der in uns zurückkommt, als nur in der Gestalt eines Theils von einem Ganzen. Zwar ist das Gemeinschaft- liche und Aehnliche mehrerer Dinge in einem gewissen Grade zu einer eigenen Art von Dingen, nemlich zu all- gemeinen Dingen gemacht worden, wir haben diese abgesondert, und mit Wörtern bezeichnet, und die noch weiter gehende Lebhaftigkeit der platonischen Phantasie hat sie zu besonders existirenden Substanzen gemacht; aber ihr Anschein von Substanzialität ist nicht beständig, und verliert sich, so bald wir ihre sinnlichen Zeichen bey Seite setzen, und sie uns anschaulich vorstellen. Dann sind es wiederum nur Züge, die in diesen sowohl, als in jenen Gemählden, aber niemals anders, als in einer Verbindung mit andern, in uns gegenwärtig sind. Die Aehnlichkeiten und Verschiedenheiten setzen Dinge voraus, die sich ähnlich und verschieden sind (res relatas).
Wenn also die Accidenzen nicht anders vorgestellet werden können, als auf die Art, daß sie auf etwas an- ders, was ihr Subjekt ist, hinweisen, so liegt die Ur- sache davon in der Entstehungsart dieser Vorstellun- gen, in der Association der Einbildungskraft, und in dem nothwendigen Gesetz der Denkkraft, "keiner Vorstellung "sich auf einer anderen Art bewußt zu seyn, als auf der- "jenigen, in welcher sie in uns gegenwärtig sind."
Jst es aber subjektivisch nothwendig, die Be- schaffenheiten der Dinge sich in den Dingen, als etwas diesen zukommendes, vorzustellen, so muß doch diese Nothwendigkeit entweder nicht so unbedingt seyn, daß sie nicht überwunden werden könne, oder es ist ein psy- chologisches Paradoxon, daß Hume in dem mehrmalen gedachten Buch die Existenz der Seele, als eines Sub- jekts der Gedanken hat bezweifeln können, da er die Ge- danken selbst für etwas wirkliches anerkannte. Nie ha- ben wohl den Scholastiker seine Abstraktionen als einsei- tige Begriffe weiter verleitet, als hier den scharfsinnigen
Mann
VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
der in uns zuruͤckkommt, als nur in der Geſtalt eines Theils von einem Ganzen. Zwar iſt das Gemeinſchaft- liche und Aehnliche mehrerer Dinge in einem gewiſſen Grade zu einer eigenen Art von Dingen, nemlich zu all- gemeinen Dingen gemacht worden, wir haben dieſe abgeſondert, und mit Woͤrtern bezeichnet, und die noch weiter gehende Lebhaftigkeit der platoniſchen Phantaſie hat ſie zu beſonders exiſtirenden Subſtanzen gemacht; aber ihr Anſchein von Subſtanzialitaͤt iſt nicht beſtaͤndig, und verliert ſich, ſo bald wir ihre ſinnlichen Zeichen bey Seite ſetzen, und ſie uns anſchaulich vorſtellen. Dann ſind es wiederum nur Zuͤge, die in dieſen ſowohl, als in jenen Gemaͤhlden, aber niemals anders, als in einer Verbindung mit andern, in uns gegenwaͤrtig ſind. Die Aehnlichkeiten und Verſchiedenheiten ſetzen Dinge voraus, die ſich aͤhnlich und verſchieden ſind (res relatas).
Wenn alſo die Accidenzen nicht anders vorgeſtellet werden koͤnnen, als auf die Art, daß ſie auf etwas an- ders, was ihr Subjekt iſt, hinweiſen, ſo liegt die Ur- ſache davon in der Entſtehungsart dieſer Vorſtellun- gen, in der Aſſociation der Einbildungskraft, und in dem nothwendigen Geſetz der Denkkraft, „keiner Vorſtellung „ſich auf einer anderen Art bewußt zu ſeyn, als auf der- „jenigen, in welcher ſie in uns gegenwaͤrtig ſind.‟
Jſt es aber ſubjektiviſch nothwendig, die Be- ſchaffenheiten der Dinge ſich in den Dingen, als etwas dieſen zukommendes, vorzuſtellen, ſo muß doch dieſe Nothwendigkeit entweder nicht ſo unbedingt ſeyn, daß ſie nicht uͤberwunden werden koͤnne, oder es iſt ein pſy- chologiſches Paradoxon, daß Hume in dem mehrmalen gedachten Buch die Exiſtenz der Seele, als eines Sub- jekts der Gedanken hat bezweifeln koͤnnen, da er die Ge- danken ſelbſt fuͤr etwas wirkliches anerkannte. Nie ha- ben wohl den Scholaſtiker ſeine Abſtraktionen als einſei- tige Begriffe weiter verleitet, als hier den ſcharfſinnigen
Mann
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0570"n="510"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">VII.</hi> Verſuch. Von der Nothwendigkeit</hi></fw><lb/>
der in uns zuruͤckkommt, als nur in der Geſtalt eines<lb/>
Theils von einem Ganzen. Zwar iſt das Gemeinſchaft-<lb/>
liche und Aehnliche mehrerer Dinge in einem gewiſſen<lb/>
