An die Stelle des weichen Wachses setze man eine elastische Feder, und lasse jene beiden Körper mit glei- cher Geschwindigkeit auf sie zufahren. Die Feder lässet sich zusammendrücken, mehr oder minder; die Körper kommen um ihre Bewegung, wie vorher. Bis dahin beweiset die Feder Receptivität, und bloße Reaktions- kraft. Aber das ist es nicht alles. Sobald die Körper in Ruhe sind, dehnet sich die gepreßte Feder wiederum aus, stößt zurück, giebt ihnen ihre Bewegung wieder, und treibet sie von sich ab. Da hat sie bewiesen, daß sie ein Vermögen besitze, thätig zu seyn. Dieß ist eine Aeußerung eines innerlich wirksamen Vermögens, oder einer selbstthätigen Kraft.
Und diese letztere Kraft ist Eine und dieselbige, wel- che Receptivität und bloßes Reaktionsvermögen bewies. Alle drey Wirkungen entspringen aus derselbigen Elasti- cität, die von der Kraft, welche in dem weichen Wachs war, nur allein an Selbstthätigkeit unterschieden ist. Wenn jede dieser Wirkungen einem eigenen Vermögen zugeschrieben wird, so ist es offenbar, daß die nämliche Kraft nur von drey verschiedenen Seiten, oder in drey unterschiedenen Hinsichten betrachtet wird; aber sie selbst ist innerlich dieselbige. Man wird nicht leicht auf den Einfall kommen, zu glauben, daß das Vermögen, wo- mit die elastische Feder die an sie stoßenden Körper von sich abtreibet, eine eigene Grundkraft erfodere, die nur dann erst sich ausläßt, wenn ihre Receptivität und ihre bloße Reaktion schon ihre Wirkung gehabt, und die auf sie zufahrende Körper ihre Bewegungen verlohren haben. Denn indem die Feder den Druck aufnahm, sich zusam- menpressen ließ, und die Körper zu Ruhe brachte, nahm sie an, und reagirte mit eben der Elasticität, die nach- her den Rückstoß bewirkte. Die letztere Wirkung er- folgte auf jene, ohne daß nun erst eine eigene vorher un- gebrauchte Kraft zur Thätigkeit gekommen sey. Die
Aktion
I.Band. Q q
des Empfindens, des Vorſtellens ⁊c.
An die Stelle des weichen Wachſes ſetze man eine elaſtiſche Feder, und laſſe jene beiden Koͤrper mit glei- cher Geſchwindigkeit auf ſie zufahren. Die Feder laͤſſet ſich zuſammendruͤcken, mehr oder minder; die Koͤrper kommen um ihre Bewegung, wie vorher. Bis dahin beweiſet die Feder Receptivitaͤt, und bloße Reaktions- kraft. Aber das iſt es nicht alles. Sobald die Koͤrper in Ruhe ſind, dehnet ſich die gepreßte Feder wiederum aus, ſtoͤßt zuruͤck, giebt ihnen ihre Bewegung wieder, und treibet ſie von ſich ab. Da hat ſie bewieſen, daß ſie ein Vermoͤgen beſitze, thaͤtig zu ſeyn. Dieß iſt eine Aeußerung eines innerlich wirkſamen Vermoͤgens, oder einer ſelbſtthaͤtigen Kraft.
Und dieſe letztere Kraft iſt Eine und dieſelbige, wel- che Receptivitaͤt und bloßes Reaktionsvermoͤgen bewies. Alle drey Wirkungen entſpringen aus derſelbigen Elaſti- citaͤt, die von der Kraft, welche in dem weichen Wachs war, nur allein an Selbſtthaͤtigkeit unterſchieden iſt. Wenn jede dieſer Wirkungen einem eigenen Vermoͤgen zugeſchrieben wird, ſo iſt es offenbar, daß die naͤmliche Kraft nur von drey verſchiedenen Seiten, oder in drey unterſchiedenen Hinſichten betrachtet wird; aber ſie ſelbſt iſt innerlich dieſelbige. Man wird nicht leicht auf den Einfall kommen, zu glauben, daß das Vermoͤgen, wo- mit die elaſtiſche Feder die an ſie ſtoßenden Koͤrper von ſich abtreibet, eine eigene Grundkraft erfodere, die nur dann erſt ſich auslaͤßt, wenn ihre Receptivitaͤt und ihre bloße Reaktion ſchon ihre Wirkung gehabt, und die auf ſie zufahrende Koͤrper ihre Bewegungen verlohren haben. Denn indem die Feder den Druck aufnahm, ſich zuſam- menpreſſen ließ, und die Koͤrper zu Ruhe brachte, nahm ſie an, und reagirte mit eben der Elaſticitaͤt, die nach- her den Ruͤckſtoß bewirkte. Die letztere Wirkung er- folgte auf jene, ohne daß nun erſt eine eigene vorher un- gebrauchte Kraft zur Thaͤtigkeit gekommen ſey. Die
Aktion
I.Band. Q q
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0669"n="609"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">des Empfindens, des Vorſtellens ⁊c.</hi></fw><lb/><p>An die Stelle des weichen Wachſes ſetze man eine<lb/>
elaſtiſche Feder, und laſſe jene beiden Koͤrper mit glei-<lb/>
cher Geſchwindigkeit auf ſie zufahren. Die Feder laͤſſet<lb/>ſich zuſammendruͤcken, mehr oder minder; die Koͤrper<lb/>
