nicht an der, die sie jetzo proben. So ist nun die ge- genwärtige Jmpression bey dem Einen jener abwesenden Jmpression ähnlich; aber bey dem andern ist sie es nicht. Da sind also in jedweder Person zween Eindrücke von denselbigen Gegenständen, Ein Eindruck von einem ab- wesenden Objekt, und ein zweeter von einem gegenwär- tigen, und doch ist die Beziehung derselben bey ihnen nicht dieselbige. Dieß ist keine Ausnahme von dem obi- gen allgemeinen Gesetz. Auf beyder Sinn wirken zwar dieselbigen Objekte, aber die fernen Wirkungen der er- sten Eindrücke auf die Organe, hangen von andern Ur- sachen ab, von dem dermaligen Zustand und von vor- hergehenden und begleitenden Nebenempfindungen; und diese sind nicht dieselbigen bey der gegenwärtigen wie bey der vergangenen Empfindung. Es ist zwar einerley Sinnglied, womit ich die eine Speise wohlschmeckend fin- de, und die andere nicht; aber daß ich jene so finde, hängt von gewissen Dispositionen und gemeiniglich von Jdeenassociationen ab, die in die zwote Empfindung keinen Einfluß haben. Daher bin ich so zu sagen nicht derselbige, der beyde Jmpressionen aufnimmt, oder es ist nicht dieselbige Seite, an der ich sie aufnehme. Jch darf mich also nicht verwundern, daß die Aehnlichkeit, die ich in den meinigen gewahrwerde, in den Eindrü- cken eines andern nicht vorhanden ist.
So viel ist indessen gewiß, daß hier die Stelle sey, wo diejenigen, welche die Wahrheit eben so relativ ma- chen, als die Schönheit, am hartnäckigsten Stand hal- ten können. Denn am Ende hat doch die Verschieden- heit des Geschmacks darinn ihren Grund, daß die Ver- hältnisse, welche die Menschen in ihren subjektivischen Eindrücken gewahrnehmen, unterschieden sind, ob sie solche gleich durch dieselbigen Sinnglieder aufnehmen, und auch die Objekte, von denen sie solche erhalten, die- selbigen sind. Nun beruhet aber alles Objektivische dar-
auf,
der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c.
nicht an der, die ſie jetzo proben. So iſt nun die ge- genwaͤrtige Jmpreſſion bey dem Einen jener abweſenden Jmpreſſion aͤhnlich; aber bey dem andern iſt ſie es nicht. Da ſind alſo in jedweder Perſon zween Eindruͤcke von denſelbigen Gegenſtaͤnden, Ein Eindruck von einem ab- weſenden Objekt, und ein zweeter von einem gegenwaͤr- tigen, und doch iſt die Beziehung derſelben bey ihnen nicht dieſelbige. Dieß iſt keine Ausnahme von dem obi- gen allgemeinen Geſetz. Auf beyder Sinn wirken zwar dieſelbigen Objekte, aber die fernen Wirkungen der er- ſten Eindruͤcke auf die Organe, hangen von andern Ur- ſachen ab, von dem dermaligen Zuſtand und von vor- hergehenden und begleitenden Nebenempfindungen; und dieſe ſind nicht dieſelbigen bey der gegenwaͤrtigen wie bey der vergangenen Empfindung. Es iſt zwar einerley Sinnglied, womit ich die eine Speiſe wohlſchmeckend fin- de, und die andere nicht; aber daß ich jene ſo finde, haͤngt von gewiſſen Diſpoſitionen und gemeiniglich von Jdeenaſſociationen ab, die in die zwote Empfindung keinen Einfluß haben. Daher bin ich ſo zu ſagen nicht derſelbige, der beyde Jmpreſſionen aufnimmt, oder es iſt nicht dieſelbige Seite, an der ich ſie aufnehme. Jch darf mich alſo nicht verwundern, daß die Aehnlichkeit, die ich in den meinigen gewahrwerde, in den Eindruͤ- cken eines andern nicht vorhanden iſt.
So viel iſt indeſſen gewiß, daß hier die Stelle ſey, wo diejenigen, welche die Wahrheit eben ſo relativ ma- chen, als die Schoͤnheit, am hartnaͤckigſten Stand hal- ten koͤnnen. Denn am Ende hat doch die Verſchieden- heit des Geſchmacks darinn ihren Grund, daß die Ver- haͤltniſſe, welche die Menſchen in ihren ſubjektiviſchen Eindruͤcken gewahrnehmen, unterſchieden ſind, ob ſie ſolche gleich durch dieſelbigen Sinnglieder aufnehmen, und auch die Objekte, von denen ſie ſolche erhalten, die- ſelbigen ſind. Nun beruhet aber alles Objektiviſche dar-
auf,
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der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c.
nicht an der, die ſie jetzo proben. So iſt nun die ge-
genwaͤrtige Jmpreſſion bey dem Einen jener abweſenden
Jmpreſſion aͤhnlich; aber bey dem andern iſt ſie es nicht.
Da ſind alſo in jedweder Perſon zween Eindruͤcke von
denſelbigen Gegenſtaͤnden, Ein Eindruck von einem ab-
weſenden Objekt, und ein zweeter von einem gegenwaͤr-
tigen, und doch iſt die Beziehung derſelben bey ihnen
nicht dieſelbige. Dieß iſt keine Ausnahme von dem obi-
gen allgemeinen Geſetz. Auf beyder Sinn wirken zwar
dieſelbigen Objekte, aber die fernen Wirkungen der er-
ſten Eindruͤcke auf die Organe, hangen von andern Ur-
ſachen ab, von dem dermaligen Zuſtand und von vor-
hergehenden und begleitenden Nebenempfindungen; und
dieſe ſind nicht dieſelbigen bey der gegenwaͤrtigen wie bey
der vergangenen Empfindung. Es iſt zwar einerley
Sinnglied, womit ich die eine Speiſe wohlſchmeckend fin-
de, und die andere nicht; aber daß ich jene ſo finde,
haͤngt von gewiſſen Diſpoſitionen und gemeiniglich von
Jdeenaſſociationen ab, die in die zwote Empfindung
keinen Einfluß haben. Daher bin ich ſo zu ſagen nicht
derſelbige, der beyde Jmpreſſionen aufnimmt, oder es
iſt nicht dieſelbige Seite, an der ich ſie aufnehme. Jch
darf mich alſo nicht verwundern, daß die Aehnlichkeit,
die ich in den meinigen gewahrwerde, in den Eindruͤ-
cken eines andern nicht vorhanden iſt.
So viel iſt indeſſen gewiß, daß hier die Stelle ſey,
wo diejenigen, welche die Wahrheit eben ſo relativ ma-
chen, als die Schoͤnheit, am hartnaͤckigſten Stand hal-
ten koͤnnen. Denn am Ende hat doch die Verſchieden-
heit des Geſchmacks darinn ihren Grund, daß die Ver-
haͤltniſſe, welche die Menſchen in ihren ſubjektiviſchen
Eindruͤcken gewahrnehmen, unterſchieden ſind, ob ſie
ſolche gleich durch dieſelbigen Sinnglieder aufnehmen,
und auch die Objekte, von denen ſie ſolche erhalten, die-
ſelbigen ſind. Nun beruhet aber alles Objektiviſche dar-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/617>, abgerufen am 25.11.2024.
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