Kraftanwendung, und seine innerliche und äußerliche Wirkungen, welche gefühlt und empfunden werden. Und diese letztern werden wiederum vorhergehende, rei- zende, bestimmende Empfindungen zu dem nächstfolgen- den. Dadurch fließen die Theile der ganzen Aktion in einander.
Die sichtbaren Empfindungen, welche nach und nach hervorkamen, die Züge, die nach und nach sichtbar wur- den, die sichtbaren Bewegungen der Hand, der Fin- ger und des Pinsels; diese Reihe von Veränderungen kann derjenige, der der Arbeit zusiehet, eben so gut und besser gewahrnehmen, als der Arbeitende selbst. Der Zuschauer kann gleichfalls das Original vor Augen gehabt haben, wie der Maler. Aber die Reihe inne- rer Gefühle, die nach und nach in dem Jnnern der Seele und in dem Jnnern der Finger erfolgte, war al- lein für den, der die Handlung verrichtete.
Die Reihe der gesehenen Veränderungen kann der Zuschauer sich wiedervorstellen, wenn die Arbeit aufge- höret hat. Dieß geschehe, so hat er eine Reihe von Bil- dern in sich, die mit dem Jdeal, welches der Maler darstellen wollte, anfängt, und sich bey der Jdee von dem letzten Pinselzug endiget. Diese Jdee stellet die ge- sammte Wirkung vor. Aber ist sie eine Vorstellung von der malenden Aktion selbst? Sie ist es in der That nur von ihren sichtbaren Wirkungen; und so we- nig eine Vorstellung von der Aktion selbst, wofern man sie nicht synekdochisch so nennen will, als es eine Vor- stellung von dem thätigen Nachdenken eines Geometers ist, wenn man seine nach und nach gezogene Linien und Figuren, und seine aufs Papier gebrachte Worte in ih- rer Ordnung sich vorstellet. Einer solchen Vorstellung würde auch vielleicht ein Affe fähig seyn.
Die Vorstellung des sichtbaren Theils der Aktion, kann bey dem Zuschauer voller, lebhafter und deutlicher
seyn,
der Vorſtellungskraft ⁊c.
Kraftanwendung, und ſeine innerliche und aͤußerliche Wirkungen, welche gefuͤhlt und empfunden werden. Und dieſe letztern werden wiederum vorhergehende, rei- zende, beſtimmende Empfindungen zu dem naͤchſtfolgen- den. Dadurch fließen die Theile der ganzen Aktion in einander.
Die ſichtbaren Empfindungen, welche nach und nach hervorkamen, die Zuͤge, die nach und nach ſichtbar wur- den, die ſichtbaren Bewegungen der Hand, der Fin- ger und des Pinſels; dieſe Reihe von Veraͤnderungen kann derjenige, der der Arbeit zuſiehet, eben ſo gut und beſſer gewahrnehmen, als der Arbeitende ſelbſt. Der Zuſchauer kann gleichfalls das Original vor Augen gehabt haben, wie der Maler. Aber die Reihe inne- rer Gefuͤhle, die nach und nach in dem Jnnern der Seele und in dem Jnnern der Finger erfolgte, war al- lein fuͤr den, der die Handlung verrichtete.
Die Reihe der geſehenen Veraͤnderungen kann der Zuſchauer ſich wiedervorſtellen, wenn die Arbeit aufge- hoͤret hat. Dieß geſchehe, ſo hat er eine Reihe von Bil- dern in ſich, die mit dem Jdeal, welches der Maler darſtellen wollte, anfaͤngt, und ſich bey der Jdee von dem letzten Pinſelzug endiget. Dieſe Jdee ſtellet die ge- ſammte Wirkung vor. Aber iſt ſie eine Vorſtellung von der malenden Aktion ſelbſt? Sie iſt es in der That nur von ihren ſichtbaren Wirkungen; und ſo we- nig eine Vorſtellung von der Aktion ſelbſt, wofern man ſie nicht ſynekdochiſch ſo nennen will, als es eine Vor- ſtellung von dem thaͤtigen Nachdenken eines Geometers iſt, wenn man ſeine nach und nach gezogene Linien und Figuren, und ſeine aufs Papier gebrachte Worte in ih- rer Ordnung ſich vorſtellet. Einer ſolchen Vorſtellung wuͤrde auch vielleicht ein Affe faͤhig ſeyn.
Die Vorſtellung des ſichtbaren Theils der Aktion, kann bey dem Zuſchauer voller, lebhafter und deutlicher
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der Vorſtellungskraft ⁊c.
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Und dieſe letztern werden wiederum vorhergehende, rei-
zende, beſtimmende Empfindungen zu dem naͤchſtfolgen-
den. Dadurch fließen die Theile der ganzen Aktion in
einander.
Die ſichtbaren Empfindungen, welche nach und nach
hervorkamen, die Zuͤge, die nach und nach ſichtbar wur-
den, die ſichtbaren Bewegungen der Hand, der Fin-
ger und des Pinſels; dieſe Reihe von Veraͤnderungen
kann derjenige, der der Arbeit zuſiehet, eben ſo gut
und beſſer gewahrnehmen, als der Arbeitende ſelbſt.
Der Zuſchauer kann gleichfalls das Original vor Augen
gehabt haben, wie der Maler. Aber die Reihe inne-
rer Gefuͤhle, die nach und nach in dem Jnnern der
Seele und in dem Jnnern der Finger erfolgte, war al-
lein fuͤr den, der die Handlung verrichtete.
Die Reihe der geſehenen Veraͤnderungen kann der
Zuſchauer ſich wiedervorſtellen, wenn die Arbeit aufge-
hoͤret hat. Dieß geſchehe, ſo hat er eine Reihe von Bil-
dern in ſich, die mit dem Jdeal, welches der Maler
darſtellen wollte, anfaͤngt, und ſich bey der Jdee von
dem letzten Pinſelzug endiget. Dieſe Jdee ſtellet die ge-
ſammte Wirkung vor. Aber iſt ſie eine Vorſtellung
von der malenden Aktion ſelbſt? Sie iſt es in der
That nur von ihren ſichtbaren Wirkungen; und ſo we-
nig eine Vorſtellung von der Aktion ſelbſt, wofern man
ſie nicht ſynekdochiſch ſo nennen will, als es eine Vor-
ſtellung von dem thaͤtigen Nachdenken eines Geometers
iſt, wenn man ſeine nach und nach gezogene Linien und
Figuren, und ſeine aufs Papier gebrachte Worte in ih-
rer Ordnung ſich vorſtellet. Einer ſolchen Vorſtellung
wuͤrde auch vielleicht ein Affe faͤhig ſeyn.
Die Vorſtellung des ſichtbaren Theils der Aktion,
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 639. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/699>, abgerufen am 22.12.2024.
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