dige Sätze sind also keine andern, als solche, "in denen "der Grund von der Beziehung der Jdeen auf einan- "der, allein in den Jdeen des Subjekts und des Prä- "dikats lieget."
Ob die Dinge einerley oder verschieden sind, das lehret die Vergleichung der Jdeen. Ob sie von einan- der abhangen, wie eine Folgerung von ihrem Grund- satz, das ist in einigen Fällen aus ihren Begriffen zu be- urtheilen. Daher sehen wir in den wirklichen Dingen diese genannten Verhältnisse als etwas nothwendiges an. Ein Ey ist nothwendig dem andern ähnlich; wenn es nämlich beides Eyer sind von derselbigen Gattung, so wie wir die Wörter nehmen. Wenn wir beide Eyer nur als mögliche Dinge uns vorstellen, so sehen wir doch, daß solche Dinge nicht wirklich vorhanden seyn können, ohne einander ähnlich zu seyn.
Die Lage der wirklichen Dinge gegen einander, ihre Nähe und Abstand, ihr Zugleichseyn, und ihre Folge auf einander, und überhaupt die unwirksamen Beziehungen der Dinge auf einander, die durch Raum und Zeit bestimmet werden, sind nach unserer Vorstel- lungsart zufällige Beziehungen des Wirklichen. Denn wie auch die Dinge beschaffen sind, und was wir bey ihnen in unsern Jdeen antreffen, was z. B. die Son- ne und die Erde für Beschaffenheiten für sich haben mö- gen, so sind sie deswegen doch nicht zu einem gewissen Raum und Zeit bestimmt. Soll so eine Beziehung in ihnen erkannt werden, so müssen außer ihren Jdeen noch gewisse andere Vorstellungen von der Art ihrer Mit- wirklichkeit, als gewisse Bedingungen zu den Jdeen von den Gegenständen, hinzukommen.
Daher sind auch alle unsere Kenntnisse von der wirk- lichen Welt, in so ferne sie die Art und Weise der Verbindung der Dinge mit einander betreffen, zufäl- lige Wahrheiten. Ohne die Dinge selbst empfun-
den
VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
dige Saͤtze ſind alſo keine andern, als ſolche, „in denen „der Grund von der Beziehung der Jdeen auf einan- „der, allein in den Jdeen des Subjekts und des Praͤ- „dikats lieget.‟
Ob die Dinge einerley oder verſchieden ſind, das lehret die Vergleichung der Jdeen. Ob ſie von einan- der abhangen, wie eine Folgerung von ihrem Grund- ſatz, das iſt in einigen Faͤllen aus ihren Begriffen zu be- urtheilen. Daher ſehen wir in den wirklichen Dingen dieſe genannten Verhaͤltniſſe als etwas nothwendiges an. Ein Ey iſt nothwendig dem andern aͤhnlich; wenn es naͤmlich beides Eyer ſind von derſelbigen Gattung, ſo wie wir die Woͤrter nehmen. Wenn wir beide Eyer nur als moͤgliche Dinge uns vorſtellen, ſo ſehen wir doch, daß ſolche Dinge nicht wirklich vorhanden ſeyn koͤnnen, ohne einander aͤhnlich zu ſeyn.
Die Lage der wirklichen Dinge gegen einander, ihre Naͤhe und Abſtand, ihr Zugleichſeyn, und ihre Folge auf einander, und uͤberhaupt die unwirkſamen Beziehungen der Dinge auf einander, die durch Raum und Zeit beſtimmet werden, ſind nach unſerer Vorſtel- lungsart zufaͤllige Beziehungen des Wirklichen. Denn wie auch die Dinge beſchaffen ſind, und was wir bey ihnen in unſern Jdeen antreffen, was z. B. die Son- ne und die Erde fuͤr Beſchaffenheiten fuͤr ſich haben moͤ- gen, ſo ſind ſie deswegen doch nicht zu einem gewiſſen Raum und Zeit beſtimmt. Soll ſo eine Beziehung in ihnen erkannt werden, ſo muͤſſen außer ihren Jdeen noch gewiſſe andere Vorſtellungen von der Art ihrer Mit- wirklichkeit, als gewiſſe Bedingungen zu den Jdeen von den Gegenſtaͤnden, hinzukommen.
Daher ſind auch alle unſere Kenntniſſe von der wirk- lichen Welt, in ſo ferne ſie die Art und Weiſe der Verbindung der Dinge mit einander betreffen, zufaͤl- lige Wahrheiten. Ohne die Dinge ſelbſt empfun-
den
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VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
dige Saͤtze ſind alſo keine andern, als ſolche, „in denen
„der Grund von der Beziehung der Jdeen auf einan-
„der, allein in den Jdeen des Subjekts und des Praͤ-
„dikats lieget.‟
Ob die Dinge einerley oder verſchieden ſind, das
lehret die Vergleichung der Jdeen. Ob ſie von einan-
der abhangen, wie eine Folgerung von ihrem Grund-
ſatz, das iſt in einigen Faͤllen aus ihren Begriffen zu be-
urtheilen. Daher ſehen wir in den wirklichen Dingen
dieſe genannten Verhaͤltniſſe als etwas nothwendiges
an. Ein Ey iſt nothwendig dem andern aͤhnlich; wenn
es naͤmlich beides Eyer ſind von derſelbigen Gattung, ſo
wie wir die Woͤrter nehmen. Wenn wir beide Eyer nur
als moͤgliche Dinge uns vorſtellen, ſo ſehen wir doch,
daß ſolche Dinge nicht wirklich vorhanden ſeyn koͤnnen,
ohne einander aͤhnlich zu ſeyn.
Die Lage der wirklichen Dinge gegen einander,
ihre Naͤhe und Abſtand, ihr Zugleichſeyn, und ihre
Folge auf einander, und uͤberhaupt die unwirkſamen
Beziehungen der Dinge auf einander, die durch Raum
und Zeit beſtimmet werden, ſind nach unſerer Vorſtel-
lungsart zufaͤllige Beziehungen des Wirklichen.
Denn wie auch die Dinge beſchaffen ſind, und was wir
bey ihnen in unſern Jdeen antreffen, was z. B. die Son-
ne und die Erde fuͤr Beſchaffenheiten fuͤr ſich haben moͤ-
gen, ſo ſind ſie deswegen doch nicht zu einem gewiſſen
Raum und Zeit beſtimmt. Soll ſo eine Beziehung in
ihnen erkannt werden, ſo muͤſſen außer ihren Jdeen noch
gewiſſe andere Vorſtellungen von der Art ihrer Mit-
wirklichkeit, als gewiſſe Bedingungen zu den Jdeen
von den Gegenſtaͤnden, hinzukommen.
Daher ſind auch alle unſere Kenntniſſe von der wirk-
lichen Welt, in ſo ferne ſie die Art und Weiſe der
Verbindung der Dinge mit einander betreffen, zufaͤl-
lige Wahrheiten. Ohne die Dinge ſelbſt empfun-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/626>, abgerufen am 22.12.2024.
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