Cheßelden zum Gesicht verhalf? Bestand das neue Ver- mögen nicht offenbar nur in einer neuen Richtung seiner vorstellenden Kraft auf neue Gegenstände.
Es ist noch zu bemerken, daß, wenn eine Vorstel- lung gemacht wird, die Seele auf gewifse Theile ihres Gehirns wirke; und daß diese verschieden sind, nachdem es diejenigen sind, welche in der Empfindung verändert werden. Das Vorstellen ist also selbst eine Art von Zu- rückwirkung, die, in so ferne sie außer der Seele selbst herausgeht, gewisse Theile ihrer Vorstellungsmaschine zum Gegenstand hat.
Was sind nun die instinktartigen Aeußerungen ihrer Thätigkeitskraft, womit die Seele sich selbst modificiret, und womit sie Bewegungen in dem Körper hervorbringet, anders, als Aeußerungen ihrer Grund- kraft, die durch Empfindungen erreget und gelenket wird? Es sind Gefühle, Empfindungen von Sachen, Gegen- ständen, Beschaffenheiten, und Rührungen oder Em- pfindnisse, das ist, angenehme oder unangenehme Ge- fühle, die sie bestimmen. Wenn man die Willens- äußerungen von den Aktionen des Verstandes unterschei- det, so sind die Reize zu jenen mehr in Empfindnissen, als in den gleichgültigen Empfindungen. Die gleichgül- tigen Eindrücke werden empfunden und vorgestellet, höch- stens auch gedacht; weiter reget sich das thätige Wesen nicht; aber Schmerz und Vergnügen bestimmet die Thätigkeitskraft zu einer neuen Aktion, und zur Hervor- bringung neuer Modifikationen. Daher entstehen Be- strebungen, ihren Zustand zu behalten, oder auch ihn zu verändern, das ist, die Kraft empfängt neue Spannung, und wird in eine neue Richtung gebracht.
Man hat so oft behauptet, der Wille erfodere Vor- stellungen, wodurch seine Aeußerungen bestimmet wer- den, wenn er wirken soll.
Jst
X. Verſuch. Ueber die Beziehung
Cheßelden zum Geſicht verhalf? Beſtand das neue Ver- moͤgen nicht offenbar nur in einer neuen Richtung ſeiner vorſtellenden Kraft auf neue Gegenſtaͤnde.
Es iſt noch zu bemerken, daß, wenn eine Vorſtel- lung gemacht wird, die Seele auf gewifſe Theile ihres Gehirns wirke; und daß dieſe verſchieden ſind, nachdem es diejenigen ſind, welche in der Empfindung veraͤndert werden. Das Vorſtellen iſt alſo ſelbſt eine Art von Zu- ruͤckwirkung, die, in ſo ferne ſie außer der Seele ſelbſt herausgeht, gewiſſe Theile ihrer Vorſtellungsmaſchine zum Gegenſtand hat.
Was ſind nun die inſtinktartigen Aeußerungen ihrer Thaͤtigkeitskraft, womit die Seele ſich ſelbſt modificiret, und womit ſie Bewegungen in dem Koͤrper hervorbringet, anders, als Aeußerungen ihrer Grund- kraft, die durch Empfindungen erreget und gelenket wird? Es ſind Gefuͤhle, Empfindungen von Sachen, Gegen- ſtaͤnden, Beſchaffenheiten, und Ruͤhrungen oder Em- pfindniſſe, das iſt, angenehme oder unangenehme Ge- fuͤhle, die ſie beſtimmen. Wenn man die Willens- aͤußerungen von den Aktionen des Verſtandes unterſchei- det, ſo ſind die Reize zu jenen mehr in Empfindniſſen, als in den gleichguͤltigen Empfindungen. Die gleichguͤl- tigen Eindruͤcke werden empfunden und vorgeſtellet, hoͤch- ſtens auch gedacht; weiter reget ſich das thaͤtige Weſen nicht; aber Schmerz und Vergnuͤgen beſtimmet die Thaͤtigkeitskraft zu einer neuen Aktion, und zur Hervor- bringung neuer Modifikationen. Daher entſtehen Be- ſtrebungen, ihren Zuſtand zu behalten, oder auch ihn zu veraͤndern, das iſt, die Kraft empfaͤngt neue Spannung, und wird in eine neue Richtung gebracht.
Man hat ſo oft behauptet, der Wille erfodere Vor- ſtellungen, wodurch ſeine Aeußerungen beſtimmet wer- den, wenn er wirken ſoll.
Jſt
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X. Verſuch. Ueber die Beziehung
Cheßelden zum Geſicht verhalf? Beſtand das neue Ver-
moͤgen nicht offenbar nur in einer neuen Richtung
ſeiner vorſtellenden Kraft auf neue Gegenſtaͤnde.
Es iſt noch zu bemerken, daß, wenn eine Vorſtel-
lung gemacht wird, die Seele auf gewifſe Theile ihres
Gehirns wirke; und daß dieſe verſchieden ſind, nachdem
es diejenigen ſind, welche in der Empfindung veraͤndert
werden. Das Vorſtellen iſt alſo ſelbſt eine Art von Zu-
ruͤckwirkung, die, in ſo ferne ſie außer der Seele ſelbſt
herausgeht, gewiſſe Theile ihrer Vorſtellungsmaſchine
zum Gegenſtand hat.
Was ſind nun die inſtinktartigen Aeußerungen
ihrer Thaͤtigkeitskraft, womit die Seele ſich ſelbſt
modificiret, und womit ſie Bewegungen in dem Koͤrper
hervorbringet, anders, als Aeußerungen ihrer Grund-
kraft, die durch Empfindungen erreget und gelenket wird?
Es ſind Gefuͤhle, Empfindungen von Sachen, Gegen-
ſtaͤnden, Beſchaffenheiten, und Ruͤhrungen oder Em-
pfindniſſe, das iſt, angenehme oder unangenehme Ge-
fuͤhle, die ſie beſtimmen. Wenn man die Willens-
aͤußerungen von den Aktionen des Verſtandes unterſchei-
det, ſo ſind die Reize zu jenen mehr in Empfindniſſen,
als in den gleichguͤltigen Empfindungen. Die gleichguͤl-
tigen Eindruͤcke werden empfunden und vorgeſtellet, hoͤch-
ſtens auch gedacht; weiter reget ſich das thaͤtige Weſen
nicht; aber Schmerz und Vergnuͤgen beſtimmet die
Thaͤtigkeitskraft zu einer neuen Aktion, und zur Hervor-
bringung neuer Modifikationen. Daher entſtehen Be-
ſtrebungen, ihren Zuſtand zu behalten, oder auch ihn zu
veraͤndern, das iſt, die Kraft empfaͤngt neue Spannung,
und wird in eine neue Richtung gebracht.
Man hat ſo oft behauptet, der Wille erfodere Vor-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 630. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/690>, abgerufen am 22.12.2024.
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