für sich aus der Natur desselben offenbar, daß die oben unterschiedene Arten der subjektivischen Nothwen- digkeit in den Wirkungen desselben vorkommen müssen. Und wenn dieß noch nicht genug einleuchtet, so braucht es nur der mäßigsten Aufmerksamkeit auf die letztere, um jene hier unmittelbar zu beobachten. Die Urtheile über das Daseyn der wirklichen Welt, über die ursach- lichen Verbindungen der Dinge in der Welt; die Unter- scheidung des Gegenwärtigen in der Empfindung von dem Vergangenen durch die Wiedererinnerung, und von dem bevorstehenden Künftigen; unser Glaube an frem- des Zeugniß sind solche Wirkungen und Aeußerungen des Menschenverstandes. Betrachtet man die Gründe und die Art des Verfahrens jeder derselben besonders, so wird es auch bey jedweder besonders offenbar, daß es bald eine Jdeenassociation, und eine Verallgemeinerung besonderer Erfahrungssätze ist; bald aber natürliches Denkungsgesetz, und in einem gewissen Verstande im- mer beydes zusammen, was die Denkkraft in diesen Kenntnissen bestimmt, und was den Beyfall und die Ueberzeugung nothwendig macht.
Hier aufs Einzelne sich einzulassen, und bey jedwe- der Art der gemeinen Verstandeskenntnisse zu zei- gen, wie viel davon nothwendig durch die Natur des Verstandes für wahr anerkannt werden müsse, und wie viel von einer | Jdeenverknüpfung abhange? dieß hätte das eigentliche Geschäft der brittischen Philosophen seyn sollen, die sichs zur Pflicht machten, gegen Hume und Berkeley die Grundsätze des gemeinen Verstandes zu rechtfertigen.
Dieß ist erstlich eines der wesentlichsten Stücke, wor- auf es in dem Streit mit dem Skeptikern ankommt. Der Verstand denket seinen Naturgesetzen gemäß, und so weit ist sogar der Jrrthum unmöglich; aber er verbin- det auch Jdeen zusammen in Eine, macht daraus allge-
meine
der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c.
fuͤr ſich aus der Natur deſſelben offenbar, daß die oben unterſchiedene Arten der ſubjektiviſchen Nothwen- digkeit in den Wirkungen deſſelben vorkommen muͤſſen. Und wenn dieß noch nicht genug einleuchtet, ſo braucht es nur der maͤßigſten Aufmerkſamkeit auf die letztere, um jene hier unmittelbar zu beobachten. Die Urtheile uͤber das Daſeyn der wirklichen Welt, uͤber die urſach- lichen Verbindungen der Dinge in der Welt; die Unter- ſcheidung des Gegenwaͤrtigen in der Empfindung von dem Vergangenen durch die Wiedererinnerung, und von dem bevorſtehenden Kuͤnftigen; unſer Glaube an frem- des Zeugniß ſind ſolche Wirkungen und Aeußerungen des Menſchenverſtandes. Betrachtet man die Gruͤnde und die Art des Verfahrens jeder derſelben beſonders, ſo wird es auch bey jedweder beſonders offenbar, daß es bald eine Jdeenaſſociation, und eine Verallgemeinerung beſonderer Erfahrungsſaͤtze iſt; bald aber natuͤrliches Denkungsgeſetz, und in einem gewiſſen Verſtande im- mer beydes zuſammen, was die Denkkraft in dieſen Kenntniſſen beſtimmt, und was den Beyfall und die Ueberzeugung nothwendig macht.
Hier aufs Einzelne ſich einzulaſſen, und bey jedwe- der Art der gemeinen Verſtandeskenntniſſe zu zei- gen, wie viel davon nothwendig durch die Natur des Verſtandes fuͤr wahr anerkannt werden muͤſſe, und wie viel von einer | Jdeenverknuͤpfung abhange? dieß haͤtte das eigentliche Geſchaͤft der brittiſchen Philoſophen ſeyn ſollen, die ſichs zur Pflicht machten, gegen Hume und Berkeley die Grundſaͤtze des gemeinen Verſtandes zu rechtfertigen.
Dieß iſt erſtlich eines der weſentlichſten Stuͤcke, wor- auf es in dem Streit mit dem Skeptikern ankommt. Der Verſtand denket ſeinen Naturgeſetzen gemaͤß, und ſo weit iſt ſogar der Jrrthum unmoͤglich; aber er verbin- det auch Jdeen zuſammen in Eine, macht daraus allge-
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der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c.
fuͤr ſich aus der Natur deſſelben offenbar, daß die oben
unterſchiedene Arten der ſubjektiviſchen Nothwen-
digkeit in den Wirkungen deſſelben vorkommen muͤſſen.
Und wenn dieß noch nicht genug einleuchtet, ſo braucht
es nur der maͤßigſten Aufmerkſamkeit auf die letztere,
um jene hier unmittelbar zu beobachten. Die Urtheile
uͤber das Daſeyn der wirklichen Welt, uͤber die urſach-
lichen Verbindungen der Dinge in der Welt; die Unter-
ſcheidung des Gegenwaͤrtigen in der Empfindung von
dem Vergangenen durch die Wiedererinnerung, und von
dem bevorſtehenden Kuͤnftigen; unſer Glaube an frem-
des Zeugniß ſind ſolche Wirkungen und Aeußerungen des
Menſchenverſtandes. Betrachtet man die Gruͤnde und
die Art des Verfahrens jeder derſelben beſonders, ſo
wird es auch bey jedweder beſonders offenbar, daß es
bald eine Jdeenaſſociation, und eine Verallgemeinerung
beſonderer Erfahrungsſaͤtze iſt; bald aber natuͤrliches
Denkungsgeſetz, und in einem gewiſſen Verſtande im-
mer beydes zuſammen, was die Denkkraft in dieſen
Kenntniſſen beſtimmt, und was den Beyfall und die
Ueberzeugung nothwendig macht.
Hier aufs Einzelne ſich einzulaſſen, und bey jedwe-
der Art der gemeinen Verſtandeskenntniſſe zu zei-
gen, wie viel davon nothwendig durch die Natur
des Verſtandes fuͤr wahr anerkannt werden muͤſſe, und
wie viel von einer | Jdeenverknuͤpfung abhange? dieß
haͤtte das eigentliche Geſchaͤft der brittiſchen Philoſophen
ſeyn ſollen, die ſichs zur Pflicht machten, gegen Hume
und Berkeley die Grundſaͤtze des gemeinen Verſtandes
zu rechtfertigen.
Dieß iſt erſtlich eines der weſentlichſten Stuͤcke, wor-
auf es in dem Streit mit dem Skeptikern ankommt.
Der Verſtand denket ſeinen Naturgeſetzen gemaͤß, und
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/587>, abgerufen am 24.11.2024.
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