Grade zu einer eigenen Art von <hirendition="#fr">Dingen,</hi> nemlich zu <hirendition="#fr">all-<lb/>
gemeinen Dingen</hi> gemacht worden, wir haben dieſe<lb/>
abgeſondert, und mit Woͤrtern bezeichnet, und die noch<lb/>
weiter gehende Lebhaftigkeit der platoniſchen Phantaſie<lb/>
hat ſie zu beſonders exiſtirenden Subſtanzen gemacht;<lb/>
aber ihr Anſchein von Subſtanzialitaͤt iſt nicht beſtaͤndig,<lb/>
und verliert ſich, ſo bald wir ihre ſinnlichen Zeichen bey<lb/>
Seite ſetzen, und ſie uns anſchaulich vorſtellen. Dann<lb/>ſind es wiederum nur Zuͤge, die in dieſen ſowohl, als<lb/>
in jenen Gemaͤhlden, aber niemals anders, als in einer<lb/>
Verbindung mit andern, in uns gegenwaͤrtig ſind.<lb/>
Die Aehnlichkeiten und Verſchiedenheiten ſetzen Dinge<lb/>
voraus, die ſich aͤhnlich und verſchieden ſind (<hirendition="#aq">res relatas</hi>).</p><lb/><p>Wenn alſo die Accidenzen nicht anders vorgeſtellet<lb/>
werden koͤnnen, als auf die Art, daß ſie auf etwas an-<lb/>
ders, was ihr Subjekt iſt, hinweiſen, ſo liegt die Ur-<lb/>ſache davon in der <hirendition="#fr">Entſtehungsart</hi> dieſer Vorſtellun-<lb/>
gen, in der Aſſociation der Einbildungskraft, und in dem<lb/>
nothwendigen Geſetz der Denkkraft, „keiner Vorſtellung<lb/>„ſich auf einer anderen Art bewußt zu ſeyn, als auf der-<lb/>„jenigen, in welcher ſie in uns gegenwaͤrtig ſind.‟</p><lb/><p>Jſt es aber <hirendition="#fr">ſubjektiviſch nothwendig,</hi> die Be-<lb/>ſchaffenheiten der Dinge ſich in den Dingen, als etwas<lb/>
dieſen zukommendes, vorzuſtellen, ſo muß doch dieſe<lb/>
Nothwendigkeit entweder nicht ſo <hirendition="#fr">unbedingt</hi>ſeyn, daß<lb/>ſie nicht uͤberwunden werden koͤnne, oder es iſt ein pſy-<lb/>
chologiſches Paradoxon, daß <hirendition="#fr">Hume</hi> in dem mehrmalen<lb/>
gedachten Buch die Exiſtenz der Seele, als eines Sub-<lb/>
jekts der Gedanken hat bezweifeln koͤnnen, da er die Ge-<lb/>
danken ſelbſt fuͤr etwas wirkliches anerkannte. Nie ha-<lb/>
ben wohl den Scholaſtiker ſeine Abſtraktionen als <hirendition="#fr">einſei-<lb/>
tige</hi> Begriffe weiter verleitet, als hier den ſcharfſinnigen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Mann</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[510/0570]
VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
der in uns zuruͤckkommt, als nur in der Geſtalt eines
Theils von einem Ganzen. Zwar iſt das Gemeinſchaft-
liche und Aehnliche mehrerer Dinge in einem gewiſſen
Grade zu einer eigenen Art von Dingen, nemlich zu all-
gemeinen Dingen gemacht worden, wir haben dieſe
abgeſondert, und mit Woͤrtern bezeichnet, und die noch
weiter gehende Lebhaftigkeit der platoniſchen Phantaſie
hat ſie zu beſonders exiſtirenden Subſtanzen gemacht;
aber ihr Anſchein von Subſtanzialitaͤt iſt nicht beſtaͤndig,
und verliert ſich, ſo bald wir ihre ſinnlichen Zeichen bey
Seite ſetzen, und ſie uns anſchaulich vorſtellen. Dann
ſind es wiederum nur Zuͤge, die in dieſen ſowohl, als
in jenen Gemaͤhlden, aber niemals anders, als in einer
Verbindung mit andern, in uns gegenwaͤrtig ſind.
Die Aehnlichkeiten und Verſchiedenheiten ſetzen Dinge
voraus, die ſich aͤhnlich und verſchieden ſind (res relatas).
Wenn alſo die Accidenzen nicht anders vorgeſtellet
werden koͤnnen, als auf die Art, daß ſie auf etwas an-
ders, was ihr Subjekt iſt, hinweiſen, ſo liegt die Ur-
ſache davon in der Entſtehungsart dieſer Vorſtellun-
gen, in der Aſſociation der Einbildungskraft, und in dem
nothwendigen Geſetz der Denkkraft, „keiner Vorſtellung
„ſich auf einer anderen Art bewußt zu ſeyn, als auf der-
„jenigen, in welcher ſie in uns gegenwaͤrtig ſind.‟
Jſt es aber ſubjektiviſch nothwendig, die Be-
ſchaffenheiten der Dinge ſich in den Dingen, als etwas
dieſen zukommendes, vorzuſtellen, ſo muß doch dieſe
Nothwendigkeit entweder nicht ſo unbedingt ſeyn, daß
ſie nicht uͤberwunden werden koͤnne, oder es iſt ein pſy-
chologiſches Paradoxon, daß Hume in dem mehrmalen
gedachten Buch die Exiſtenz der Seele, als eines Sub-
jekts der Gedanken hat bezweifeln koͤnnen, da er die Ge-
danken ſelbſt fuͤr etwas wirkliches anerkannte. Nie ha-
ben wohl den Scholaſtiker ſeine Abſtraktionen als einſei-
tige Begriffe weiter verleitet, als hier den ſcharfſinnigen
Mann
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/570>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.