etwas ähnliches an sich hervorzubringen, mit dem, was bey andern gewahrgenommen wird.
Die harmonisch gespannte musikalische Saite zittert einer andern nach, wenn die letztere die Luft, und diese wieder die nachzitternde Saite auf eine ähnliche Art in Schwung bringet, wie die erstere es selbst ist. Das Parallel hievon bey dem Menschen ist, daß der Vor- gang des Einen dem Andern dieselbigen Empfindungen beybringet, und seine thätige Kraft auf eine ähnliche Art zu einer ähnlichen Aeußerung reizet. Hievon will ich noch unten etwas sagen.
Der Affe ahmet auch nach, und in einigem Grade thun es andere Thiere auch. Aber er ahmet nur Handlun- gen nach, deren Aehnlichkeit durch denselbigen Sinn er- kannt werden können. Er sieht sich z. B. selbst tanzen. Da ihm die Worte fehlen, -- einige Töne kennt er, die hierinn jener ihre Dienste thun, -- so können ihm auch keine Handlungen als ähnliche vorkommen, und in der Vorstellung zusammenfallen, als nur solche, von denen er ähnliche Eindrücke durch denselbigen Sinn em- pfangen hat.
Jch gehe wieder zu dem Gähnen zurück. Das erst- malige Gähnen ist keine Nachmachung. Wir haben schon gegähnet, und eine Fertigkeit darinn erworben, ehe wir dem Andern zur Gesellschaft es nachmachen. Aber gesetzt auch, wir hätten noch keine Fertigkeit und noch keine Vorstellung aus der Empfindung von einer solchen Aktion, so könnten wir wohl solche von einigen ihrer einzelnen Theile haben, etwan von den äußerli- chen Bewegungen. Wenn nun diese zusammen genom- men, mit den übrigen Theilen der ganzen Aktion in ei- ner physischen Verbindung stehen, und jene diese durch den Organismus des Körpers nach sich ziehen, so könnte es sich ja wohl eräugnen, daß die partiellen Jdeen von äußern Bewegungen in Eine durch die Zusammense-
tzung,
X. Verſuch. Ueber die Beziehung
etwas aͤhnliches an ſich hervorzubringen, mit dem, was bey andern gewahrgenommen wird.
Die harmoniſch geſpannte muſikaliſche Saite zittert einer andern nach, wenn die letztere die Luft, und dieſe wieder die nachzitternde Saite auf eine aͤhnliche Art in Schwung bringet, wie die erſtere es ſelbſt iſt. Das Parallel hievon bey dem Menſchen iſt, daß der Vor- gang des Einen dem Andern dieſelbigen Empfindungen beybringet, und ſeine thaͤtige Kraft auf eine aͤhnliche Art zu einer aͤhnlichen Aeußerung reizet. Hievon will ich noch unten etwas ſagen.
Der Affe ahmet auch nach, und in einigem Grade thun es andere Thiere auch. Aber er ahmet nur Handlun- gen nach, deren Aehnlichkeit durch denſelbigen Sinn er- kannt werden koͤnnen. Er ſieht ſich z. B. ſelbſt tanzen. Da ihm die Worte fehlen, — einige Toͤne kennt er, die hierinn jener ihre Dienſte thun, — ſo koͤnnen ihm auch keine Handlungen als aͤhnliche vorkommen, und in der Vorſtellung zuſammenfallen, als nur ſolche, von denen er aͤhnliche Eindruͤcke durch denſelbigen Sinn em- pfangen hat.
Jch gehe wieder zu dem Gaͤhnen zuruͤck. Das erſt- malige Gaͤhnen iſt keine Nachmachung. Wir haben ſchon gegaͤhnet, und eine Fertigkeit darinn erworben, ehe wir dem Andern zur Geſellſchaft es nachmachen. Aber geſetzt auch, wir haͤtten noch keine Fertigkeit und noch keine Vorſtellung aus der Empfindung von einer ſolchen Aktion, ſo koͤnnten wir wohl ſolche von einigen ihrer einzelnen Theile haben, etwan von den aͤußerli- chen Bewegungen. Wenn nun dieſe zuſammen genom- men, mit den uͤbrigen Theilen der ganzen Aktion in ei- ner phyſiſchen Verbindung ſtehen, und jene dieſe durch den Organismus des Koͤrpers nach ſich ziehen, ſo koͤnnte es ſich ja wohl eraͤugnen, daß die partiellen Jdeen von aͤußern Bewegungen in Eine durch die Zuſammenſe-
tzung,
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X. Verſuch. Ueber die Beziehung
etwas aͤhnliches an ſich hervorzubringen, mit dem, was
bey andern gewahrgenommen wird.
Die harmoniſch geſpannte muſikaliſche Saite zittert
einer andern nach, wenn die letztere die Luft, und dieſe
wieder die nachzitternde Saite auf eine aͤhnliche Art in
Schwung bringet, wie die erſtere es ſelbſt iſt. Das
Parallel hievon bey dem Menſchen iſt, daß der Vor-
gang des Einen dem Andern dieſelbigen Empfindungen
beybringet, und ſeine thaͤtige Kraft auf eine aͤhnliche Art
zu einer aͤhnlichen Aeußerung reizet. Hievon will ich
noch unten etwas ſagen.
Der Affe ahmet auch nach, und in einigem Grade
thun es andere Thiere auch. Aber er ahmet nur Handlun-
gen nach, deren Aehnlichkeit durch denſelbigen Sinn er-
kannt werden koͤnnen. Er ſieht ſich z. B. ſelbſt tanzen.
Da ihm die Worte fehlen, — einige Toͤne kennt er,
die hierinn jener ihre Dienſte thun, — ſo koͤnnen ihm
auch keine Handlungen als aͤhnliche vorkommen, und in
der Vorſtellung zuſammenfallen, als nur ſolche, von
denen er aͤhnliche Eindruͤcke durch denſelbigen Sinn em-
pfangen hat.
Jch gehe wieder zu dem Gaͤhnen zuruͤck. Das erſt-
malige Gaͤhnen iſt keine Nachmachung. Wir haben
ſchon gegaͤhnet, und eine Fertigkeit darinn erworben,
ehe wir dem Andern zur Geſellſchaft es nachmachen.
Aber geſetzt auch, wir haͤtten noch keine Fertigkeit und
noch keine Vorſtellung aus der Empfindung von einer
ſolchen Aktion, ſo koͤnnten wir wohl ſolche von einigen
ihrer einzelnen Theile haben, etwan von den aͤußerli-
chen Bewegungen. Wenn nun dieſe zuſammen genom-
men, mit den uͤbrigen Theilen der ganzen Aktion in ei-
ner phyſiſchen Verbindung ſtehen, und jene dieſe durch
den Organismus des Koͤrpers nach ſich ziehen, ſo koͤnnte
es ſich ja wohl eraͤugnen, daß die partiellen Jdeen von
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 670. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/730>, abgerufen am 22.11.2024.
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