kommen um ihre Bewegung, wie vorher. Bis dahin<lb/>
beweiſet die Feder Receptivitaͤt, und bloße Reaktions-<lb/>
kraft. Aber das iſt es nicht alles. Sobald die Koͤrper<lb/>
in Ruhe ſind, dehnet ſich die gepreßte Feder wiederum<lb/>
aus, ſtoͤßt zuruͤck, giebt ihnen ihre Bewegung wieder,<lb/>
und treibet ſie von ſich ab. Da hat ſie bewieſen, daß ſie<lb/>
ein Vermoͤgen beſitze, thaͤtig zu ſeyn. Dieß iſt eine<lb/>
Aeußerung eines innerlich wirkſamen Vermoͤgens, oder<lb/>
einer <hirendition="#fr">ſelbſtthaͤtigen Kraft.</hi></p><lb/><p>Und dieſe <hirendition="#fr">letztere Kraft</hi> iſt Eine und dieſelbige, wel-<lb/>
che Receptivitaͤt und bloßes Reaktionsvermoͤgen bewies.<lb/>
Alle drey Wirkungen entſpringen aus derſelbigen Elaſti-<lb/>
citaͤt, die von der Kraft, welche in dem weichen Wachs<lb/>
war, nur allein an Selbſtthaͤtigkeit unterſchieden iſt.<lb/>
Wenn jede dieſer Wirkungen einem eigenen Vermoͤgen<lb/>
zugeſchrieben wird, ſo iſt es offenbar, daß die naͤmliche<lb/>
Kraft nur von drey verſchiedenen Seiten, oder in drey<lb/>
unterſchiedenen Hinſichten betrachtet wird; aber ſie ſelbſt<lb/>
iſt innerlich dieſelbige. Man wird nicht leicht auf den<lb/>
Einfall kommen, zu glauben, daß das Vermoͤgen, wo-<lb/>
mit die elaſtiſche Feder die an ſie ſtoßenden Koͤrper von<lb/>ſich abtreibet, eine eigene Grundkraft erfodere, die nur<lb/>
dann erſt ſich auslaͤßt, wenn ihre Receptivitaͤt und ihre<lb/>
bloße Reaktion ſchon ihre Wirkung gehabt, und die auf<lb/>ſie zufahrende Koͤrper ihre Bewegungen verlohren haben.<lb/>
Denn indem die Feder den Druck aufnahm, ſich zuſam-<lb/>
menpreſſen ließ, und die Koͤrper zu Ruhe brachte, nahm<lb/>ſie an, und reagirte mit eben der Elaſticitaͤt, die nach-<lb/>
her den Ruͤckſtoß bewirkte. Die letztere Wirkung er-<lb/>
folgte auf jene, ohne daß nun erſt eine eigene vorher un-<lb/>
gebrauchte Kraft zur Thaͤtigkeit gekommen ſey. Die<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">I.</hi><hirendition="#fr">Band.</hi> Q q</fw><fwplace="bottom"type="catch">Aktion</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[609/0669]
des Empfindens, des Vorſtellens ⁊c.
An die Stelle des weichen Wachſes ſetze man eine
elaſtiſche Feder, und laſſe jene beiden Koͤrper mit glei-
cher Geſchwindigkeit auf ſie zufahren. Die Feder laͤſſet
ſich zuſammendruͤcken, mehr oder minder; die Koͤrper
kommen um ihre Bewegung, wie vorher. Bis dahin
beweiſet die Feder Receptivitaͤt, und bloße Reaktions-
kraft. Aber das iſt es nicht alles. Sobald die Koͤrper
in Ruhe ſind, dehnet ſich die gepreßte Feder wiederum
aus, ſtoͤßt zuruͤck, giebt ihnen ihre Bewegung wieder,
und treibet ſie von ſich ab. Da hat ſie bewieſen, daß ſie
ein Vermoͤgen beſitze, thaͤtig zu ſeyn. Dieß iſt eine
Aeußerung eines innerlich wirkſamen Vermoͤgens, oder
einer ſelbſtthaͤtigen Kraft.
Und dieſe letztere Kraft iſt Eine und dieſelbige, wel-
che Receptivitaͤt und bloßes Reaktionsvermoͤgen bewies.
Alle drey Wirkungen entſpringen aus derſelbigen Elaſti-
citaͤt, die von der Kraft, welche in dem weichen Wachs
war, nur allein an Selbſtthaͤtigkeit unterſchieden iſt.
Wenn jede dieſer Wirkungen einem eigenen Vermoͤgen
zugeſchrieben wird, ſo iſt es offenbar, daß die naͤmliche
Kraft nur von drey verſchiedenen Seiten, oder in drey
unterſchiedenen Hinſichten betrachtet wird; aber ſie ſelbſt
iſt innerlich dieſelbige. Man wird nicht leicht auf den
Einfall kommen, zu glauben, daß das Vermoͤgen, wo-
mit die elaſtiſche Feder die an ſie ſtoßenden Koͤrper von
ſich abtreibet, eine eigene Grundkraft erfodere, die nur
dann erſt ſich auslaͤßt, wenn ihre Receptivitaͤt und ihre
bloße Reaktion ſchon ihre Wirkung gehabt, und die auf
ſie zufahrende Koͤrper ihre Bewegungen verlohren haben.
Denn indem die Feder den Druck aufnahm, ſich zuſam-
menpreſſen ließ, und die Koͤrper zu Ruhe brachte, nahm
ſie an, und reagirte mit eben der Elaſticitaͤt, die nach-
her den Ruͤckſtoß bewirkte. Die letztere Wirkung er-
folgte auf jene, ohne daß nun erſt eine eigene vorher un-
gebrauchte Kraft zur Thaͤtigkeit gekommen ſey. Die
Aktion
I. Band. Q q
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/669>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.