ne Denkkraft nach einerley Gesetzen wirket, wie bey de- nen, die anders urtheilen.
Da zeiget sich also auch der Grund von dem, was, wie die Erfahrung lehret, oft geschicht. Das Urtheil über diese oder jene besondere ursachliche Verbindung der Dinge, mag so instinktartig bey gewissen Empfindungen erfolgen, als es wolle, so ist es doch an sich nicht so schlechthin nothwendig damit verbunden, daß es nicht auch von denselbigen Empfindungen getrennet, und sein entgegengesetztes, mittelst der Dazwischenkunft anderer Jdeen eingeschoben werden könne. Es ist wenigstens an sich möglich, denn es kann zuweilen dem Verstande schwer genug werden, ehe es dazu kommt; und Zweifels ohne hat es den wenigen spekulativischen Köpfen, die mit innerer Ueberzeugung Harmonisten, Jdealisten, oder gar Egoisten gewesen sind, Mühe gekostet, ehe sie zu einer völligen Glaubensfestigkeit in ihrer Meinung ge- langet sind, wenn sie solche anders jemals wirklich erhal- ten haben.
Hier ist also ein Beyspiel von subjektivischen be- dingt nothwendigen Urtheilen. Dieß sind solche, die außer den Gründen, welche das Urtheil in der Denk- kraft bestimmen, noch die Bedingung erfodern, daß nir- gendswoher ein Hinderniß sich im Weg lege, und das Urtheil abändere. Ein solches Urtheil kann verändert werden, "wenn gleich alle vorhandene bestimmende "Gründe bleiben, wie sie sind, und nur noch etwas neu- "es hinzukommt, das die bestimmende Kraft der erstern "verhindert." Aber in diesen Fällen ist auch, um den Beyfall des Verstandes hervorzubringen, und die an sich hinreichende Ueberzeugungsgründe wirksam zu ma- chen, nichts mehr nöthig, als daß die neuen Jdeen, welche ihnen entgegenstehen, aus dem Wege geräumet werden. So verhält es sich in Hinsicht des Systems der Jdealisten und Harmonisten. Wenn jemand
von
VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
ne Denkkraft nach einerley Geſetzen wirket, wie bey de- nen, die anders urtheilen.
Da zeiget ſich alſo auch der Grund von dem, was, wie die Erfahrung lehret, oft geſchicht. Das Urtheil uͤber dieſe oder jene beſondere urſachliche Verbindung der Dinge, mag ſo inſtinktartig bey gewiſſen Empfindungen erfolgen, als es wolle, ſo iſt es doch an ſich nicht ſo ſchlechthin nothwendig damit verbunden, daß es nicht auch von denſelbigen Empfindungen getrennet, und ſein entgegengeſetztes, mittelſt der Dazwiſchenkunft anderer Jdeen eingeſchoben werden koͤnne. Es iſt wenigſtens an ſich moͤglich, denn es kann zuweilen dem Verſtande ſchwer genug werden, ehe es dazu kommt; und Zweifels ohne hat es den wenigen ſpekulativiſchen Koͤpfen, die mit innerer Ueberzeugung Harmoniſten, Jdealiſten, oder gar Egoiſten geweſen ſind, Muͤhe gekoſtet, ehe ſie zu einer voͤlligen Glaubensfeſtigkeit in ihrer Meinung ge- langet ſind, wenn ſie ſolche anders jemals wirklich erhal- ten haben.
Hier iſt alſo ein Beyſpiel von ſubjektiviſchen be- dingt nothwendigen Urtheilen. Dieß ſind ſolche, die außer den Gruͤnden, welche das Urtheil in der Denk- kraft beſtimmen, noch die Bedingung erfodern, daß nir- gendswoher ein Hinderniß ſich im Weg lege, und das Urtheil abaͤndere. Ein ſolches Urtheil kann veraͤndert werden, „wenn gleich alle vorhandene beſtimmende „Gruͤnde bleiben, wie ſie ſind, und nur noch etwas neu- „es hinzukommt, das die beſtimmende Kraft der erſtern „verhindert.‟ Aber in dieſen Faͤllen iſt auch, um den Beyfall des Verſtandes hervorzubringen, und die an ſich hinreichende Ueberzeugungsgruͤnde wirkſam zu ma- chen, nichts mehr noͤthig, als daß die neuen Jdeen, welche ihnen entgegenſtehen, aus dem Wege geraͤumet werden. So verhaͤlt es ſich in Hinſicht des Syſtems der Jdealiſten und Harmoniſten. Wenn jemand
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VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
ne Denkkraft nach einerley Geſetzen wirket, wie bey de-
nen, die anders urtheilen.
Da zeiget ſich alſo auch der Grund von dem, was,
wie die Erfahrung lehret, oft geſchicht. Das Urtheil
uͤber dieſe oder jene beſondere urſachliche Verbindung der
Dinge, mag ſo inſtinktartig bey gewiſſen Empfindungen
erfolgen, als es wolle, ſo iſt es doch an ſich nicht ſo
ſchlechthin nothwendig damit verbunden, daß es nicht
auch von denſelbigen Empfindungen getrennet, und ſein
entgegengeſetztes, mittelſt der Dazwiſchenkunft anderer
Jdeen eingeſchoben werden koͤnne. Es iſt wenigſtens
an ſich moͤglich, denn es kann zuweilen dem Verſtande
ſchwer genug werden, ehe es dazu kommt; und Zweifels
ohne hat es den wenigen ſpekulativiſchen Koͤpfen, die
mit innerer Ueberzeugung Harmoniſten, Jdealiſten, oder
gar Egoiſten geweſen ſind, Muͤhe gekoſtet, ehe ſie zu
einer voͤlligen Glaubensfeſtigkeit in ihrer Meinung ge-
langet ſind, wenn ſie ſolche anders jemals wirklich erhal-
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Hier iſt alſo ein Beyſpiel von ſubjektiviſchen be-
dingt nothwendigen Urtheilen. Dieß ſind ſolche,
die außer den Gruͤnden, welche das Urtheil in der Denk-
kraft beſtimmen, noch die Bedingung erfodern, daß nir-
gendswoher ein Hinderniß ſich im Weg lege, und das
Urtheil abaͤndere. Ein ſolches Urtheil kann veraͤndert
werden, „wenn gleich alle vorhandene beſtimmende
„Gruͤnde bleiben, wie ſie ſind, und nur noch etwas neu-
„es hinzukommt, das die beſtimmende Kraft der erſtern
„verhindert.‟ Aber in dieſen Faͤllen iſt auch, um den
Beyfall des Verſtandes hervorzubringen, und die an
ſich hinreichende Ueberzeugungsgruͤnde wirkſam zu ma-
chen, nichts mehr noͤthig, als daß die neuen Jdeen,
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/556>, abgerufen am 23.12.2024.
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