tzung, wie die Bilder der Objekte von der Dichtkraft, vereiniget würden, und daß alsdenn die gesammte Aktion erfolge. Zwar nicht bey dem Gähnen, aber bey andern nachgemachten Handlungen haben wir davon Bey- spiele.
So weit ist also die Erscheinung erklärt. Wir sehen einen andern gähnen; dieß Anschauen erweckt in uns die ganze Vorstellung von dem Gähnen. Die Vorstellung des Gesehenen ist schon ein Theil von der letztern, denn sie ist die Vorstellung von der Anßenseite der Aktion.
Was noch übrig ist, besteht darinn, daß die er- weckte Vorstellung vom Gähnen, sobald sie so lebhaft ist, als sie wird, wenn wir einem andern zusehen, ein wirk- liches Gähnen selbst nach sich ziehe. Wie dieß zugehe, ist begreiflich, da die Vorstellung von der Aktion, schon ein wahrer Anfang von der Aktion in dem Jnnern ist, und es bedarf nur noch eines schwachen Reizes, um sie in eine völlige Aktion zu verändern. Ein Theil von der Vorstellung des Gähnens, ist alsdenn, wenn wir andere gähnen sehen, eine wirkliche Empfindung, und reizet also wie eine Empfindung, aber auch dieser Reiz ist nicht einmal erfoderlich, wie ich vorher schon erinnert habe. Der geringste Umstand, der ein Gefallen veranlasset, ist dazu hinreichend. Denn das Gähnen gehört zu den or- ganischen Bewegungen, wozu wir eine sehr große Fer- tigkeit erlangen, weil unsere natürliche Anlage dazu so groß ist.
Warum Kinder in Gesellschaft nicht mit gähnen, davon ist die Ursache vor Augen. Jhre natürliche Dis- position dazu mag stark genug seyn, auch wohl ihre Fer- tigkeit. Aber das Nachmachen erfodert eine Vor- stellung von dem, was nachgemacht werden soll, und diese erfodert angestellte Vergleichungen. Das Kind kennt die Handlung des Gähnens von außen noch nicht.
Wenn
der Vorſtellungskraft ⁊c.
tzung, wie die Bilder der Objekte von der Dichtkraft, vereiniget wuͤrden, und daß alsdenn die geſammte Aktion erfolge. Zwar nicht bey dem Gaͤhnen, aber bey andern nachgemachten Handlungen haben wir davon Bey- ſpiele.
So weit iſt alſo die Erſcheinung erklaͤrt. Wir ſehen einen andern gaͤhnen; dieß Anſchauen erweckt in uns die ganze Vorſtellung von dem Gaͤhnen. Die Vorſtellung des Geſehenen iſt ſchon ein Theil von der letztern, denn ſie iſt die Vorſtellung von der Anßenſeite der Aktion.
Was noch uͤbrig iſt, beſteht darinn, daß die er- weckte Vorſtellung vom Gaͤhnen, ſobald ſie ſo lebhaft iſt, als ſie wird, wenn wir einem andern zuſehen, ein wirk- liches Gaͤhnen ſelbſt nach ſich ziehe. Wie dieß zugehe, iſt begreiflich, da die Vorſtellung von der Aktion, ſchon ein wahrer Anfang von der Aktion in dem Jnnern iſt, und es bedarf nur noch eines ſchwachen Reizes, um ſie in eine voͤllige Aktion zu veraͤndern. Ein Theil von der Vorſtellung des Gaͤhnens, iſt alsdenn, wenn wir andere gaͤhnen ſehen, eine wirkliche Empfindung, und reizet alſo wie eine Empfindung, aber auch dieſer Reiz iſt nicht einmal erfoderlich, wie ich vorher ſchon erinnert habe. Der geringſte Umſtand, der ein Gefallen veranlaſſet, iſt dazu hinreichend. Denn das Gaͤhnen gehoͤrt zu den or- ganiſchen Bewegungen, wozu wir eine ſehr große Fer- tigkeit erlangen, weil unſere natuͤrliche Anlage dazu ſo groß iſt.
Warum Kinder in Geſellſchaft nicht mit gaͤhnen, davon iſt die Urſache vor Augen. Jhre natuͤrliche Dis- poſition dazu mag ſtark genug ſeyn, auch wohl ihre Fer- tigkeit. Aber das Nachmachen erfodert eine Vor- ſtellung von dem, was nachgemacht werden ſoll, und dieſe erfodert angeſtellte Vergleichungen. Das Kind kennt die Handlung des Gaͤhnens von außen noch nicht.
Wenn
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erfolge. Zwar nicht bey dem Gaͤhnen, aber bey andern
nachgemachten Handlungen haben wir davon Bey-
ſpiele.
So weit iſt alſo die Erſcheinung erklaͤrt. Wir ſehen
einen andern gaͤhnen; dieß Anſchauen erweckt in uns die
ganze Vorſtellung von dem Gaͤhnen. Die Vorſtellung
des Geſehenen iſt ſchon ein Theil von der letztern, denn
ſie iſt die Vorſtellung von der Anßenſeite der Aktion.
Was noch uͤbrig iſt, beſteht darinn, daß die er-
weckte Vorſtellung vom Gaͤhnen, ſobald ſie ſo lebhaft iſt,
als ſie wird, wenn wir einem andern zuſehen, ein wirk-
liches Gaͤhnen ſelbſt nach ſich ziehe. Wie dieß zugehe,
iſt begreiflich, da die Vorſtellung von der Aktion, ſchon
ein wahrer Anfang von der Aktion in dem Jnnern iſt,
und es bedarf nur noch eines ſchwachen Reizes, um ſie
in eine voͤllige Aktion zu veraͤndern. Ein Theil von der
Vorſtellung des Gaͤhnens, iſt alsdenn, wenn wir andere
gaͤhnen ſehen, eine wirkliche Empfindung, und reizet
alſo wie eine Empfindung, aber auch dieſer Reiz iſt nicht
einmal erfoderlich, wie ich vorher ſchon erinnert habe.
Der geringſte Umſtand, der ein Gefallen veranlaſſet, iſt
dazu hinreichend. Denn das Gaͤhnen gehoͤrt zu den or-
ganiſchen Bewegungen, wozu wir eine ſehr große Fer-
tigkeit erlangen, weil unſere natuͤrliche Anlage dazu ſo
groß iſt.
Warum Kinder in Geſellſchaft nicht mit gaͤhnen,
davon iſt die Urſache vor Augen. Jhre natuͤrliche Dis-
poſition dazu mag ſtark genug ſeyn, auch wohl ihre Fer-
tigkeit. Aber das Nachmachen erfodert eine Vor-
ſtellung von dem, was nachgemacht werden ſoll, und
dieſe erfodert angeſtellte Vergleichungen. Das Kind
kennt die Handlung des Gaͤhnens von außen noch nicht.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 671. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/731>, abgerufen am 22.11.2024.
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