wirksamkeit, und ähn-
liche Wirkungen der Aktion in den Bewegungen des
Körpers, und in den äußern Effekten, die hervorge-
bracht werden.

Dieß
I. Band. U u

der Vorſtellungskraft ⁊c.
beiden geht. Wenn auf das letztere geſehen wird, ſo iſt
es mehr ein Nachmachen, welches Wort aber auch von
dem unwillkuͤhrlichen Nachmachen gebraucht wird, wie
die Redensart, Einem andern etwas nachthun,
ſich auch auf ſolche Faͤlle erſtrecket, dergleichen das Mit-
gaͤhnen iſt. Wir thun ſonſten einem die Handlungen
nach;
und machen die Sachen nach, die er ge-
macht hat.

Dieſe kleinern Verſchiedenheiten in dem Nachthun
oder Nachmachen bey Seite geſetzet, ſo erfodert das All-
gemeine der Nachmachung
folgende Stuͤcke.

Jn dem Einen, der vorgehet oder vormachet, iſt
eine innere Aktion, und dieſe aͤußert ſich in Bewegungen
des Koͤrpers, in Wirkungen, welche aͤußerlich empfun-
den werden.

Dieſes Aeußerliche der Handlung wird von einem
andern auf eine gewiſſe Art durch die aͤußern Sinne, es
ſey des Geſichts, oder des Gehoͤrs, oder auch des Ge-
fuͤhls, empfunden. Das iſt, die Handlung zeiget ſich
dem, der etwas nachmacht, in einer gewiſſen aͤußerlichen
Geſtalt.

Der Handelnde ſelbſt kann ſie auch in dieſer Geſtalt
kennen; er ſieht, fuͤhlt, hoͤrt die Aeußerungen, wie der
Nachahmer; aber zuweilen empfindet er ſie auch nicht
auf dieſe Art. Ein Tanzender fuͤhlt nur ſeine Bewegun-
gen in den Gliedern; vielleicht aber weis er nicht, wie
er alsdenn andern erſcheinet, die ihm zuſehen.

Dieſe aͤußere Geſtalt, in der die Handlung dem
Nachahmer erſcheinet, veranlaſſet bey dieſem eine aͤhnli-
che Handlung; und dieſe aͤhnliche Handlung erfodert aͤhn-
liche Kraͤfte in einer aͤhnlichen Wirkſamkeit, und aͤhn-
liche Wirkungen der Aktion in den Bewegungen des
Koͤrpers, und in den aͤußern Effekten, die hervorge-
bracht werden.

Dieß
I. Band. U u
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[673/0733] der Vorſtellungskraft ⁊c. beiden geht. Wenn auf das letztere geſehen wird, ſo iſt es mehr ein Nachmachen, welches Wort aber auch von dem unwillkuͤhrlichen Nachmachen gebraucht wird, wie die Redensart, Einem andern etwas nachthun, ſich auch auf ſolche Faͤlle erſtrecket, dergleichen das Mit- gaͤhnen iſt. Wir thun ſonſten einem die Handlungen nach; und machen die Sachen nach, die er ge- macht hat. Dieſe kleinern Verſchiedenheiten in dem Nachthun oder Nachmachen bey Seite geſetzet, ſo erfodert das All- gemeine der Nachmachung folgende Stuͤcke. Jn dem Einen, der vorgehet oder vormachet, iſt eine innere Aktion, und dieſe aͤußert ſich in Bewegungen des Koͤrpers, in Wirkungen, welche aͤußerlich empfun- den werden. Dieſes Aeußerliche der Handlung wird von einem andern auf eine gewiſſe Art durch die aͤußern Sinne, es ſey des Geſichts, oder des Gehoͤrs, oder auch des Ge- fuͤhls, empfunden. Das iſt, die Handlung zeiget ſich dem, der etwas nachmacht, in einer gewiſſen aͤußerlichen Geſtalt. Der Handelnde ſelbſt kann ſie auch in dieſer Geſtalt kennen; er ſieht, fuͤhlt, hoͤrt die Aeußerungen, wie der Nachahmer; aber zuweilen empfindet er ſie auch nicht auf dieſe Art. Ein Tanzender fuͤhlt nur ſeine Bewegun- gen in den Gliedern; vielleicht aber weis er nicht, wie er alsdenn andern erſcheinet, die ihm zuſehen. Dieſe aͤußere Geſtalt, in der die Handlung dem Nachahmer erſcheinet, veranlaſſet bey dieſem eine aͤhnli- che Handlung; und dieſe aͤhnliche Handlung erfodert aͤhn- liche Kraͤfte in einer aͤhnlichen Wirkſamkeit, und aͤhn- liche Wirkungen der Aktion in den Bewegungen des Koͤrpers, und in den aͤußern Effekten, die hervorge- bracht werden. Dieß I. Band. U u

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 673. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/733>, abgerufen am 23.07.2024.