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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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X. Versuch. Ueber die Beziehung
"gebracht worden sind?" Die Reihe der Gesichtsem-
pfindungen von den allmählig sichtbar gewordenen Zügen,
und von den Bewegungen der Finger entstunden auch in
der Seele des Zuschauers unabhängig von den Thätig-
keiten des Malers, der diese sichtbaren Gegenstände dar-
stellete. Die Reihe der sichtbaren Züge machte eine
eigene Reihe von Eindrücken und Empfindungen aus,
die nicht nothwendig auf ihre verborgene unsichtbare Ur-
sachen zurückführen. Aber mit den innern Gefühlen
in der Seele des Malers, in denen er seine eigene Aktion
empfand, verhält es sich anders. Diese sind Folgen
von ihren vorhergehenden Aktionen, und sind Reizungen
zu neuen nachfolgenden Aktionen. Könnten also auch
diese wieder zurückkehren; in einem so schwachen Grade,
als man will, ohne daß auch ihre Ursachen und ihre
Wirkungen, und dieß sind die Kraftäußerungen oder
Thätigkeiten, zugleich mit ihnen erneuert werden? Da
haben wir in den Vorstellungen von den Aktionen, selbst
die Anfänge dieser Aktionen in dem Jnnern, zuweilen
merkliche Anwandlungen, dieselbige Aktion von neuen zu
verrichten, die aber nur bloße Anfänge bleiben, und die
man, wenn die Phantasmen von einer vergangenen
Aktion voll und lebhaft sind, deutlich genug bey sich ge-
wahrnehmen kann.

Hieraus folgt also das nämliche Resultat, in Hin-
sicht der Vorstellungen von unsern Aktionen, was in dem
zweeten Versuch N. VIII. von Vorstellungen überhaupt
schon gezeiget ist. Eine Vorstellung von einer
Aktion enthält nicht blos Vorstellungen von
den geschehenen Gegenständen,
womit sich die
Aktion beschäftiget, sondern auch Vorstellungen
von den äußern und innern Gefühlsempfindun-
gen,
welche die Folgen der Aktion gewesen sind; und
überdieß auch Anfänge der Aktion selbst, oder An-
wandlungen zu den vorherbewiesenen Kraftanwendungen,

die

X. Verſuch. Ueber die Beziehung
„gebracht worden ſind?‟ Die Reihe der Geſichtsem-
pfindungen von den allmaͤhlig ſichtbar gewordenen Zuͤgen,
und von den Bewegungen der Finger entſtunden auch in
der Seele des Zuſchauers unabhaͤngig von den Thaͤtig-
keiten des Malers, der dieſe ſichtbaren Gegenſtaͤnde dar-
ſtellete. Die Reihe der ſichtbaren Zuͤge machte eine
eigene Reihe von Eindruͤcken und Empfindungen aus,
die nicht nothwendig auf ihre verborgene unſichtbare Ur-
ſachen zuruͤckfuͤhren. Aber mit den innern Gefuͤhlen
in der Seele des Malers, in denen er ſeine eigene Aktion
empfand, verhaͤlt es ſich anders. Dieſe ſind Folgen
von ihren vorhergehenden Aktionen, und ſind Reizungen
zu neuen nachfolgenden Aktionen. Koͤnnten alſo auch
dieſe wieder zuruͤckkehren; in einem ſo ſchwachen Grade,
als man will, ohne daß auch ihre Urſachen und ihre
Wirkungen, und dieß ſind die Kraftaͤußerungen oder
Thaͤtigkeiten, zugleich mit ihnen erneuert werden? Da
haben wir in den Vorſtellungen von den Aktionen, ſelbſt
die Anfaͤnge dieſer Aktionen in dem Jnnern, zuweilen
merkliche Anwandlungen, dieſelbige Aktion von neuen zu
verrichten, die aber nur bloße Anfaͤnge bleiben, und die
man, wenn die Phantasmen von einer vergangenen
Aktion voll und lebhaft ſind, deutlich genug bey ſich ge-
wahrnehmen kann.

Hieraus folgt alſo das naͤmliche Reſultat, in Hin-
ſicht der Vorſtellungen von unſern Aktionen, was in dem
zweeten Verſuch N. VIII. von Vorſtellungen uͤberhaupt
ſchon gezeiget iſt. Eine Vorſtellung von einer
Aktion enthaͤlt nicht blos Vorſtellungen von
den geſchehenen Gegenſtaͤnden,
womit ſich die
Aktion beſchaͤftiget, ſondern auch Vorſtellungen
von den aͤußern und innern Gefuͤhlsempfindun-
gen,
welche die Folgen der Aktion geweſen ſind; und
uͤberdieß auch Anfaͤnge der Aktion ſelbſt, oder An-
wandlungen zu den vorherbewieſenen Kraftanwendungen,

die
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[642/0702] X. Verſuch. Ueber die Beziehung „gebracht worden ſind?‟ Die Reihe der Geſichtsem- pfindungen von den allmaͤhlig ſichtbar gewordenen Zuͤgen, und von den Bewegungen der Finger entſtunden auch in der Seele des Zuſchauers unabhaͤngig von den Thaͤtig- keiten des Malers, der dieſe ſichtbaren Gegenſtaͤnde dar- ſtellete. Die Reihe der ſichtbaren Zuͤge machte eine eigene Reihe von Eindruͤcken und Empfindungen aus, die nicht nothwendig auf ihre verborgene unſichtbare Ur- ſachen zuruͤckfuͤhren. Aber mit den innern Gefuͤhlen in der Seele des Malers, in denen er ſeine eigene Aktion empfand, verhaͤlt es ſich anders. Dieſe ſind Folgen von ihren vorhergehenden Aktionen, und ſind Reizungen zu neuen nachfolgenden Aktionen. Koͤnnten alſo auch dieſe wieder zuruͤckkehren; in einem ſo ſchwachen Grade, als man will, ohne daß auch ihre Urſachen und ihre Wirkungen, und dieß ſind die Kraftaͤußerungen oder Thaͤtigkeiten, zugleich mit ihnen erneuert werden? Da haben wir in den Vorſtellungen von den Aktionen, ſelbſt die Anfaͤnge dieſer Aktionen in dem Jnnern, zuweilen merkliche Anwandlungen, dieſelbige Aktion von neuen zu verrichten, die aber nur bloße Anfaͤnge bleiben, und die man, wenn die Phantasmen von einer vergangenen Aktion voll und lebhaft ſind, deutlich genug bey ſich ge- wahrnehmen kann. Hieraus folgt alſo das naͤmliche Reſultat, in Hin- ſicht der Vorſtellungen von unſern Aktionen, was in dem zweeten Verſuch N. VIII. von Vorſtellungen uͤberhaupt ſchon gezeiget iſt. Eine Vorſtellung von einer Aktion enthaͤlt nicht blos Vorſtellungen von den geſchehenen Gegenſtaͤnden, womit ſich die Aktion beſchaͤftiget, ſondern auch Vorſtellungen von den aͤußern und innern Gefuͤhlsempfindun- gen, welche die Folgen der Aktion geweſen ſind; und uͤberdieß auch Anfaͤnge der Aktion ſelbſt, oder An- wandlungen zu den vorherbewieſenen Kraftanwendungen, die

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 642. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/702>, abgerufen am 21.11.2024.