Achter Versuch. Von der Beziehung der höhern Kenntnisse der raisonnirenden Vernunft, zu den Kenntnissen des gemeinen Men- schenverstandes.
I. Was höhere Kenntnisse der raisonnirenden Vernunft sind? Von der Natur der all- gemeinen Theorien.
Vordem setzte man die sinnliche Kenntniß der ver- nünftigen entgegen; die Welt, wie sie sich den Sinnen darstellet (mundus sensibilis,) der Welt, wie sie sich dem Verstande zeiget (mundus intellectualis;) das hieß, die verwirrten Vorstellungen von den Dingen und von ihren Beziehungen auf einander, so wie man solche durch die Sinne zuerst empfängt, den deutlichen Jdeen, die man sich macht, wenn man jene entwickelt und darüber nach allgemeinen Begriffen und Grund- sätzen gedacht hat; und die Philosophen untersuchten, wie diese beiden Arten von Vorstellungen sich zu einan- der verhalten. Es sind fast dieselbigen Fragen und die- selbigen Betrachtungen, nur daß sie in einer andern Ge- stalt vorkommen, wenn die neuern untersucht haben, wie sich der gemeine Menschenverstand und seine Kennt- nisse auf die höhere raisonnirende Vernunft, und ih- re wissenschaftlichen Einsichten beziehet? Daß beide zuweilen sich nicht mit einander vertragen, ist von den Skeptikern behauptet, und von ihren Gegnern eingeräu-
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VIII. Verſuch. Von der Beziehung
Achter Verſuch. Von der Beziehung der hoͤhern Kenntniſſe der raiſonnirenden Vernunft, zu den Kenntniſſen des gemeinen Men- ſchenverſtandes.
I. Was hoͤhere Kenntniſſe der raiſonnirenden Vernunft ſind? Von der Natur der all- gemeinen Theorien.
Vordem ſetzte man die ſinnliche Kenntniß der ver- nuͤnftigen entgegen; die Welt, wie ſie ſich den Sinnen darſtellet (mundus ſenſibilis,) der Welt, wie ſie ſich dem Verſtande zeiget (mundus intellectualis;) das hieß, die verwirrten Vorſtellungen von den Dingen und von ihren Beziehungen auf einander, ſo wie man ſolche durch die Sinne zuerſt empfaͤngt, den deutlichen Jdeen, die man ſich macht, wenn man jene entwickelt und daruͤber nach allgemeinen Begriffen und Grund- ſaͤtzen gedacht hat; und die Philoſophen unterſuchten, wie dieſe beiden Arten von Vorſtellungen ſich zu einan- der verhalten. Es ſind faſt dieſelbigen Fragen und die- ſelbigen Betrachtungen, nur daß ſie in einer andern Ge- ſtalt vorkommen, wenn die neuern unterſucht haben, wie ſich der gemeine Menſchenverſtand und ſeine Kennt- niſſe auf die hoͤhere raiſonnirende Vernunft, und ih- re wiſſenſchaftlichen Einſichten beziehet? Daß beide zuweilen ſich nicht mit einander vertragen, iſt von den Skeptikern behauptet, und von ihren Gegnern eingeraͤu-
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VIII. Verſuch. Von der Beziehung
Achter Verſuch.
Von der Beziehung der hoͤhern Kenntniſſe
der raiſonnirenden Vernunft, zu den
Kenntniſſen des gemeinen Men-
ſchenverſtandes.
I.
Was hoͤhere Kenntniſſe der raiſonnirenden
Vernunft ſind? Von der Natur der all-
gemeinen Theorien.
Vordem ſetzte man die ſinnliche Kenntniß der ver-
nuͤnftigen entgegen; die Welt, wie ſie ſich den
Sinnen darſtellet (mundus ſenſibilis,) der Welt, wie ſie
ſich dem Verſtande zeiget (mundus intellectualis;) das
hieß, die verwirrten Vorſtellungen von den Dingen
und von ihren Beziehungen auf einander, ſo wie man
ſolche durch die Sinne zuerſt empfaͤngt, den deutlichen
Jdeen, die man ſich macht, wenn man jene entwickelt
und daruͤber nach allgemeinen Begriffen und Grund-
ſaͤtzen gedacht hat; und die Philoſophen unterſuchten,
wie dieſe beiden Arten von Vorſtellungen ſich zu einan-
der verhalten. Es ſind faſt dieſelbigen Fragen und die-
ſelbigen Betrachtungen, nur daß ſie in einer andern Ge-
ſtalt vorkommen, wenn die neuern unterſucht haben, wie
ſich der gemeine Menſchenverſtand und ſeine Kennt-
niſſe auf die hoͤhere raiſonnirende Vernunft, und ih-
re wiſſenſchaftlichen Einſichten beziehet? Daß beide
zuweilen ſich nicht mit einander vertragen, iſt von den
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 570. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/630>, abgerufen am 22.12.2024.
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